Grundschulen in NRW: „Schreiben nach Gehör“ fällt weg, Englisch-Unterricht beginnt später
Bildung
Vorfahrt für Deutsch und Mathe: Grundschüler in NRW sollen besser werden. Große Reformen stehen bevor. Das Prinzip „Schreiben nach Gehör“ fällt weg. Der Englisch-Unterricht fängt nun später an.

Schülerinnen und Schüler sollen künftig wieder besser schreiben und rechnen können. © picture alliance/dpa
In Nordrhein-Westfalen stehen großflächige Reformen des Grundschulunterrichts bevor. Sie umfassen Mathe, Deutsch und Englisch. So wird die Fremdsprache künftig erst später unterrichtet - und das seit Jahren schon umstrittene „Schreiben nach Gehör“ fällt weg.
Wegen der Pandemie haben die Schulen bis zum Schuljahr 2022/23 Zeit, die neuen Vorgaben umzusetzen. So wird eine Handreichung für einen systematischen Rechtschreibunterricht und einen verbindlichen Grundwortschatz mit allen Besonderheiten der deutschen Rechtschreibung fest im Lehrplan verankert. Das bisherige umstrittene Prinzip „Schreiben nach Gehör“ wird damit aufgegeben.
Fachoffensive startet in NRW
Die jetzt eingeschulten Grundschüler starten zudem erst in der dritten Klasse mit dem Englisch-Unterricht. Bisher hatten Grundschüler in der ersten Klasse eine Stunde Englisch und in der zweiten Klasse zwei Stunden pro Woche. Diese Stunden stehen nach Angaben von NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer jetzt für Mathe und Deutsch zur Verfügung.
Insgesamt soll das Lesen, Schreiben und Rechnen in NRW massiv verstärkt werden - ab diesem Schuljahr. Mit sogenannten Fachoffensiven in Mathe und Deutsch bekommen Lehrkräfte umfangreiches Material zur Hand und werden von Fachberatern unterstützt. Selter und weitere Wissenschaftler haben das Programm zusammen mit der NRW-Landesregierung entwickelt.
Bei der Umsetzung sollen 106 Fachkoordinatoren den Schulen helfen. Die ersten 53 Stellen würden noch in diesem Schuljahr eingesetzt, sagte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) am Freitag in Düsseldorf. Insgesamt stellt das Ministerium für die Fachoffensiven 27,5 Millionen Euro bis 2025 bereit.
Ziel sei es, die Kernkompetenzen der Schülerinnen und Schüler in Deutsch und Mathe zu stärken und die Lehrkräfte zu unterstützen, sagte Gebauer. Internationale Studien hätten in den vergangenen Jahren „den Finger in die Wunde gelegt“ und gezeigt, dass Grundschüler in NRW nicht gut genug lesen, schreiben und rechnen könnten. Gezielt werde nun an den Defiziten angesetzt.
Kinder sollen mit Apps lernen
In Deutsch sei die Ausgangslage im dritten von der Pandemie geprägten Schuljahr schwieriger und komplexer geworden, sagte die Sonderpädagogik-Professorin Ulrike Lüdtke von der Leibniz Universität Hannover. Kinder sollten früher individuell gefördert werden. Bei mehrsprachigen Kindern solle das Verständnis für die komplexe Schriftsprache erweitert werden.
Auf einer zentralen Website für Deutsch sollen Lehrkräfte Lernvideos, Tutorials, Vorlagen sowie Material für das Distanzlernen abrufen können. Außerdem erhalten sie im Lauf der Zeit mehrere Handreichungen in Mathe und Deutsch für den Unterricht.
Lernen sollen die Kinder auch digital mit Hilfe von Apps. Bücher zu lesen und Schreiben auf Papier bleibe aber „wichtiger Bestandteil des Lernens“, so Michael Krelle von der TU Chemnitz. Hinzu kämen über die nächsten Jahre auch Online-Konferenzen etwa zum Schreibunterricht und zur Digitalisierung. In diesem Schuljahr würden erste Online-Angebote für die Jahrgangsstufe eins zur Verfügung gestellt.
Mit den Fachoffensiven nehme NRW bundesweit eine Vorreiterrolle ein, sagte Ministerin Gebauer. Sie sind Teil des Masterplans Grundschule für NRW. So starten die jetzt eingeschulten Grundschüler erst in der dritten Klasse mit dem Englisch-Unterricht. Bisher hatten Grundschüler in der ersten Klasse eine Stunde Englisch und in der zweiten Klasse zwei Stunden pro Woche. Diese Stunden stehen nach Angaben Gebauers jetzt für Mathe und Deutsch zur Verfügung.
Wissenschaftler: Corona hat Handlungsbedarf verschärft
Auch in der andauernden Pandemie kämen die Fachoffensiven den Schülern sicher zugute, sagte Gebauer. Wissenschaftler Selter sagte, der Handlungsbedarf sei durch Corona noch einmal verschärft worden. In Mathe scheitern Kinder übrigens häufig, weil sie die Fachbegriffe wie Addition oder Division nicht verstehen. „Mathe hat auch viel mit Sprache zu tun“, sagte Selter.
dpa