
© Christiane Nitsche
Gronauer Jens Scheithauer ist auf dem Weg zum Ganzkörpertattoo
Tatttoo-Kunst
Er ist nach eigener Einschätzung der „am meisten tätowierte Mensch in Gronau“ und es ist zu vermuten, dass er recht hat: Jens Scheithauer steht kurz vor der Vollendung seines Masterplans.
Will heißen: den gesamten Körper zu tätowieren. Und das nicht mit irgendwelchen Tattoos. Der Gronauer versteht sich als Gesamtkunstwerk.
„Ich wusste immer, dass das irgendwann komplett ist“, sagt er. Schon im Sommer 2010, als er sich zum ersten Mal den Fragen einer Zeitung stellte, erklärte er: „Es gibt einen Masterplan.“
Darum hat er über die Jahre nicht nur gute Tätowierer an seine Haut gelassen, sondern auch bei der Motivwahl ein stimmiges Konzept verfolgt. Buddha, Lotus- und Kirschblüten, Tiger, Drachen und andere Tiere aus der Welt asiatischer Mythologien vereinen sich mit Schattenfiguren aus der Bilderwelt der japanischen „Yakuza“ zu einer Art Gemäldegalerie.
„Diese Kultur hat mich immer schon fasziniert“, erklärt Scheithauer. „Damit kann ich mich identifizieren.“ So dominieren japanische Schwertkämpfer die Schattentattoos, die sich rund um die meist leuchtenden zentralen Motive gruppieren.

Die Geisha mit Welpe „Kim“ © Christiane Nitsche
Sieben Tätowierer haben über die Jahre an dem Gesamtkunstwerk gearbeitet – in Enschede, Gronau, Berlin, im Rheinland und in Dessau. Tätowieren ist Vertrauenssache für Scheithauer. „Ich lasse mich nur von Menschen tätowieren, mit denen ich freundschaftlich verbunden bin.“
Darum bekommen die Künstler an der Nadel bei ihm auch viel künstlerische Freiheit. „Ich sage denen die grobe Richtung“, erklärt Scheithauer. „Die Farben, und wie sie es machen – da haben sie freie Hand.“ Der Effekt sei kalkuliert: Die Künstler geben sich besonders viel Mühe.
Alle Motive sind Freihand-Zeichnungen
„Die wissen das zu schätzen, dass sie sich künstlerisch entfalten können.“ Alle Motive seien Freihand-Zeichnungen, die dann dem Körper angepasst würden, versichert Scheithauer.
Für den selbstständigen Tischler ist die Kunst am eigenen Körper Ausdrucksfläche, Spiegel von Erfahrungen und Erlebnissen, die es zu verarbeiten gilt. So finden Erinnerungen an Schicksalsschläge in dem prächtigen Phönix Ausdruck, der den linken Arm dominiert, und auf dem linken Oberschenkel drückt eine Geisha „Kim“, Scheithauers gestorbene Hündin, an die Brust – als zuckersüßen Welpen.
Schmerzen und Abwehrreaktionen
„Natürlich ist das auch eine körperliche Belastung“, gesteht Scheithauer ein. Es gebe beim Tätowieren gute und schlechte Tage – Tage, an denen die Schmerzen und die natürliche Abwehrreaktion des Körpers gut auszuhalten seien. „Und manchmal kann man es kaum aushalten.“
Von seinem Vorhaben abbringen lassen aber würde er sich nie. Über die Jahre habe er Techniken entwickelt, mit denen er sich vorbereitet. „Man kann nicht vorher Party feiern, trinken und sich anschließend tätowieren lassen“, sagt er. „Man muss essen, gut ausgeschlafen sein, innere Ruhe mitbringen. Ich fahre mich mental runter und pegele mich auf den Schmerz ein.“
Es braucht „eine gewisse Reife“
Warnen will Scheithauer allerdings davor, unüberlegt und zu früh mit dem Tätowieren zu beginnen. „Es braucht schon eine gewisse Reife.“ Als Trend kann er dem Ganzen nichts abgewinnen.
„Jeder 18-Jährige rennt zum Tätowierer und lässt sich irgendeinen Bullshit stechen“, sagt er verächtlich. „Die meisten rennen später wieder hin, um sich das weglasern oder übertätowieren zu lassen.“
Gerade, wenn es um den beruflichen Werdegang gehe, müsse das gut überlegt sein. Er selbst sei 35 gewesen, als er sein erstes Tattoo bekam. „Wenn du später anfängst, weißt du auch, was du willst.“
Alles ist der Teil eines Masterplans
Auch dies ist Teil des Masterplans: „Was ich habe, ist eine sehr traditionelle Tätowierweise mit langer Geschichte. Und die sieht auch noch toll aus, wenn man 50, 60, 70 ist.“
Bis dahin dürfte es locker fertig sein, das lebendige Gesamtkunstwerk – das dann wohl auch in etwa so viel gekostet haben wird, wie so manches an hoch gehandelter Kunst, das anderswo die Wände ziert.
„Mir fehlen vielleicht 10 oder 15 Prozent“, sagt Scheithauer. „Die Füße, der Hinterkopf, vielleicht die Handinnenflächen – mal sehen.“