Traumhafter Puccini „La Bohème“ begeistert in einer wunderschönen Inszenierung in Dortmund

In Schönheit sterben
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Sehr viel anders hat Puccinis Oper „La Bohème“ auch nicht bei der Uraufführung 1896 oder in der schönen, alten Inszenierung von Otto Schenk ausgesehen. Das, was Regisseur Gil Mehmert am Samstag auf die Bühne des Dortmunder Opernhauses gezaubert hat, ist nicht nur herzerwärmend und zum Mitweinen schön: Man könnte diese Inszenierung auch an Traditionshäusern wie Covent Garden, der Met oder Scala zeigen. – Auch wegen der herausragenden Dortmunder Besetzung.

Meist ist der Rodolfo der Star der Aufführung. Dortmund hat vier (!) großartige Tenöre für diese Partie; am Samstag sang Sungho Kim, der „BBC Cardiff Singer of the World 2023“. Glühend in der Liebe auf den ersten Blick, glutvoll in der Verzweiflung, Mimi ziehen lassen zu müssen, fröhlich jugendlich in der Bohèmian-Freiheit über den Dächern von Paris und resigniert in der Künstler-Armut lotete er alle Facetten der Figur aus.

Vortreffliche Besetzung

Aber das Ereignis dieser Dortmunder „Bohème“ ist Anna Sohn als Mimi. Sie ist wirklich eine „femme fragile“, eine schüchtern Liebende, die schon im ersten Akt den Tod mit sich trägt. Wie die Liebe zu Rodolfo die schwindsüchtige Blumenstickerin aufblühen lässt, zeigt sie mit emotional loderndem Sopran. Und wie sie Linien in Pianissimo ausformt, als Mimis Kräfte schwinden, ist zutiefst anrührend und allerhöchste Stimmkunst.

Rinnat Moriah ist als Musetta das lebenslustige Gegenstück, und auch die Rollen der anderen drei Bohemiens sind mit Mandla Mndebele, Morgan Moody und Denis Velev vortrefflich besetzt.

Anna Sohn als Mimi
Anna Sohn als Mimi: Ihr Tod ist immer präsent. © Björn Hickmann/ stage picture

Generalmusikdirektor Gabriel Feltz lässt die Dortmunder Philharmoniker zu Beginn der Oper in drängenden Tempi Energie versprühen, bringt später auch anrührend Süße zum Klingen, die so fein ausbalanciert ist, dass sie nie den Kitsch streift. Das gelingt auch Regie und Ausstattung.

Gil Mehmert führt und stellt die Figuren sehr gut, nutzt klug die Bühnentechnik – zum Beispiel, um vom Café Momus im Quartier Latin – wie im Film – in Mimis Versteck zu blenden. Die Künstler quartiert er nicht in einer geschlossenen Mansarde, sondern in einem Glaspavillon über den Dächern von Paris ein (tolle Bühne: Jens Kilian). Das vermittelt viel von der Freiheit, die die Bohèmiens von der Gesellschaft (auch von dem Vermieter, der wie Dickens‘ Ebenezer Scrooge aussieht) einfordern (wunderschöne Kostüme: Falk Bauer).

Morbide Patina

Trotzdem überzieht die Ausstattung die Oper mit einer etwas morbiden Patina des Ärmlichen, die gut zum Stück passt. So muss auch Mimi schließlich etwas schmucklos in der Badewanne der Künstler-WG sterben.

Und wie schön ist die Jahrmarkt-Szene im zweiten Bild. Mit einem Weihnachtsmarkt mit Musikkapelle, Kinder- und Opernchor zwischen Tannenbäumen und Lebkuchenherzen. Dazu rieselt leise der Schnee: herzerwärmend an diesem Weihnachtsabend.

Bohéme-Musical

Und wie schön ist die Jahrmarkt-Szene im zweiten Bild. Mit einem Weihnachtsmarkt mit Musikkapelle, Kinder- und Opernchor zwischen Tannenbäumen und Lebkuchenherzen. Dazu rieselt leise der Schnee: herzerwärmend an diesem Weihnachtsabend.

Riesenjubel für eine Oper, die auch an den Weihnachtstagen die ganze Familie (auch Kinder) begeistern kann. Mit „Rent“ zeigt Gil Mehmert ab 30. September in Dortmund die Musical-Version der Oper. Am besten, man schaut beides an.

Termine: 2. / 14. / 24. / 27. 9., 1. / 6. / 14. / 15. 10., 19. / 24. 11., 9. / 10. (mit Startenor Jonathan Tetelman als Rodolfo) / 23. / 25. 12., 6. 1.; Karten: Tel. (0231) 502 72 22 oderwww.theaterdo.de

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