
Auch die aktuelle Hitzewelle konnte das Coronavirus bisher nicht aus Deutschland vertreiben. In anderen Ländern sieht das anders aus. © picture alliance/dpa
Hitze vertreibt Omikron aus vielen Teilen Europas - und was ist mit Deutschland?
Coronavirus
In etlichen Ländern Europas hat der Sommer das Coronavirus gestoppt oder gar zum Rückzug gezwungen. Für Deutschland aber ist die Entwicklung – bis auf einen positiven Punkt – kritisch.
Frankreich, Spanien, Portugal, Griechenland, Italien. Diese klassischen Urlaubsländer für uns Deutsche haben eines gemeinsam. In ihnen ging die Zahl der Menschen, die sich in der vergangenen Woche mit dem Coronavirus angesteckt haben, zum Teil sehr deutlich zurück. In Portugal beispielsweise von 697 auf 357 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen (7-Tage-Inzidenz).
In Deutschland sieht es dagegen anders aus. Hier gibt es deutlich steigende Zahlen. So schnellte die Inzidenz trotz des warmen Wetters, das dem Coronavirus nicht wirklich gefällt, von 661,4 am vergangenen Dienstag (12. Juli) auf jetzt 744,2 hoch.
In absoluten Zahlen bedeutet das: Innerhalb einer Woche wurden dem Robert-Koch-Institut 667.229 neue Fälle mit einer Corona-Infektion gemeldet. Das ist der höchste Wochenwert seit Ende April. In den beiden vergangenen Jahren legte das Virus dagegen eine regelrechte Sommerpause ein.
In der Woche vor dem 19. Juli 2021 gab es ganze 8.738 Neuinfektionen, jetzt waren es 76 mal so viele. In der Woche vor dem 20. Juli 2020 gab es sogar nur 2.860 Neuinfektionen – der aktuelle Wert ist 233 mal höher. Allein diese Zahlen zeigen die ganze Dimension der aktuell grassierenden Sommerwelle, die von der extrem ansteckenden Omikron-Variante BA.5 getrieben wird.
Dunkelziffer bei Neuinfektionen ist extrem hoch
Dabei muss man bei diesen Zahlen bedenken, dass alle Experten von einer sehr hohen Dunkelziffer ausgehen. So wird beispielsweise inzwischen deutlich weniger getestet. Wurden Mitte März beispielsweise noch knapp 2,5 Millionen Testergebnisse dem RKI gemeldet, waren es in der Woche vom 4. bis 10. Juli gerade noch 914.000. Das bedeutet: Die tatsächliche Zahl der Infizierten dürfte noch deutlich höher liegen als die ohnehin schon hohe offizielle Zahl.
Auch bei der Zahl der Menschen, die an oder mit dem Coronavirus gestorben sind, steigen die Zahlen. Hier wurden in der Woche zwischen 11. und 18. Juli 663 Corona-Tote gezählt. Das ist der höchste Wert seit Ende Mai. Und er liegt auch deutlich über den Werten in vergleichbaren Zeiträumen der beiden Vorjahre. 2021 waren es 130 (jetzt sind es fünfmal so viele) Corona-Tote, 2020 waren es 22 (jetzt sind es 30 mal so viele Tote).
Diese Werte sind zwar nicht schön und jeder Toter ist einer zu viel. Trotzdem steckt in ihnen eine wirklich positive Nachricht: Angesichts des exorbitanten Anstiegs der Fallzahlen gegenüber den Vorjahren bleibt die Zunahme der Zahl der Corona-Toten sehr gering.
Zwei Gründe für den positiven Lichtblick
Dass die Omikron-Variante in der Regel einen milderen Verlauf auslöst als etwa die Delta-Variante, ist sicherlich ein Grund für diese Entwicklung. Der zweite Grund ist mit Sicherheit die Tatsache, dass inzwischen 76,2 Prozent mit einer Impfung grundimmunisiert gegen eine Corona-Infektion sind und 61,8 Prozent bereits eine Auffrischungsimpfung erhalten haben.
Diese beiden Aspekte spielen sicherlich auch bei der Entwicklung der Covid-19-Patientinnen und Patienten auf den Intensivstationen eine Rolle. Deren Zahl steigt derzeit auch wieder und erreicht Werte, die wir zuletzt Im April und Mail erlebt haben.
Die steigenden Corona-Zahlen verschärfen die Diskussion um möglicherweise erneut notwendige Schutzmaßnahmen, denn: Sie machen auch vor den Kliniken nicht halt. Die Zahl der Covid-19-Patienten steigt, während zugleich auch das ärztliche und pflegerische Personal durch Infektionen und Quarantänemaßnahmen dezimiert ist. Dadurch gibt es schon aktuell Probleme. Die werden sich mit Sicherheit spätestens dann verschärfen und zu einem echten Problem werden, wenn der Herbst ins Land zieht.
Ulrich Breulmann, Jahrgang 1962, ist Diplom-Theologe. Nach seinem Volontariat arbeitete er zunächst sechseinhalb Jahre in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten, bevor er als Redaktionsleiter in verschiedenen Städten des Münsterlandes und in Dortmund eingesetzt war. Seit Dezember 2019 ist er als Investigativ-Reporter im Einsatz.
