Improvisationen bei ARD-Hörspieltagen
Klang-Collagen und Live-Inszenierungen: Bei den ARD-Hörspieltagen zeigt ein Improvisationsstück, was das Hörspiel so kann. Die Vorstellung anregen zum Beispiel. Eindrucksvoll, aber auch sehr unterhaltsam.

Jan Georg Schütte und Hildegard Schmahl führen im Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe das Live-Hörspiel «Mutter und Sohn» auf. Foto: Uli Deck
«Ich stellte mir vor, du seist tot und dabei fühlte ich nichts.» Nach den Worten von Jan Georg Schütte ist es im Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) lange Zeit still - fast schmerzhaft still. Darin liegt nach Ansicht des Regisseurs und Schauspielers Schütte die Herausforderung des Hörspielmediums: die Leere zwischen den Dialogen zu füllen. Bei den ARD-Hörspieltagen demonstrierte Schütte das am Donnerstagabend in Karlsruhe anhand seines Improvisationshörspiels «Mutter und Sohn».
Darin bringt Schütte als Sohn - Schauspielerin Hildegard Schmahl ist die Mutter - unterhaltsam und emotional den Generationenkonflikt auf die Bühne. Sein Hörspiel hat Laborcharakter: Zum ersten Mal vor Publikum aufgeführt, improvisiert und live aufgezeichnet, soll es direkt danach in den Schnitt gehen. Die Zuschauer wissen während des Stücks jedes Stirnrunzeln der Darsteller zu interpretieren. Der Hörer muss es sich anhand der Stimme und der Hintergrundgeräusche vorstellen können.
«Hörspiel ist preiswerter, weniger aufwendig und experimenteller als Fernsehen - es erreicht jedoch leider immer noch zu wenige Leute», bedauert Schütte. Seit neun Jahren geben die Veranstalter der ARD-Senderfamilie und des Deutschlandradios dem Hörspiel mit dem Festival eine Plattform.
Für ARD-Projektleiter Ekkehard Skoruppa ist dabei vor allem die Debatte rund um die Zukunft und die Möglichkeiten des Hörspiels während der fünf Festivaltage wichtig: «Auch in diesem Jahr kam mit der interaktiven, multimedialen Game-App wieder eine neue Darbietungsform hinzu - doch der Kern des Festivals wird das klassische Hörspiel bleiben.»
Bei den bis Sonntag dauernden Hörspieltagen ist Vielfalt und Experimentelles gefragt: «Im Inneren des Landes» beschäftigt sich mit der heutigen Zeit nach der Wiedervereinigung, «Blumen für Otello» setzt sich mit den NSU-Verbrechen in Jena auseinander und Schüttes Stück «Mutter und Sohn» mit der Endlichkeit des Lebens und der Suche nach den eigenen Wurzeln.
Die besten Hörspiele konkurrieren dann am Samstagabend um den «Deutschen Hörspielpreis der ARD». Die Jury tagt öffentlich unter Vorsitz von Literaturkritiker Jochen Hieber. Seit diesem Jahr gehört ihr auch die Schauspielerin Martina Gedeck an. Damit könnte die Darbietung mehr Gewicht bekommen - vor dem Text.
In den vergangenen Jahren ist das Festival manchen zu textlastig gewesen. Martina Gedeck spricht selbst viele Hörspiele, doch bekannt ist sie in erster Line als Charakterdarstellerin im Fernsehen und Kino. Den größten Reiz des Hörspiels sieht sie in der geforderten Vorstellungskraft: «Die Stimme ist ein ungeheuerliches Instrument, denn jede Gefühlsregung kann man mit der Stimme hörbar machen.» Hinzu kommen Sprachrhythmus und Melodie - für Gedeck ein unerschöpfliches Ausdrucksarsenal: «Das gesprochene Wort geht unmittelbar zum Herzen.»
So wie in Schüttes Stück. In dem über einstündigen Improvisationsspiel ist der Tod das Hauptthema, aber zugleich ist es eine Hommage an die Liebe. Im Gegensatz zum normalen Schauspiel ist der Zuschauer mehr Zuhörer. Neben dem Dialog zwischen Mutter und Sohn hört man Stühlerücken, Tellerklappern, die Zubereitung des Essens oder das Schnarchen eines Kindes. Nach einem Liebeslied von Schütte selbst gibt es am Ende Applaus für das ungewöhnliche Stück.