Kabarettist Georg Schramm verabschiedet sich
Für seine Abschiedstournee hat er klare Vorstellungen. Keine Kostüme, kein Ballett, kein Tanz. Keine Parodien und Witze. Kein Rummel um seine Person. Um die Sache soll es gehen.

Der Kabarettist Georg Schramm zieht sich aus dem Rampenlicht zurück. Foto: Henning Kaiser
«Ich möchte noch einmal den ganz großen Bogen spannen», kündigt der Polit-Kabarettist Georg Schramm in seiner Rolle als Lothar Dombrowski bissig an. Der renitente, altpreußische Rentner mit Hornbrille und Handprothese ist seine bekannteste Bühnenfigur. Ihm zu Ehren ist auch das Programm des letzten Stücks benannt, das am Sonntag zum letzten Mal zu sehen ist: «Letzte Gardine - eine Lederhand packt ein».
Doch nicht nur die Kunstfigur, die seit 25 Jahren voller Zynismus mit geschliffener Rhetorik auf der Bühne und im TV gegen die Mächtigen aus Politik und Wirtschaft wettert, soll einpacken. Auch Schramm selbst will sich zurückziehen. Im Mai verabschiedete er sich als Solokabarettist von der Bühne. Nun ist er ein letztes Mal mit seinen Freunden und Kollegen Urban Priol («Neues aus der Anstalt») und Jochen Malmsheimer auf Mini-Tournee. Das ganze Stück ist ein Akt der Planung. Wie einen Abschieds-Auftritt ohne Larmoyanz und Rührseligkeiten gestalten?
Bei der Premiere in Bonn scheint der 65-jährige Schramm mit seiner Bühnenfigur zu verschmelzen. Der studierte Psychologe gab vor einiger Zeit in einem Interview zu, er sei zwar «nicht leergeschrieben, aber müde geworden». Als Lothar Dombrowski bekennt er mit verzogenem Mund und spitzem «S» ganz desillusioniert: «Bei der Durchsicht meiner Reden habe ich festgestellt, dass schon vor mir alles gesagt wurde - nicht minder kraftvoll. Meist sogar besser.» Das Weltgeschehen, wie es sich heute darstelle, habe William Shakespeare bereits vor 450 Jahren treffend formuliert: «Verrückte führen Blinde».
Und gerade in diesen Zeiten, «wo überall Krieg herrscht, weilt Peter Scholl-Latour nicht mehr unter uns», bedauert die Lederhand alias Schramm. Wer solle nun den «Flinten-Weibern», Kanzlerin Angela Merkel und ihrer «Truppen-Ursel», den gut gemeinten Ratschlag geben: «Lasst es einfach mit den Waffenlieferungen», entfährt es dem Künstler mit schneidender Stimme. Oder Ebola. «Das verdeckt zumindest, dass jedes Jahr Millionen Afrikaner an Aids oder Malaria sterben.» Dazu gibt es raumgreifende Gesten mit erhobenem Zeigefinger. So ganz ohne demonstrativen Zorn geht es dann eben auch zum Abschied nicht.
«Im Höchstfall schafft man es mit diesen Spitzen, die Zuschauer zu irritieren oder bringt sie dazu, eine andere Perspektive einzunehmen», sagte eine langjährige Weggefährtin Schramms, die Konstanzer Regisseurin Hilde Schneider. «Aber verändern, so dass es sich in der Politik widerspiegelt - das schafft man sowieso nicht. Wenn man den Anspruch hat, ist es auf Dauer frustrierend.»
Er kehre der Bühne den Rücken nicht aus Resignation, betont Schramm hingegen auf seiner Homepage. Einem breiten Fernsehpublikum ist er Anfang der 2000-er Jahre als ständiges Ensemblemitglied in der ARD-Sendung «Scheibenwischer» an der Seite von Dieter Hildebrandt aufgefallen. Später analysierte er zusammen mit Urban Priol im ZDF-Kabarett-Format «Neues aus der Anstalt» das politische Geschehen. Er wolle Spuren hinterlassen, sagte er damals.
Auch privat mischte er sich immer wieder ein: Er demonstrierte gegen Atomkraftwerke, ging gegen das Bahnhofsprojekt «Stuttgart 21» auf die Straße. Nach Horst Köhlers Rücktritt als Bundespräsident im Jahr 2010 brachte er sich selbst als möglichen Kandidaten ins Spiel, lehnte dann aber ab, als es ernster wurde. Schramm gilt als bescheidener Mensch. Umso passender, dass er sich in der Rolle einer seiner Kunstfiguren von der Bühne verabschiedet.
«Wir brauchen mehr von der Sorte», fordern die Kabarett-Kollegen Priol und Malmsheimer in dem Programm. «Menschen wie er, die gegen die Dumpfpickelei der Teilnahmslosigkeit in der Welt vorgehen.» Wen sie meinen - Dombrowski oder Schramm - lassen sie offen.
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