Indigene Sprachen Perus sind bedroht

Peru hat eine über Jahrhunderte zurückgehende reiche Sprachkultur. Doch weil das Spanische dominiert, sind viele indigene Sprachen vom Aussterben bedroht. Menschen haben Angst, diskriminiert und ausgelacht zu werden.

Lima (dpa)

von Von Rosmery Cueva Sáenz, dpa

, 27.06.2016, 12:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Peruanische Frauen in traditionellen Kostümen - indigene Sprachen scheinen jedoch auf der Strecke zu bleieben. Foto: Str

Peruanische Frauen in traditionellen Kostümen - indigene Sprachen scheinen jedoch auf der Strecke zu bleieben. Foto: Str

In Peru gibt es 47 indigene Sprachen, die schon vor der Ankunft der spanischen Eroberer im 16. Jahrhundert entstanden. Noch heute sind sie das Kommunikationsmittel von 55 verschiedenen Volksgruppen des südamerikanischen Landes.

Doch Diskriminierung und Vorurteile bedrohen diese Vielfalt. «Alle sind zu einem gewissen Grad aus der Mode gekommen, weil sie 500 Jahre lang marginalisiert wurden. Sogar das von mehr als drei Millionen Menschen gesprochene Quechua ist in Gefahr», sagt der Sprachwissenschaftler Fernando García, der in der bilingualen Lehrerausbildung Formabiap arbeitet.

43 dieser Sprachen kommen aus dem Amazonasgebiet, die anderen vier aus der Andenregion. Laut dem peruanischen Bildungsministerium sind vier von ihnen vom Aussterben bedroht, weil die Kinder sie nicht mehr benutzen. Bei 17 weiteren besteht ein «ernsthaftes Risiko», weil sie nur von älteren Menschen gesprochen werden.

Die Amazonas-Sprache Isconahua steht kurz vor dem Aussterben. Sie wird nur noch von sechs ältere Menschen in der Region Ucayali beherrscht, und drei von ihnen seien schwerhörig, sagt der Sprachwissenschaftler Roberto Zariquey von der Päpstlich-Katholischen Universität von Peru in Lima. «Die Menschen verwenden diese Sprachen nicht mehr. Sie sprechen spanisch - nicht, weil sie es wollen, sondern, weil sie dazu gezwungen sind. ... Der Staat muss die nötigen Rahmenbedingungen schaffen, damit die Menschen ihr Recht auf die freie Nutzung ihrer Muttersprache ausüben können», sagt Zariquey. Viele schämten sich für ihre Sprache: «Wir wollen nicht als Indigene oder Bauern identifiziert werden.»

Dass in den 24 Departements von Peru indigene Sprachen gesprochen werden, ist eine Folge der Migration. Quechua, was übersetzt soviel heißt wie «mildes Tal», ist die zweite Muttersprache des Landes und wird in 22 Departements gesprochen sowie in sechs weiteren Ländern: Ecuador, Bolivien, Argentinien, Kolumbien, Brasilien und Chile. Laut dem Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin gibt es heute noch 8 Millionen Quechua-Sprecher. Die dritte Muttersprache Perus ist Aymara, das von mehr als 400 000 Menschen im Anden-Departement Puno gesprochen wird.

Nach der Eroberung Perus im Jahr 1532 wurden die indigenen Sprachen dem Spanischen untergeordnet. Seitdem sind 37 Sprachen ausgestorben - als Folge der Gewalt gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen. Auch Diskriminierung und der vereinheitlichende Einfluss des Spanischen tragen zum Verfall der indigenen Sprachen bei, meint Elfren Ramos, der als Dozent die Ashaninka-Sprache lehrt. «Die Leute, die uns sprechen hören, lachen über uns», sagt er.

Das Überleben einzelner Sprachen führen die Experten auf Menschen zurück, die sie in ihrem familiären Umfeld gelernt haben. Doch das ist nicht genug. Die Ministerien für Bildung und Kultur organisieren jedes Jahr die Schulkonferenz Tinkuy, bei der Kinder aus indigenen Gemeinden zusammenkommen, um ihre sprachlichen und kulturellen Kenntnisse und Erfahrungen auszutauschen.

Derzeit haben 32 der indigenen Sprachen offizielle Alphabete, zwei werden gerade formalisiert, sechs weitere sind noch in der Anfangsphase. Eigene Alphabete machen es leichter, Lehrmaterialien für die Kinder der indigenen Volksgruppen herzustellen.

Experten setzen ihre Hoffnung aber nicht nur auf das Klassenzimmer, sondern auch auf den Arbeitsplatz und vor allem auf Internetseiten und soziale Netzwerke. «Der Erhalt der indigenen Sprachen ist die Pflicht aller Peruaner, weil er uns als Gesellschaft definiert», sagt der peruanische Soziolinguist Enrique López, der heute ein Bildungsprojekt der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Guatemala koordiniert.