Hannibal in Dortmund bleibt zwei Jahre unbewohnbar

Brandschutz-Mängel seit 2009

Die Räumung des Hannibals in Dortmund wird die Bewohner länger als erwartet treffen. Nach Angaben der Stadt hat der Besitzer des Hochhaus-Komplexes einen Zeitrahmen von zwei Jahren genannt. Recherchen unserer Redaktion zeigen: Die Brandschutz-Mängel existieren seit mindestens acht Jahren - und fielen erst durch Zufall auf.

DORTMUND

, 17.10.2017, 07:13 Uhr / Lesedauer: 2 min
Die über 400 Wohnungen des Dorstfelder Hannibals stehen seit der Zwangsräumung Ende September leer - und werden das wohl noch einige Zeit sein.

Die über 400 Wohnungen des Dorstfelder Hannibals stehen seit der Zwangsräumung Ende September leer - und werden das wohl noch einige Zeit sein.

Krisenstabsleiter Ludger Wilde atmete zweimal tief durch, bevor er den versammelten rund 100 Anwohnern die Nachricht des Besitzers übermittelte: „Intown hat mir mitgeteilt, dass sie von einem Zeitraum von nicht unter zwei Jahren ausgehen, bis die notwendigen Sanierungen durchgeführt sind.“ Die Mieter aus dem geräumten Hannibal in Dorstfeld quittierten das in der Stahlhalle der Dasa in mit höhnischem Gelächter.

Mehr als dreieinhalb Wochen ist es her, dass 753 Menschen ihre Wohnungen verlassen mussten. Die Stadt hatte das Gebäude am 21. September wegen erheblicher Brandschutzmängel geräumt. Bis Montag hatten die Bewohner, die in städtischen Notunterkünften, bei Freunden oder Verwandten leben, keine Aussage darüber, wie lange sie nicht in ihre Wohnung zurückkehren dürfen. Einzelheiten zu den geplanten Brandschutzmaßnahmen nannte Intown nach Angaben Wildes nicht.

Bauliche Mängel stehen bereits in Gutachten von 2009

Brisant: Die Brandschutz-Problematik, die am 21. September zur Räumung des Hannibal II geführt hat, besteht seit mindestens acht Jahren. Im Rahmen des Verkehrswertgutachtens für die Zwangsversteigerung des Hochhauses ist im Jahr 2009 auch ein Gutachten zu den baulichen Mängeln verfasst worden. Darin wird explizit auf die mangelnde Brandsicherheit der Schächte hingewiesen.

Unter der hervorgehobenen Überschrift „Empfehlung zu einer brandschutzgutachterlichen Begehung“ heißt es wörtlich: „In Anbetracht der Wichtigkeit des Brandschutzes, insbesondere zur Vermeidung von Rauchgas- und Brandübertragungen aus benachbarten Wohnungen in weitere Geschosse, erscheint es zur Abwehr von tief greifenden Gefährdungen erforderlich, im gegenständlichen Haus Anpassungs- und Sicherungsmaßnahmen auszuführen.“ Unklar ist, ob das Gutachten nicht gelesen, oder die Empfehlung schlichtweg ignoriert wurde. Laut Wilde war den zuständigen Stellen bei der Stadt das Gutachten nicht bekannt.

Offene Wohnungstür macht Entdeckung erst möglich

Entdeckt hat das städtische Bauordnungsamt die eklatanten Brandschutzmängel während einer sogenannten Brandschau am 19. September nach unseren Informationen zudem nur durch einen Zufall: Weil die Tür einer leeren Wohnung offenstand, wurden die gefährlichen Schächte entdeckt. Die Wohnungen gehören eigentlich nicht zu einer regulären Brandschau. Die städtischen Mitarbeiter haben bei der Brandschau in Begleitung von Intown-Mitarbeitern auch dort nachgesehen und die Schachtproblematik erkannt. Zwei Tage später räumte die Stadt wegen „Gefahr für Leib und Leben“, so Wilde, den Gebäudekomplex.

„Hätte es in der Tiefgarage gebrannt, wäre das gesamte Gebäude binnen einer halben Stunde komplett verraucht gewesen“, sagt Feuerwehrchef Dirk Aschenbrenner. Für viele Bewohner wäre im Brandfall jede Hilfe zu spät gekommen.

Intown ist nicht zu Stellungnahme bereit

Das Unternehmen Intown, dessen Chef Sascha Hettrich, öffentlich als Eigentümer des Hannibals auftritt, war trotz mehrfacher Anfragen per E-Mails und Telefon nicht zu einer Stellungnahme bereit.

Die Stadt kündigte am Montag zudem an, die Schlüsselgewalt am kommenden Montag an den Eigentümer zurückgeben zu wollen. Ab diesem Zeitpunkt werden Vertreter der Firma „Intown“ deren Ansprechpartner für das Betreten der Gebäude und der Wohnungen sein.