Hotel oder Baumarkt? - Asylbewerber in NRW
Interaktive Karte
Steigende Flüchtlingszahlen stellen die Städte in NRW vor Probleme. Doch während die einen Asylbewerber in umgebaute Baumärkte oder Sporthallen ziehen müssen, kommen die anderen in Wohnungen und sogar in Hotels unter. Wer entscheidet eigentlich, wer wo hin kommt? Und wie viele Flüchtlinge müssen die einzelnen Städte aufnehmen? Unsere interaktive Karte zeigt die aktuellen Zahlen und die Entwicklung.
So verteilten sich die Asylbewerber 2011 bis 2014 auf die einzelnen Gemeinden in NRW:
Wer entscheidet, wie viele Flüchtlinge eine Stadt aufnehmen muss?
Das Land NRW, das diese Aufgabe der Bezirksregierung Arnsberg übergeben hat. Zu Grunde gelegt wird ein Schlüssel, der errechnet, wie viele Asylbewerber eine Stadt aufnehmen muss. "Dabei gibt es drei Kriterien: Die Einwohnerzahl, die am stärksten berücksichtigt wird, die Fläche einer Kommune und ob bereits Landeseinrichtungen in der Stadt vorhanden sind", erklärt Dr. Christian Chmel-Menges, Sprecher der Bezirksregierung Arnsberg. 24 Landeseinrichtungen gibt es, u.a. in Dortmund, Hemer, Wickede, Bielefeld, Rüthen, Unna-Massen und Essen. Sie werden von den Städten im Auftrag des Landes betrieben.
Bei der Errechnung der jeweiligen Zuweisungsquote für die Kommunen ist zu 90 Prozent die Bevölkerungszahl und zu 10 Prozent die Fläche einer Kommune maßgeblich. Außerdem berücksichtigt das von einem EDV-Programm gesteuerte System, wie viele Asylbewerber sich aktuell bereits in der jeweiligen Kommune aufhalten. Außerdem wird es angerechnet, wenn in der Stadt eine zentrale Landeseinrichtung für Flüchtlinge existiert. So hat
Wie wird überhaupt festgelegt, welche Flüchtlinge in welches Bundesland kommen?
Jedes Bundesland muss nach dem so genannten Königssteiner Schlüssel einen genau bestimmten Anteil an Flüchtlingen aufnehmen. Grundlage dafür sind Steuereinnahmen und die Einwohnerzahl der Bundesländer. Deswegen muss Nordrhein-Westfalen bundesweit die meisten Flüchtlinge aufnehmen. Für 2015 wurde die Aufnahmequote für Nordrhein-Westfalen mit rund 21,2 Prozent festgelegt, die niedrigste hat Bremen mit 0,9 Prozent.
Wo gibt es in NRW Erstaufnahmelager und wo sind neue geplant?
Das jeweilige Bundesland verteilt die Flüchtlinge zunächst auf die Erstaufnahmeeinrichtungen. Diese Einrichtungen sind in der Regel eingezäunt. Dort leben die Flüchtlinge bis zu drei Monaten mit Kantinen und Schlafsälen, sie werden registriert, medizinisch auf ansteckende Krankheiten untersucht und können einen Asylantrag stellen. In Nordrhein-Westfalen gibt es zwei Erstaufnahmeeinrichtungen: in Dortmund-Hacheney und in Bielefeld. Da die Zahl der Flüchtlinge in den letzten Jahren deutlich angestiegen ist, sollen nach Auskunft der Bezirksregierung im Kreis Siegen-Wittgenstein, in Burbach und Bad Berleburg, zwei neue Erstaufnahmelager entstehen. "Diese sollen bis Ende 2015 in Betrieb gehen", erklärte Dr. Christian Chmel-Menges. Auch in Essen soll bis zum Ende des Jahres eine Einrichtung an den Start gehen. Weitere Überlegungen gebe es für Düsseldorf und Bonn.
Welche Flüchtlinge kommen in welche Kommune?
Das EDV-Programm zeigt den Mitarbeitern der Bezirksregierung fortlaufend aktualisiert an, wie viele Plätze in einer der Kommunen in NRW an einem bestimmten Tag X frei sind. Das heißt: Wenn die Bezirksregierung etwa eine 6-köpfige Familie aus einer Landeseinrichtung in eine Kommune zuweisen möchte, zeigt das Programm automatisch an, welche Kommunen hierfür in Frage kommen. Alle Kommunen, die am Tag X nach Zuweisungsschlüssel nur bis zu 5 Flüchtlinge aufnehmen können/müssen, fallen automatisch raus. Manche Flüchtlinge bitten darum, in einer Stadt untergebracht zu werden, in der schon Verwandte oder Freunde leben. "Darauf muss aber nur bei Verwandten ersten Grades, also Eltern und Kindern, Rücksicht genommen werden", so der Sprecher der Bezirksregierung.
Umgebaute Turnhalle oder Hotel?
Die Entscheidung, in welcher Stadt die Flüchtlinge untergebracht werden, ist auch eine Entscheidung darüber, wie sie in Zukunft leben. Dabei sind die Unterschiede extrem: Die Stadt Mühlheim an der Ruhr beispielsweise hat bislang alle ihr zugewiesenen Flüchtlinge in Wohnungen untergebracht. Dafür mietete die Stadt Wohnungen an, ohne dabei die Flüchtlinge auf einen Stadtteil zu konzentrieren. Aktuell bringt die Stadt 140 Menschen in einer Siedlung unter, deren Häuser abgerissen werden sollten. "Natürlich erhält nicht jeder einzelne Asylbewerber eine eigene Wohnung, sondern sie werden zusammen untergrbacht. Aber es sind eben Wohnungen und Familien können zusammen bleiben", erklärt Volker Wiebels, Pressesprecher der Stadt Mülheim. Auch finanziell lohne sich das für die Stadt: "Die Unterbringung in den Wohnungen kostet uns im Jahr 500.000 Euro, eine Sammelunterkunft in Mobilbauweise hätte mit allem Drum und Dran 2 Millonen Euro gekostet", so Wiebels.
In anderen Städten, etwa in Köln, ist der Wohnungsmarkt jedoch so angespannt, dass an Wohnungen für Asylbewerber nicht zu denken ist. Dort zogen Ende 2014 rund 200 Menschen in einen leer stehenden Praktiker Baumarkt ein. In Zimmer ohne Türen und Decken, ohne Fenster. Mit Betonboden sowie Dusch- und Toilettencontainern auf dem Außengelände. Die Unterbringung in dem Baumarkt sorgte bundesweit für großes Aufsehen. Aktuell - also im Januar 2015 - leben 5300 Flüchtlinge in Köln. Manche von ihnen haben Glück: Während die einen vor Weihnachten in die Turnhalle zogen, konnten 44 Menschen in ein Hotel in Porz ziehen.
In der kleinen münsterländischen Gemeinde Ascheberg dagegen sind mit dem Wort "zentrale Unterkünfte" Wohnhäuser gemeint. In Dortmund gibt es aktuell Kritik an der Situation in umgebauten Sporthallen. In Duisburg wurde angesichts der steigenden Zahlen sogar eine Zeltstadt diskutiert. Jede Stadt geht eigenen Wege - die Asylbewerber selbst haben aber keinerlei Einfluss darauf, wie sie in Deutschland leben.
Werden die Städte auch weiter mehr Flüchtlinge aufnehmen müssen?
Ja. Die Prognosen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sagen voraus, dass die Flüchtlingszahlen auch im Jahr 2015 nicht abnehmen werden.