Kurzfristig durften die Mitglieder der Bürgerinitiative „Unna braucht Eis“ am Montagnachmittag die Eissporthalle besichtigen. Mit dabei war ein Fachmann aus Köln, den die Initiative für die unabhängige Begutachtung gewinnen konnte. Sein Urteil nach einer Stunde in der Eishalle: alles abbruchreif.

Unna

, 16.07.2018, 15:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Es müsse im Grunde alles abgebrochen und neu gebaut werden, sagte Kältetechniker Christoph Wetzel am Montagnachmittag nach der Begehung in der Unnaer Eissporthalle. Er arbeitet bei einer Firma für Kältetechnik in Köln und kannte die Unnaer Halle und deren Eisaufbereitungsanlage vorher nicht. Die Bürgerinitiative „Unna braucht Eis“ hatte die Firma gebeten, sie bei der Besichtigung der Anlage zu begleiten.

Gemeinsam mit Vertretern der Stadtverwaltung, der Wirtschaftsbetriebe Unna (WBU) und der Pächterfamilie Kuchnia durften die Mitglieder der Initiative sich ein eigenes Bild vom Zustand der Halle und insbesondere der Eisaufbereitungsanlage machen. Georg Nicolaiciuc kam für die Besichtigung aus seinem Ruhestand zurück: Der ehemalige technische Prokurist der WBU führte die drei Mitglieder der Bürgerinitiative und „ihren“ Fachmann durch die gesamte Halle.

Erste Station war natürlich die Eisaufbereitungsanlage. Thorsten Speck, der als Regionalleiter einer Kältetechnikfirma seit Jahren für die Unnaer Eisaufbereitungsanlage zuständig ist, warnte die Besucher vorab: „Sie werden sofort einen stechenden Geruch wahrnehmen. Es wird von der Anlage Ammoniak an die Umgebungsluft abgegeben, deswegen sollten wir uns nicht lange in dem Raum aufhalten.“ Tatsächlich war ein beißender Geruch sofort wahrnehmbar, als die dicke Isolationstür zu dem Technikraum sich öffnete. Die wenigen Minuten, die die Besucher ungefährdet dort verbringen konnten, reichten aus, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie es um die Anlage tatsächlich steht.

Thorsten Speck von der Kältetechnikfirma, die die Eisaufbereitungsanlage in Unna seit Jahren betreut, zeigt den Bereich, in dem Ammoniak aus der Anlage entweicht.

Thorsten Speck von der Kältetechnikfirma, die die Eisaufbereitungsanlage in Unna seit Jahren betreut, zeigt den Bereich, in dem Ammoniak aus der Anlage entweicht. © UDO HENNES

Und das Fazit ist ernüchternd: Die Eisaufbereitungsanlage weist noch mehr Schäden auf als die bisher bekannten an den Verdichtern. „Wir arbeiten seit der vergangenen Woche daran, das Ammoniak in den Abscheider zu saugen, aber wir kommen hier nicht weiter“, sagte Speck. „Wir können das Ammoniak nicht eindämmen, die Absperrventile schließen nicht mehr dicht.“ Normalerweise wird das Ammoniak, das sich als Kühlmittel in der Anlage befindet, zu Beginn der eisfreien Zeit in den sogenannten Abscheider abgesaugt – aus Sicherheitsgründen. Doch die Leitung zu dem Abscheider weist erhebliche Korrosionsschäden auf, wie Speck berichtete. „Möglicherweise ist Feuchtigkeit durch die Dämmung eingedrungen und an die Stahlrohre gelangt, die dadurch porös wurden; auf jeden Fall kommt das Ammoniak aus der Leitung heraus“, erklärte Speck. Die Folge: Das Ammoniak ist in der gesamten Anlage verteilt und kann nicht abgesaugt werden.

TÜV im Juli 2017 „hat ein Auge zugedrückt“

Und das ist nicht das einzige Problem an der Anlage: Speck, der auch die bis dato letzte Untersuchung der Anlage durch den TÜV im Juli 2017 begleitete, berichtete, dass die elektronische Schaltschrankanlage für die Eisaufbereitungsanlage damals nur durch den TÜV gekommen sei, weil dieser „ein Auge zugedrückt“ hätte. „Wir haben Klimmzüge gemacht, dass wir noch eine Übergangszeit hinbekommen“, so Speck. Der TÜV hatte der Anlage im Juli 2017 „geringfügige Mängel“ bescheinigt und einen Betrieb bis Juni 2020 erlaubt. Die Anlage stammt aus dem Jahr 1977. Die WBU hatte in ihren Erklärungen zur Eishalle mehrfach betont, dass es keine Ersatzteile für diese Anlage mehr gebe. Dies bestätigte Speck. „Es wäre vielleicht unverantwortlich, zu sagen, dass die Anlage nicht mehr zu reparieren sei. Aber das Ersatzteilgeschäft für diese Anlagen wurde schon vor Jahren eingestellt, das ist Fakt. Und selbst wenn man hier noch etwas reparieren könnte, es ist vieles andere auch noch kaputt. Vermutlich wäre es nur eine Frage der Zeit, bis die nächste Baustelle auftauchen würde.“

Lange Phase des Hin und Her

Andreas Pietsch von der Bürgerinitiative zeigte sich überrascht: „Warum sind hier vorher keine Rücklagen für so einen Fall getroffen worden? Man muss doch wissen, dass so eine Anlage nicht ewig läuft. Das finde ich verantwortungslos von der WBU.“ Georg Nicolaiciuc widersprach diesem Eindruck: „Es ist nicht so, als wenn hier nichts gemacht worden wäre. Bis zu einem gewissen Punkt haben die Pächter vieles gemacht. Als klar war, dass Kuchnias die Halle kaufen wollten, haben sie zurecht gesagt, dass sie natürlich erst abwarten, bis alles unterschrieben ist, bevor sie größere Investitionen tätigen.“

Das sei nachvollziehbar, fand auch Pietsch. Dennoch sei viel zu lange nicht in die Halle investiert worden. „Es hat sich alles sehr lange hingezogen, das stimmt“, bestätigte Nicolaiciuc. Von dem Entschluss der Kuchnias 2014, die Halle von der WBU zu kaufen, bis zu dem Ratsbeschluss Anfang des Jahres, den Pachtvertrag mit der Familie aufzulösen, zieht sich eine Zeitspanne, in der weder die Pächterfamilie noch die WBU große Investitionen in die Halle tätigen konnten oder wollten – da noch keine Unterschrift unter einen möglichen Kaufvertrag getätigt war.

Christoph Wetzel, von der Bürgerinitiative beauftragter Kältetechniker, Sebastian Cirkel von der Bürgerinitiative und Georg Nicolaiciuc, ehemaliger WBU-Prokurist (von links), diskutieren die Erkenntnisse der Besichtigung gemeinsam.

Christoph Wetzel, von der Bürgerinitiative beauftragter Kältetechniker, Sebastian Cirkel von der Bürgerinitiative und Georg Nicolaiciuc, ehemaliger WBU-Prokurist (von links), diskutieren die Erkenntnisse der Besichtigung gemeinsam. © UDO HENNES

Für Christoph Wetzel, der die Bürgerinitiative, als Kältetechniker in die Halle begleitete, war nach einer Stunde Besichtigung klar: „Abbrechen.“ An der Halle sei so viel defekt, dass er einen Abriss und kompletten Neubau vorschlagen würde. Die Mitglieder der Bürgerinitiative zeigten sich ernüchtert. „Dass es so schlimm aussieht, hätte ich nicht gedacht“, meinte Sebastian Cirkel. „Jetzt müssen wir uns erst mal besprechen und schauen, wie wir weiter vorgehen“, sagte Andreas Pietsch. Fest steht in jedem Fall: Die WBU und die Bürgerinitiative wollen den nun aufgebauten Kontakt halten, um das weitere Vorgehen gemeinsam zu planen.

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