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Ist Omikron gefährlich – oder gar eine Chance? Helfen Impfungen noch? Fragen und Antworten
Coronavirus
Die Omikron-Variante schürt Angst vor der weiteren Ausweitung der Corona-Pandemie. Sind Geimpfte jetzt ungeschützt? Oder bietet Omikron gar eine Chance aus der Pandemie heraus? Ein Überblick.
Es ist gerade erst zwei Wochen her, dass beunruhigende Nachrichten aus Südafrika die Runde machten. Dort war eine neue Variante des Coronavirus entdeckt worden, die sich ganz offensichtlich in Windeseile ausbreitete. Inzwischen hat diese Variante den Namen Omikron erhalten und weltweit die allergrößten Sorgen und Ängste ausgelöst.
Einreisesperren wurden verhängt, Grenzen geschlossen und scharfe Quarantäne-Vorschriften erlassen. Nahezu stündlich äußert sich irgendwo auf der Welt jemand zu Omikron. Da verliert man leicht den Überblick. Daher fassen wir hier die wichtigsten Fragen und Antworten zusammen.
? Was macht Omikron so gefährlich?
Die Omikron-Variante unterscheidet sich an 50 Stellen vom ursprünglichen Coronavirus. Besonders bedenklich ist, dass 32 dieser Veränderungen das sogenannte Spike-Protein des Virus betreffen.
Dieses Spike-Protein ist wie ein Türöffner. Es ermöglicht dem Virus, in die Körperzellen einzudringen und dort Unheil anzurichten. Da die Impfstoffe an dieser entscheidenden Stelle des Spike-Proteins ansetzen, ist es besonders verhängnisvoll, wenn sich das Spike-Protein stark verändert. Die Impfstoffe verlieren dadurch ihre Passgenauigkeit.
Für den Epidemiologen Carsten Watzl, Professor an der TU Dortmund und Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, steht fest: „Es braucht deutlich mehr Antikörper, um Omikron zu neutralisieren. Ca. 40-fach mehr! Das ist der größte Abfall, den wir je bei einer Variante gesehen haben. Bedeutet: Wir werden deutlich mehr Durchbruchsinfektionen sehen. Gerade bei Genesenen und ‚nur‘ zweimal Geimpften.“
? Welche konkreten Folgen haben die Veränderungen im Omikron-Virus?
Die Experten sind sich inzwischen sehr sicher, dass das Omikron-Virus eine gute und eine schlechte Eigenschaft in sich vereint. Die schlechte Eigenschaft zeigt sich darin, dass Omikron deutlich ansteckender ist als alle bisher bekannten Varianten des Coronavirus. In Südafrika schnellte seit der Entdeckung von Omikron die 7-Tage-Inzidenz von 6,4 am 24. November auf 157,3 am 9. Dezember hoch.
Wie in Südafrika verdoppelt sich auch in Großbritannien das Virus alle drei bis vier Tage, sagte Christian Drosten, Chef-Virologe der Charité, in seinem wöchentlichen Podcast. Wenn sich diese Entwicklung auch in Deutschland fortsetze, „dann ist das eine Entwicklung, die schneller ist als jede politische Entscheidungsmöglichkeit. Dann hätten wir bald ein ernstes Problem“, sagt Drosten.
Auch der amerikanische Virologe und Präsidenten-Berater Anthony Fauci berichtete von dieser extrem hohen Verbreitungsgeschwindigkeit. Zugleich aber – und das könnte die gute Seite von Omikron sein – löst Omikron in der Regel keinen so schweren Verlauf einer Covid-Erkrankung wie etwa Delta aus, sagt Fauci.
Bei diesem Argument rät Prof. Dr. Carsten Watzl allerdings zur Vorsicht. Auf Twitter schreibt er: „Dass sich mehr Geimpfte oder Genesene mit Omikron anstecken, könnte erklären, warum es mehr milde Verläufe gibt. Heißt aber nicht, dass Omikron weniger gefährlich ist! Aber deshalb wird sich Omikron auch bei uns durchsetzen und könnte Ende des Jahres dominant sein.“
? Wirken die bisher eingesetzten Impfstoffe überhaupt gegen Omikron?
Karl Lauterbach sagte am Abend nach seiner Ernennung zum Gesundheitsminister in einem ZDF-Interview: „Die Impfung ist nur abgeschlossen, wenn man dreimal geimpft wurde.“ Das sind neue, sehr dramatisch klingende Worte, schließlich lautet die bisherige Definition: 14 Tage nach der 2. Impfung gilt man als „vollständig geimpft“.
Die bisher von Biontech ausgewerteten Daten belegen nach Aussagen des Unternehmens, dass eine dreifache Impfung noch einen guten Schutz gegen Omikron bildet, nach einer zweifachen Impfung der Schutz allerdings deutlich niedriger ist. Deshalb hat Biontech bereits damit begonnen, einen an Omikron angepassten Impfstoff zu entwickeln.
? Wenn Omikron jetzt die Wirkung der Impfstoffe austricksen kann, was nutzen Impfungen dann überhaupt?
Auf diese Frage hat der Epidemiologe Prof. Carsten Watzl in diesen Tagen per Twitter so geantwortet: „Selbst wenn Geimpfte oder Genesene sich eher mit Omikron anstecken können, Ungeimpfte sind noch weniger geschützt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich anstecken und schwer erkranken, ist mit Omikron deutlich gestiegen!“
Zudem schrieb Watzl: „Wichtig: Impfschutz vor Omikron-Infektion wird deutlich geringer sein. Aber: Impfung gibt immer noch Schutz vor schwerer Erkrankung“, und: „Nach Booster oder Impfung und Infektion hat man deutlich mehr Antikörper und ist besser gegen Omikron geschützt. Die Impfungen sind weniger effektiv, aber nicht nutzlos!“
? Bietet Omikron eine Chance? Wie kommt Christian Drosten dazu, von Omikron als „perfektem Nachdurchseuchungsvirus“ zu sprechen?
Wir müssen lernen, damit zu leben, dass das Coronavirus nicht wieder aus unserem Leben verschwinden wird. Wie andere Viren auch wird es weiter in der Bevölkerung kursieren und immer mal wieder Krankheiten auslösen. Das Virus wird zum Teil unseres Alltags werden.
Dabei ist es offen, ob dieses Virus dann nur vergleichsweise harmlose Erkrankungen – also etwa eine leichte Erkältung – oder schwerwiegendere wie etwa eine Form der Grippe auslöst. Im letzteren Fall könnte es zumindest – wie bei der Grippe – sinnvoll sein, eine angepasste Impfung zumindest für bestimmte Gruppen in regelmäßigen Abständen zu verabreichen.
Mit anderen Worten: Aus der Pandemie wäre eine Endemie geworden. Diese ist allerdings nur zu erreichen, wenn sich möglichst viele, am besten alle Menschen einer Region mit diesem Virus einmal infiziert haben.
Das hat Charité-Chefvirologe Christian Drosten im Hinterkopf, wenn er von Omikron als „perfektem Nachdurchseuchungsvirus“ spricht. Zum einen verbreitet es sich nach allem, was man bisher weiß, extrem schnell und erreicht damit sehr viele Menschen. Zum anderen löst es nach den bisherigen Erkenntnissen nur einen milden Verlauf einer Covid-Erkrankung aus. Daher könnte man prinzipiell mit Omikron extrem gut rasch in die endemische Lage kommen.
Die Sache hat nur einen Haken: Der Schutz vor einem schweren Verlauf gilt nur für Geimpfte und Genesene, bei Ungeimpften ist das Risiko einer schweren Erkrankung auch bei einer Omikron-Infektion hoch. Deshalb rät Drosten in diesem Zusammenhang auch erneut, sich impfen und boostern zu lassen.
Ulrich Breulmann, Jahrgang 1962, ist Diplom-Theologe. Nach seinem Volontariat arbeitete er zunächst sechseinhalb Jahre in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten, bevor er als Redaktionsleiter in verschiedenen Städten des Münsterlandes und in Dortmund eingesetzt war. Seit Dezember 2019 ist er als Investigativ-Reporter im Einsatz.
