Sich absichtlich mit dem Coronavirus zu infizieren ist nicht nur nach Ansicht von Dr. Prosper Rodewyk (r.) keine gute Idee. Es gibt sehr einleuchtende Gründe, die dagegen sprechen.

© Fotos: dpa, Schütze / Collage: Nina Dittgen

Ist es sinnvoll, sich jetzt absichtlich mit der milden Omikron-Variante anzustecken?

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Seit Wochen dominiert die Omikron-Variante des Coronavirus. Die Fallzahlen sind riesig, Klinik- und Todeszahlen sind es nicht. Ist es da nicht klug, sich absichtlich mit Omikron anzustecken?

NRW

, 01.04.2022, 05:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Auf den ersten Blick klingt es nach einer bestechend einfachen Lösung: Ist es in diesen Tagen nicht wirklich sinnvoll, sich absichtlich mit dem Coronavirus zu infizieren? Die Zahl neuer Infektionsfälle ist zwar gigantisch, allerdings nimmt eine Infektion bei der dominierenden Omikron-Variante in aller Regel einen sehr milden Verlauf.

Die Zahl der Covid19-Kranken in den Kliniken und der Corona-Toten ist vergleichsweise gering. Also liegt der Schluss nahe: Ich sollte mich jetzt infizieren, dann bin ich noch besser vor einer möglicherweise irgendwann auftretenden schlimmeren Variante geschützt. Eine clevere Idee?

„Omikron ist letztlich ein ganz neues Virus“

„Nein, das ist ganz und gar keine gute Idee“, sagt Dr. Prosper Rodewyk, Hausarzt in Dortmund und Leiter der Bezirksstelle der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe. Dafür führt er zwei Gründe an.

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1. Neue Studien aus Großbritannien hätten gezeigt, dass Omikron so ganz anders sei als alle anderen Coronaviren. „Ja, es ist ein Coronavirus, aber es ist letztlich ein ganz neues Virus. Deshalb hilft es nicht, sich mit Omikron zu infizieren, um damit vor anderen, bisher bekannten Varianten zu schützen.“ Es werde kein entsprechender Immunschutz aufgebaut: „Das wirkt einfach nicht“, so Rodewyk.

Die große Gefahr der „Re-Infektionen“

Das Robert-Koch-Institut berichtet ergänzend: „Aktuelle Daten zeigen, dass es unter der vorherrschenden Omikron-Variante häufiger zu Re-Infektionen kommt als unter der Delta-Variante.“

Das heißt: Wer mit Omikron infiziert war, kann sich durchaus einfacher erneut anstecken als bei vorangegangenen Varianten. Der aufgebaute Immunschutz ist offensichtlich nicht besonders hoch. Und wie lange dieser Schutz vorhalte, sei auch noch nicht klar, so das RKI.

„Omikron ist weniger tödlich, aber immer noch tödlich“

2. „Auch unter den mit Omikron Infizierten gibt es Tote“, nennt Prosper Rodewyk als zweiten Grund, warum eine absichtliche Ansteckung ein Fehler sei. „Es ist zwar zehnmal weniger tödlich als etwa Delta, aber es bleibt tödlich.“ Erst kürzlich sei ein 58-jähriger Kollege an den Folgen einer Omikron-Infektion gestorben, sagt Rodewyk, räumt aber ein, dass der wahrscheinlich nicht geimpft gewesen sei. Noch immer würden aktuell auf den Intensivstationen in Dortmund wegen einer Covid19-Infektion zehn Menschen beatmet.

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Unter denen, die im Krankenhaus landeten, seien viele Ältere, das stimme, sagt Rodewyk, aber eben auch junge, die meisten von ihnen ungeimpft.

„Mit Tempo 200 unangeschnallt auf der Autobahn“

Aus diesen Gründen könne er nur dringend davon abraten, sich mit dem Coronavirus absichtlich zu infizieren: „Natürlich kann ich auch mit 200 unangeschnallt auf der Autobahn fahren und es passiert nichts. Trotzdem würde ich dazu raten, es besser nicht zu tun“, sagt Rodewyk.

Dr. Sven Dreyer, Anästhesiologe aus Düsseldorf und Mitglied im Bundesvorstand des Marburger Bundes, sieht die Sache ganz genauso wie Prosper Rodewyk: „Wenn Sie sich absichtlich anstecken, wissen Sie doch gar nicht, ob Sie sich wirklich mit Omikron oder einer versteckten Variante infizieren. Und Sie wissen auch nicht, wie Sie selbst auf eine solche Infektion reagieren“, sagt Dreyer.

Die große Unbekannte namens Long Covid

Und dann müsse man einfach sehen, dass es eine „unfassbare Menge von Menschen gibt, die an Long Covid leiden“. Sie litten oft monatelang an Abgeschlagenheit, Mattigkeit, Müdigkeit, Luftnot und anderen Beschwerden. Dieses Risiko mit einer absichtlichen Infektion einzugehen, sei alles andere als klug, sagt Dreyer.

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Das gelte im Übrigen auch für geboosterte Menschen: „Die tragen ja ohnehin schon Antikörper in sich. Das ist doch gerade der Sinn von Impfungen.“ Wenn man sehe, wie nach wie vor viele Menschen in den Kliniken mit einer Corona-Infektion zu kämpfen hätten, könne er nur zur Vorsicht raten. Und selbst für viele, die es nur mit einem „milden Verlauf“ erwische und die nicht ins Krankenhaus müssten, sei eine Infektion höchst unangenehm und nichts, was man sich wünsche.

Appell zum Tragen einer FFP2-Maske

Daher halte er auch nichts von den ab 3. April geltenden Lockerungen in NRW, sagt Dreyer: „Lockerungsübungen ja, die kann es geben. Aber in geschlossenen Räumen und wo man Kontakt mit anderen Personen hat, da sollte man weiter eine Maske tragen, am besten eine FFP2-Maske.“

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