„Die Erdfabrik“ ist ein abstraktes Märchenspiel Musiktheater bei Ruhrtriennale uraufgeführt

„Die Erdfabrik“ ist ein abstraktes Märchenspiel
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Welch ein Glückstreffer, so mag man denken: Da kriegt der renommierte griechisch-französische Komponist Georges Aperghis von der Ruhrtriennale einen Kompositionsauftrag und schreibt mit „Die Erdfabrik“ ein Musiktheaterstück, das sich sogar mit der hiesigen Bergbautradition auseinandersetzt. Und dann wird das zusammen mit dem französischen Schriftsteller Jean-Christophe Bailly entstandene Werk auch noch auf Deutsch präsentiert.

Von beidem war jedoch bei der Uraufführung am Freitag in der Gebläsehalle des Duisburger Landschaftsparks Nord wenig zu merken. Denn Asperghis und Bailly interessieren sich nicht für reale Maloche unter Tage, sondern flüchten sich in eine romantisierende Märchenwelt. Da wird das balladenhafte Gedicht „Die Erzstufe“ von Annette von Droste-Hülshoff zitiert, und E. T. A. Hoffmanns „Bergwerke zu Falun“ sind irgendwie auch nicht weit.

Übertitel nur auf Englisch

Die verwendeten Texte sind, zumindest, wenn sie gesungen werden, kaum zu verstehen. Übertitel gibt es groteskerweise ausschließlich bei den deutlich deklamierten Sprechpassagen und diese auch nur auf Englisch – als Service für ausländische Besucher.

Was „Die Erdfabrik“ konkret erzählen und aussagen will oder soll, bleibt letztlich der Fantasie des einzelnen Zuhörers / Zuschauers überlassen. Die Autoren liefern in ihrem „abstrakten, poetischen Musiktheater“ nur ein paar dürftige Mosaiksteinchen: Es geht durch Schächte hinab ins Innere der Erde und zugleich hinein in eine Nacht der Träume.

Unterwelt mit Strichmännchen

Einen Gegenpol zum Dunkel bildet das Licht. „Das Dunkel der Nacht mit dem Glanz der Sterne / ist wie das Abbild des Dunkels der Erde“, reimt Jean-Christophe Bailly.

Die über das Stück verstreuten Textbrocken, die von der Vokalakrobatin Donatienne Michel-Dansac und ihren vier Mitstreitern an Trompete, Schlagzeug (zwei Spieler) und Kontrabass produzierten Klangereignisse sowie die animierten Zeichnungen von Jeanne Apergis senden dazu jeweils eigenständige Signale aus. Letztere bevölkern eine schraffierte Unterwelt mit Strichmännchen und surrealen Fantasiegestalten.

Ähnelt Freejazz-Improvisation

Insgesamt wirkt das Ganze eher wie ein bebildertes Hörstück. Das liegt schon an der Konzertsituation mit der Sängerin zwischen imposanten Schlagzeugaufbauten. Die atmosphärische Musik von Georges Aperghis lässt die Spieler immer wieder tropfendes Wasser und hämmernde Bergleute imitieren.

Donatienne Michel-Dansac wird nicht müde bei den ihr abverlangten wortlosen Gesangsphrasen in enervierend hoher Lage. Die vier Instrumentalisten haben starke Soli, ihr Zusammenspiel ähnelt manchmal kollektiven Freejazz-Improvisationen.

75 lange Minuten

Die Vorstellung dauert nur 75 Minuten, hat aber trotzdem Längen, weil sich in der Musik oft zu wenig tut. Besonders fantasiebegabte Theaterbesucher, die zusätzlich Aufgeschlossenheit gegenüber nicht gerade eingängiger neuer Musik mitbringen, mögen sich daran erfreuen.

Termine: 17. - 20. 8.2023; Karten: Tel. (0221) 28 02 10.

www.ruhrtriennale.de

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