In der Oper „Frankenstein“ spricht das Monster mit drei Zungen
Musiktheater im Revier
In Gelsenkirchen verbreitet seit Samstag Frankensteins Monster Schrecken auf der Opernbühne des Musiktheaters im Revier. Jedoch geht das Konzept dieser Gothic-Oper nur teilweise auf.

Frankensteins Monster ist auf seinen Schöpfer (Piotr Prochera) nicht gut zu sprechen. © Monika Forster
Vier Jahre ist es her, da das Musiktheater im Revier mit einem ungewöhnlichen Projekt, eine neue Zielgruppe für sich erschlossen hat: Die „Steampunker“ strömten in großer Zahl nach Gelsenkirchen, um die „welterste Steampunk-Oper“ „Klein-Zaches“ mit der einschlägigen Rockband „Coppelius“ zu sehen.
Im Mai kehren die Berliner Musiker mit der düsteren Märchenoper „Krabat“ zurück. Quasi zur Einstimmung gibt es nun von „Klein Zaches“-Regisseur Sebastian Schwab eine „Frankenstein“-Gothic-Oper zu sehen. Samstag war Premiere.
Der besondere Kniff ist die lebensgroße Puppe
Als das Stück 2018 in Hamburg zur Uraufführung kam, war es längst nicht die einzige Bühnen-Adaption des Schauerromans von Mary Shelley, denn der war genau 200 Jahre zuvor erschienen. Es brauchte also schon einen besonderen Kniff, um aus der Jubiläumswelle hervorzuragen. Komponist und Librettist Jan Dvorák sah also für die Rolle des Monsters eine lebensgroße Puppe vor, die von drei Puppenspielerinnen auf der Bühne bewegt wird.
In der überarbeiteten Fassung für Gelsenkirchen werden die Texte des Monsters auch von jenen drei jungen Frauen abwechselnd gesprochen. Denn dieser „Frankenstein“ ist eine „Erzähloper“, in der jede Menge gesprochen wird. Und das ist ein Widerspruch in sich.
Mit Gothic-Rock hat die Partitur nicht viel zu tun
Dieses Stück ist keine wirkliche Oper und vom Label „Gothic“ sollte sich auch niemand zu viel versprechen: Mit Gothic-Rock hat die Partitur Dvoráks nicht viel zu tun. Es ist eher eine Art Filmmusik mit vielen plakativen Klangeffekten, zu der – wenn denn nicht gerade gesprochen – überwiegend deklamierend und rezitativisch gesungen wird. Was fehlt, sind echte Arien, Duette, Ensembles – bis auf sehr wenige Ausnahmen bei den Arien. Immerhin ist der Einsatz eines Kammerchors als Seelenspiegel Frankensteins eine gute Idee.
Zuerst gab es die Schauspielmusik
Wie diese Struktur zustande kam, ist leicht nachzuvollziehen: Dvorák hat sein Stück auf der Grundlage einer Schauspielmusik ausgebaut, die er 2014 für das Theater Basel komponiert hatte. Und so wirkt die Opernfassung auch irgendwie hingebogen.
Die Erzählstruktur weist einen ebenso deutlichen Bruch auf: Steht am Anfang noch das „Monster“ als sensibler Mörder wider Willen im Mittelpunkt, ist es nach der Hälfte des Vierakters sein Schöpfer Frankenstein.
Das Stück spielt im Einheitsbühnenbild
Die Folge daraus ist, dass das zweieinhalb Stunden lange Stück (plus Pause) in Teilen durchaus länglich gerät. Dazu bei trägt auch die Einheitskulisse von Britta Tönne bei. Einerseits ist das Anatomie-Theater mit seinen Zuschauerrängen im Halbrund ein wirkungsvolles und vielseitig nutzbares Bühnenbild, andererseits wäre ein Kulissenwechsel in vier Akten, die auf der ganzen Welt verteilt spielen, doch auch ganz schön gewesen.
Die musikalische Umsetzung unter Leitung von Giuliano Betta ist engagiert und effektvoll. Der junge Bariton Prochera singt und spielt den ehrgeizigen Frankenstein mit beeindruckendem (Körper-)Einsatz.
Das Konzept des dreizüngigen Monsters überzeugt nicht
Die schön gesungenen Frauenpartien von Bele Kumberger als Frankensteins Braut Elisabeth und Rina Hirayama als Kindermädchen Justine bieten die wenigen lyrisch-ariosen Momente, an denen es definitiv mangelt.
Und die jungen Puppen- und Schauspielerinnen Evi Arnsbjerg Brygmann, Bianka Drozdik und Eileen von Hoyningen Huene machen einen tollen Job. Allein das Konzept des dreizüngigen Monsters vermag nicht zu überzeugen.