
Papa und Autor Thomas Raulf beschäftigt sich in seiner Kolumne "Papatastisch" diesmal mit einem heiklen Thema – Eltern-Whatsapp-Gruppen. © Kohues
Eltern-Whatsapp-Gruppen: Wenn die Zeichentrickfee Herzchen wirft
Papatastisch
Absprachen über Chatgruppen können sehr praktisch sein. Aber manchmal ist das Gebimmel auch sehr nervig. Papatastisch-Autor Thomas Raulf erwägt einen Rückzug aus dem Eltern-Chat.
Hatte ich schon erwähnt, dass ich mir manchmal recht altmodisch vorkomme? Es ist schon wieder so weit. Man kann es sich als Mutter oder Vater überhaupt nicht erlauben, aus einer Eltern-Whatsapp-Gruppe auszusteigen. Aber so kann es doch wohl auch nicht weitergehen.
Smartphone: Nicht nur Schüler vergeuden Zeit
Über 100 Minuten am Tag oder 70 Stunden in der Woche: Je nach Studie und Medienbericht geht immer mal wieder ein Aufschrei durchs Land, wie viel Zeit Schüler mit dem Smartphone verbringen. Es ist zu viel, das steht mal fest. Und seit der Pandemie ist es noch mehr geworden.
Ja, die Jugend... Und was ist mit uns Eltern? Wir sind genauso schlimm. Ich schätze, an einem normalen Tag lässt sich gut und gerne eine ganze Stunde allein mit Eltern-Whatsapp-Gruppen verdödeln. Weil Absprachen für eine ganze Gruppe im Chat-Format so unheimlich praktisch sind, hat das irgendjemand erfunden. Die Idee an sich ist auch nicht schlecht. Denn: Irgendjemand ist immer online, deswegen geht es meint flott, bis man eine Antwort erhält. Deutsch-Hausaufgabe vergessen? Pling. Innerhalb einer Minute hat jemand die Seite im Buch abfotografiert, und schon kann das saumselige Kind am Küchentisch weiterarbeiten.
Warum melden die sich nicht?
Aber Hysterie und Diskussionen funktionieren auf diesem Wege leider auch sehr gut. Denn: Irgendjemand ist immer online, deswegen wird es meist anstrengend. Neulich eine Klassenfahrt: Kinder und Lehrer fuhren mit dem Bus morgens fröhlich los, das Ziel 57 Kilometer entfernt. Zur Abfahrt erschienen Abschiedsfotos und Reihen weinender Smileys in der Eltern-Whatsapp-Gruppe.
Dann hielt die Geduld der Muttis und Vattis drei Stunden und 51 Minuten, bis die Frage aufploppte: Ob die Kinder wohl gut angekommen sind?
Tja, die Kinder konnten mangels Handys von unterwegs keine Bilder schicken, auch ihr Standort war nicht in Echtzeit verfolgbar. Das ist ungewohnt und kann Stress verursachen. Dann schrieb jemand, dass es wohl keine Nachrichten von der Fahrt gebe, weil einfach alles in Ordnung sei.
Eine Zeichentrick-Fee wirft Herzchen vor Erleichterung
Erst am Nachmittag kam dann das erlösende Gruppenbild mit strahlenden Schülern. Und im Sekundentakt bimmelten die Eltern-Smartphones vor lauter Erleichterung: „Gott sei Dank“, erhobene Daumen, Smiley-Reihen und eine Zeichentrick-Fee, die Herzchen wirft.
Wer diese ganze Kommunikation verfolgt – oder sich davon verfolgen lässt – und mit Kommentaren bedient, der (ver)braucht viel Zeit. Hat man das Telefon mal für ein paar Stunden zur Seite gelegt – etwa weil tagsüber Arbeit oder irgendetwas anders zu tun ist – dann hat man meist schon mehrere Dutzend Einträge verpasst, die nachgelesen werden wollen.
Mit dem Abarbeiten können wir dann den Abend verbringen – oder auch einfach nicht. Handy aus und was Schönes machen: Kommt, Kinder, wir versuchen das mal gemeinsam. Wenn einer was Dringendes hat, kann er ja anrufen.
Jahrgang 1979, stammt aus dem Grenzgebiet Ruhr-Sauerland-Börde. Verheiratet und vierfacher Vater. Mag am Lokaljournalismus die Vielfalt der Themen und Begegnung mit Menschen. Liest immer noch gerne Zeitung auf Papier.
