Klimt, Kokoschka und Schiele verführen mit erotischen Linien
Picassomuseum
Der Exportschlager Österreichs? Das ist nicht die Sachertorte, das sind Klimt, Schiele und Kokoschka. „Es gibt eine immense Sehnsucht nach den Bildwelten des berühmten Wiener Dreigestirns“, sagt Kurator Dr. Peter Assmann. In Münster wird die Sehnsucht nun gestillt. Das Picassomuseum zeigt „Die Verführung der Linie“. Ein hocherotischer Import.
Kaum ein Bild ist unter einem sechsstelligen Betrag anzusiedeln. Natürlich geht es um Erotik, mal mehr, mal weniger drastisch. Doch was hier im „stilistischen Quellgebiet des Jugendstils“ (Picassomuseumsleiter Markus Müller) entstand, aus dem auch Picasso selbst schöpfte, entwickelt sich bei allen in ganz unterschiedliche Richtungen.
Bei Egon Schiele geht es um das Sehen – und das Bewusstsein, gesehen zu werden. Seine lasziven Frauen standen damals hart an der Grenze zur Pornografie, für einige Zeichnungen ging er sogar ins Gefängnis. Doch die Frauen werden nicht ausgestellt. Oft verrät ihr Gesichtsausdruck, dass sie darum wissen, Beobachter zu haben, die Provokation spüren und genießen. Die „Aktstudie zweier Mädchen beim Liebesspiel“ – mit schnellem Strich, nur eine Momentaufnahme – ist besonders deutlich, so herausfordernd ist der Blick zum Betrachter.
Bei Oskar Kokoschka (1886-1980) zeigt sich die Emanzipation der Frau vor und nach dem Ersten Weltkrieg sehr deutlich. Das Korsett weicht dem BH, statt langem Haar dominiert der kecke Kurzhaarschnitt. „Im Ersten Weltkrieg haben Frauen so oft Männerjobs übernommen und Selbstbewusstsein erlangt, dass sie nicht mehr zurück an den Herd gegangen sind“, so Assmann. Kokoschkas frühe Frauenporträts wirken fast altbacken gegenüber späteren Studien. „Er ist der Psychologisierende der drei, der versucht, die Urkraft des Körperlichen in die Zeichnung zu übersetzen.“ Kokoschka will den Charakter erfassen, will Innen wie Außen in der Zeichnung bannen. Kein Zufall: Es ist die Zeit von Freud und der modernen Psychoanalyse, ein neuer Begriff von Körperlichkeit und Sexualität entsteht. Assmann hat die Schau hier bildnerisch durch zeitgenössischen Akt-Fotografien erweitert, die spannende Vergleiche in der Darstellung des Körperlichen ermöglichen.
Auch die Zeichnung selbst emanzipiert sich zu dieser Zeit. Gustav Klimt (er stirbt wie Schiele schon 1918) nutzt sie noch als Vorstudien, zum Beispiel für seine Fresko-Arbeiten, doch er verleiht ihr schon eine ungeheure eigenständige Wirkung. Das „Halbbild einer Frau mit der Hand an der Stirn“ (1884/85) ist ein Meisterwerk. Das Haar fast fotografisch genau, die Hand mit präzisem Schattenwurf über dem Auge. Selbst auf dem groben braunen Papier hat das eine enorme Lebendigkeit. Bei den Akten ist Klimt distanzierter, geht nicht ganz so nah an den Körper heran. Der erotischen Wirksamkeit tut das keinen Abbruch. Oder wie Arthur Schnitzler sagt: „Die Entblößung des Gefühls ist viel anstößiger als die des Körpers.“ In der Ausstellung ist beides zu haben.