Jochen Distelmeyers Lesung - eine Sensation

Blumfeld-Kopf auf der Lit.Cologne

Jochen Distelmeyer, Kopf der legendären Band Blumfeld, hat mit „Otis“ seinen ersten Roman vorgelegt. Der erwartete, ganze große Wurf ist ihm damit nicht gelungen. Seine Lesung daraus beim Festival Lit.Cologne, die er mit einem erstaunlichen Solo-Konzert würzte, war jedoch eine Sensation.

Köln

, 22.03.2015, 15:54 Uhr / Lesedauer: 2 min
Las aus seinem Roman "Otis": Jochen Distelmeyer.

Las aus seinem Roman "Otis": Jochen Distelmeyer.

Konzept der Lit.Cologne ist die Begegnung. Sie stellt den eingeladenen Autoren jemanden an die Seite stellt, der ein Gespräch mit ihnen führt oder aus ihren Texten liest. In Jochen Distelmeyers Fall war es die Journalistin Marion Brasch – die der Autor erstmal allein am Lesetisch sitzen ließ.

Kaum hatte er die Bühne der ausverkauften Kölner Kulturkirche betreten, stürmte er ans Gesangsmikrophon und rezitierte die ersten Seiten seines literarischen Debüts „Otis“ auswendig. Mit großer Präsenz, erstaunlichem Tempo und in einem feierlichen Sprachgestus. Diese überraschende Szene machte nicht nur klar, dass ein absolut außergewöhnlicher Abend bevorsteht, der das Format der Lesung sprengen wird. Sie ergab auch auf allen Ebenen Sinn.

Ursprünglich war ein Album geplant

Distelmeyers Roman ist aus der Beschäftigung mit Homers „Odyssee“ entstanden, die ursprünglich zu einem neuen Album führen sollte. Wie der Wahl-Berliner im Gespräch mit Marion Brasch erklärte, wurde ihm jedoch bald klar, dass die Textfülle nicht in Songs und auf Platte zu pressen zu sei. Wie sonst Liedtexte ist ihm ein Roman aus den Fingern geflossen. Es habe keinen Moment gegeben, wo seine Kreativität ins Stocken geraten sei. So wie die „Odyssee“ in Gesänge eingeteilt ist, sieht auch Jochen Distelmeyer sein Buch als „einen langen Songtext“, der eben dann zu sich selbst kommt, wenn er ihn wie einen solchen vorträgt.

Nach einigen gelesenen Passagen, Reflexionen über die Romanfigur Tristan Funke, dessen Frauenbild und Odyssee durch Berlin, gab Distelmeyer noch ein kleines Konzert allein an der Akustikgitarre. Das ließ die Fanherzen besonders hoch schlagen, weil er es sonst praktisch nicht ohne Band auftritt.

Coverversionen von Britney Spears und Hannes Wader

Wie Bob Dylan auf seiner umstrittenen Platte „Self Portrait“ gab der Songwriter eine disparate Selbstbeschreibung durch Coverversionen: Er spielte Britney Spears „Toxic“, Radioheads „Pyramid Song“, fasste Hannes Waders „Unterwegs nach Süden“ in Family of the Years „Hero“ ein. Alles Einflüsse, die zu irgendeinem Zeitpunkt einmal Bedeutung für die Entwicklung des Künstlers hatten. Daraus einen wirklich stimmigen Roman zu formen – das Projekt hat er mit „Otis“ noch nicht abgeschlossen.

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