Ischgl-Prozess um Covid-Opfer: Staat Österreich lehnt Vergleich ab
Coronavirus
Die Witwe eines Corona-Opfers und weitere Hinterbliebene verklagen den österreichischen Staat auf 100.000 Euro Schmerzensgeld. Der erste Prozesstag zeigt: Der ist sich keiner Schuld bewusst.

Der beliebte Ski- und Touristenort Ischgl war einer der ersten Corona-Hotspots in Österreich. Jetzt klagt die Witwe eines Corona-Opfers gegen den Staat. © picture alliance/dpa/APA
Beim ersten Prozess um den folgenschweren Corona-Ausbruch im Tiroler Skiort Ischgl hat der österreichische Staat eine einvernehmliche Lösung und Vergleichsverhandlungen abgelehnt. Die Republik vertritt die Auffassung, dass Regierung und Behörden mit dem damaligem Wissen über das Virus richtig handelten und die Klage deshalb grundlos ist - das wurde zum Auftakt des Verfahrens am Freitag deutlich.
Vor dem Wiener Landgericht fordern die Witwe und der Sohn eines an Covid-19 gestorbenen Österreichers, der sich bei der chaotischen Abreise aus Ischgl angesteckt haben soll, rund 100.000 Euro Schadenersatz vom Staat. Es geht den Angehörigen aber nicht ums Geld. „Mir geht es um Gerechtigkeit“, sagte der Sohn des Verstorbenen am Freitag am Rande des Prozesses im Wiener Landgericht. „Falls es einen Schadenersatz gibt, werden wir das Geld natürlich spenden“, sagte er und verwies auf karitative Organisationen.
Partyort Ischgl wurde plötzlich geschlossen
Der auch bei Deutschen beliebte Ski- und Partyort wurde im März 2020 wegen steigender Fallzahlen plötzlich geschlossen. Reiserückkehrer trugen das Virus in viele Heimatländer weiter. Laut Klägeranwalt Alexander Klauser reagierten Behörden aber zu spät auf die ersten Infektionen und setzten Gesundheitsmaßnahmen nicht ausreichend um.
Außerdem habe Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am 13. März eine Quarantäne für Ischgl ohne Vorbereitungen verkündet. Tausende Urlauber seien dadurch unkontrolliert und dicht an dicht gedrängt geflohen. „Wer sich noch nicht in der Woche davor mit dem Coronavirus infiziert hatte, infizierte sich jetzt in überfüllten Pkw und Skibussen,“ sagte Klauser vor Journalisten.
Bei dem Gericht sind bislang 15 Klagen zu Ischgl eingegangen. Der österreichische Verbraucherschutzverein (VSV), der die Klagen unterstützt, rechnet jedoch damit, dass insgesamt bis zu 3.000 Ansprüche an den Staat gestellt werden.
Das Gericht hat die Beweisaufnahme am ersten Prozesstag beendet und ein schriftliches Urteil angekündigt. Die Richterin ließ keine weiteren wissenschaftlichen Gutachten und Anträge auf Vorlage von Behördenprotokollen zu, die der Klägeranwalt gefordert hatte. Man entscheide „in den nächsten Tagen oder Wochen über die Schadenersatzansprüche“. Weitere Zeugen sollen nicht mehr gehört werden.
dpa/akg