Ist das russische Flaggschiff „Moskwa“ gesunken? Was das für den Krieg bedeuten könnte

Krieg gegen die Ukraine

Das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte soll untergegangen sein. Russland dementiert, gesteht aber Schäden ein. Die Hoheit Moskaus auf dem Schwarzen Meer könnte nun tiefe Kratzer bekommen.

Kiew

15.04.2022, 04:00 Uhr / Lesedauer: 4 min
Der russische Lenkwaffenkreuzer „Moskwa"

Der russische Lenkwaffenkreuzer „Moskwa“. (Archivbild) © picture alliance/dpa/Archiv

Der ukrainische Präsidentenberater Olexij Arestowytsch hat das im Schwarzen Meer stark beschädigte russische Kriegsschiff „Moskwa“ („Moskau“) für gesunken erklärt.

„Wo ist die ‚Moskwa‘? Sie ist gesunken“, schrieb Arestowytsch am Donnerstag auf Twitter und bei Telegram. Bestätigungen für diese Behauptung lagen jedoch zunächst nicht vor. Das ukrainische Einheitsfernsehen griff Arestowytschs Tweet dennoch auf. Russland sprach lediglich von schweren Schäden.

Was ist passiert?

Das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte soll Kiewer Angaben zufolge am Mittwochabend von zwei ukrainischen Neptun-Raketen getroffen worden sein. Bei den Raketen handelt es sich um sogenannte Seezielflugkörper ukrainischer Bauart, die eine Reichweite von bis zu 300 Kilometern haben und beinahe Schallgeschwindigkeit erreichen. Sie werden vornehmlich zur Küstenverteidigung eingesetzt.

Um 1:05 Uhr Ortszeit in der Nacht zum Donnerstag morste der Lenkwaffenkreuzer „Moskwa“ SOS: Das Schiff sei nach einer Explosion im Munitionslager schwer beschädigt, die Crew evakuiert, heißt es im Funkspruch. Die Ursachen würden untersucht.

Auch der Chef der Gebietsverwaltung von Odessa, Maxym Martschenko, erklärte, der russische Kreuzer sei von zwei ukrainischen Schiffsraketen des Typs „Neptun“ getroffen und schwer beschädigt worden. Aber ist das Schiff gesunken? Dazu machte Martschenko im Gegensatz zu Präsidentenberater Arestowytsch keine Angaben.

Ohnehin sind die Angaben zu dem Vorfall widersprüchlich: Einmal heißt es, das Schiff sei vor der von Russland eroberten Schlangeninsel getroffen worden, ein anderes Mal soll es in der Bucht von Sewastopol auf der annektierten Halbinsel Krim getroffen worden sein. Die USA hingegen gehen davon aus, dass sich das Schiff 60 bis 65 nautische Meilen südlich der ukrainischen Stadt Odessa befunden habe, als es zu einer Explosion gekommen sei.

Russland hält sich bedeckt

Das russische Verteidigungsministerium widersprach der Aussagen, wonach das Schiff gesunken sei, räumt aber schwere Schäden ein. Es sei trotz massiver Schäden weiter seetüchtig. Das Ministerium bestätigte einen Brand sowie Schäden auf dem bekannten Kreuzer der russischen Schwarzmeerflotte. Die Besatzung aber sei in Sicherheit gebracht worden. Die Explosionen von Munition an Bord seien beendet, die Raketen selbst seien nicht beschädigt, hieß es.

Im morgendlichen Briefing verlor der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, zunächst sogar überhaupt kein Wort über die „Moskwa“. Er ist traditionell für frohe Botschaften bei der Schlacht gegen die Ukraine zuständig.

Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte später, Präsident Wladimir Putin sei über die Schäden an der „Moskwa“ informiert worden. „Über die Militärberichte wird der Oberkommandierende regelmäßig über alle Ereignisse informiert“, sagte Peskow der Agentur Interfax zufolge. Das russische Militär hatte bereits in der Nacht mitgeteilt, dass auf dem Kreuzer ein Feuer ausgebrochen sei. Im Zuge dessen sei Munition an Bord explodiert.

USA sprechen von „schwerem Dämpfer“ für Russland

Jurij Sak, ein Berater des ukrainischen Verteidigungsministers, wollte Berichte über einen ukrainischen Beschuss des russischen Raketenkreuzers „Moskwa“ oder gar den Untergang des Schiffes im Schwarzen Meer nicht bestätigen. Er könne weder konkret sagen noch dementieren, was passiert sei, sagte Sak am Donnerstag der Nachrichtenagentur AP. Er sei sich aber bewusst, dass es anderslautende Berichte aus der Ukraine gebe.

„Falls oder wenn das bestätigt wird, können wir erleichtert durchatmen, denn das bedeutet, dass weniger Raketen ukrainische Städte erreichen werden“, sagte Sak der AP.

Der Nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, wertet die Schäden am russischen Raketenkreuzer „Moskwa“ als „schweren Dämpfer für Russland“. Die US-Regierung könne nicht bestätigen, dass das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte von ukrainischen Raketen getroffen worden sei, sagte Sullivan am Donnerstag bei einer Veranstaltung der Organisation Economic Club of Washington. Aber auch nach russischer Darstellung trug die „Moskwa“ Schäden durch einen Brand davon und muss in einen Hafen geschleppt werden.

„Sie mussten zwischen zwei Geschichten wählen: Eine Geschichte ist, dass es einfach nur Inkompetenz war, und die andere war, dass sie angegriffen wurden, und keine davon ist ein guter Ausgang für sie“, sagte Sullivan.

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Das US-Verteidigungsministerium spricht ebenfalls von Schäden auf dem Lenkwaffenkreuzer „Moskwa“. Ein hochrangiger Verteidigungsbeamter sagte am Donnerstag in Washington, bislang lasse sich nicht mit Klarheit sagen, was den Schaden auf dem Raketenkreuzer verursacht habe. „Im Moment können wir nicht definitiv sagen, was diese Explosion und das anschließende Feuer verursacht hat.“ Es könne auf einen Raketenangriff zurückzuführen sein, es könne aber auch andere Gründe geben.

Die Gefahr von Bränden und Explosionen auf derartigen Schiffen sei generell groß, da diese brennbares und explosives Material an Bord hätten, betonte er. Daher gelte es, vorsichtig zu sein mit Schlussfolgerungen. „Wir glauben, dass auf dem Schiff immer noch ein Brand bekämpft wird“, sagte der Beamte weiter. Der Kreuzer bewege sich derzeit nach Osten, mutmaßlich Richtung Sewastopol, um dort repariert zu werden. Zuletzt sei das Schiff noch in der Lage gewesen, sich aus eigener Kraft fortzubewegen. Der Verteidigungsbeamte sagte, nach US-Erkenntnissen seien mehrere andere russische Schiffe, die zuvor in der Nähe der „Moskwa“ im nördlichen Schwarzen Meer im Einsatz gewesen seien, weiter nach Süden verlegt worden.

Ukrainischer Soldat im Februar: „Russisches Kriegsschiff, verpiss dich!“

Die über 180 Meter lange „Moskwa“ war 1979 zu Wasser gelassen und 1982 in den Dienst genommen worden, damals noch unter dem Namen „Slawa“ (Ruhm). Erst 1996 erhielt es seinen heutigen Namen „Moskwa“. Von dem Flaggschiff aus wurden Raketenangriffe auf ukrainisches Territorium ausgeführt. Ukrainischen Angaben nach war der Kreuzer auch Ende Februar an der Eroberung der Schlangeninsel knapp 35 Kilometer östlich der Donaumündung beteiligt.

Diese Episode zu Kriegsbeginn ist mittlerweile bereits legendär: Vom Kreuzer kam demnach damals die Aufforderung an ukrainische Soldaten, die Waffen zu strecken. Der ukrainische Marineinfanterist Roman Hrybow soll einem bekannt gewordenen Funkspruch zufolge geantwortet haben: „Russisches Kriegsschiff, verpiss dich!“ Inzwischen ist dieser Spruch zu einem geflügelten Wort in der Ukraine geworden.

Es wäre das zweite größere russische Schiff, das nach dem vor sieben Wochen begonnenen Angriffskrieg durch ukrainische Raketen zumindest stark beschädigt wurde. Vor knapp drei Wochen war ein Landungsschiff der russischen Kriegsmarine im Hafen der besetzten südukrainischen Stadt Berdjansk infolge eines Raketenangriffs versenkt worden.

Wird die russische Flotte nun ein leichteres Ziel sein?

Für die weitere Kriegsführung der Russen bedeutet dies durchaus Probleme. Denn der russischen Flotte geht nicht nur jede Menge Feuerkraft verloren. Ihre Kriegsschiffe, die bislang ungehindert in ukrainischen Gewässern navigierten und von dort Landziele unter Beschuss nahmen, müssen sich zudem darauf einstellen, zunehmend zum Ziel von Küstenbatterien zu werden.

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Kiew hat sich neben den im eigenen Land hergestellten „Neptun“-Raketen unlängst auch Antischiffsraketen aus Großbritannien gesichert. Um diesen Geschossen zu entgehen, müssen die russischen Kriegsschiffe wohl den Abstand zur Küste vergrößern. Landemanöver wie in Odessa, über die seit Wochen spekuliert wird, werden damit deutlich unwahrscheinlicher.

RND

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