Gericht stoppt Verkaufsoffenen Sonntag zum Herbstsend
Geschäfte bleiben geschlossen
Der Herbstsend in Münster wird an diesem Jahr ohne Verkaufsoffenen Sonntag auskommen müssen. Das Verwaltungsgericht stoppte die geplante Ladenöffnung am 30. Oktober. Der Grund: Die Stadt konnte nicht belegen, dass die Kirmes mehr Besucher anzieht, als die geöffneten Läden am Sonntag.
Damit hat die Gewerkschaft Verdi einmal mehr einen Erfolg vor Gericht eingefahren. In Münster wurden bereits drei geplante Sonntagsöffnungen untersagt, nachdem Verdi geklagt hatte. Mit der einstweiligen Anordnung zum Send, die am Mittwoch öffentlich gemacht wurde, könnten in diesem Jahr nur noch am zweiten Advent die Geschäfte in der Innenstadt an einem Sonntag geöffnet werden. Doch auch dagegen läuft eine Klage - und mit einer Entscheidung für die Sonntagsöffnung rechnet derzeit niemand.
Das ist die aktuelle Rechtslage
Zwar erlaubt das Ladenöffnungsgesetz NRW zu besonderen Anlässen eine Öffnung am Sonntag, aber nur „wenn die Ladenöffnung gegenüber der anlassgebenden Veranstaltung eine untergeordnete Bedeutung habe.“ Mit diesem Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster vom Juni dieses Jahres hat das Thema Sonntagsöffnung in NRW einen neuen Stellenwert bekommen. Ähnlich hatte zuvor auch das Bundesverwaltungsgericht entschieden. In zahlreichen NRW-Kommunen stehen die verkaufsoffenen Sonntage daher wieder auf dem Prüfstand. Den Richtern zufolge muss nicht nur der Anlass stimmen, auch die räumliche Nähe zum Fest. Dass Geschäfte mehrere Straßen weg vom Festplatz noch geöffnet sind, sehen die Richter kritisch. Ein Überblick über die Rechtslage nach der aktuellen Rechtssprechung:
- Maximal vier Mal im Jahr dürfen Ladenöffnungen an Sonn- und Feiertagen genehmigt werden. Dies gilt für einzelne Ortsteile. Im gesamten Stadtgebiet darf maximal elf Mal an Sonn- und Feiertagen offen sein.
- Die Ladenöffnung darf nicht im Mittelpunkt eines verkaufsoffenen Sonntags stehen, sondern nur Anhang für ein Fest oder einen traditionellen Markt sein.
- Zur Orientierung sind Prognosen über die Besucherzahlen zu erstellen. Die Veranstaltung an sich muss mehr Besucher anlocken, als der verkaufsoffene Sonntag.
- Ein räumlicher Bezug der Ladenöffnung zum Anlass – also dem Fest oder Weihnachtsmarkt – ist zwingend notwendig und eng gesteckt. Die von der Sonntagsöffnung betroffenen Bereiche müssen von der Veranstaltung geprägt sein.
Während Städte wie Bochum und Dortmund ihre bereits genehmigten Verkaufsoffenen Sonntage auf die strengeren Vorgaben prüften und etwa die Sonntagsöffnung in Einkaufszentren wie dem Ruhr-Park (Bochum) und Indupark (Dortmund) nachträglich wieder untersagten, hat die Stadt Münster abgewartet.
Die Gewerkschaft Verdi geht gerade in Münster mit allen Mitteln gegen die Sonntagsöffnung vor, hat fast 10.000 gültige Unterschriften für ein Bürgerbegehren eingereicht und so einen Bürgerentscheid im November erzwungen. Die Münsteraner selbst entscheiden also. 25.000 Stimmen sind nötig, um den Ratsbeschluss zu kippen, der bereits Ladenöffnungen am Sonntag bis ins Jahr 2019 regelt. Laut einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Soziologie der Uni Münster wollen sich 85 Prozent an der Abstimmung beteiligen. Gut ein Drittel will die Läden sonntags geschlossen halten.
Eilanträge vor Gericht - Urteil zum Herbstsend
Parallel dazu hat Verdi aber auch Eilanträge gegen Verkaufsoffene Sonntage in Münster vor Gericht eingereicht. Drei Termine im Stadtteil Hiltrup wurden bereits gestoppt. Jetzt ist auch die Entscheidung über Ladenöffnung zum Volksfest Herbstsend 2016 gefallen. „Die Fläche für den verkaufsoffenen Sonntag – die ganze Innenstadt – ist sechs Mal so groß wie die Send-Fläche“, kritisiert Bernd Bajohr, Verdi-Chef in Münster.
Das Gericht monierte vor allem, dass die Stadt keine Prognose über die Besucherströme eingereicht hat. Sie ist aber zwingend nötig, um abzuwägen, ob der Herbstsend oder der Verkaufsoffene Sonntag im Mittelpunkt stehen. "Das können wir nicht liefern", sagt Martin Schulze-Werner, Leiter des Ordnungsamtes der Stadt Münster. Die Trennung der Besucherströme sei nicht möglich. "Das ist faktisch nicht machbar." Laut Schulze-Werne müsste man bei einem Send mit Verkaufsoffenem Sonntag die Besucherströme analysieren, "aber wir dürfen ja keine Sonntagsöffnung mehr genehmigen". Einen Ausweg weiß auch er nicht.
Städtebund fordert neues Gesetz
Bernd Jürgen Schneider, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes in NRW, forderte bereits ein neues Ladenöffnungsgesetz, „damit eine liberalere Praxis möglich ist“. Und der Präsident des Handelsverbandes NRW, Michael Radau, fauchte angesichts der aktuellen Debatte nach den Urteilen vor Kurzem: "Wenn die Gesellschaft Einkaufen am Sonntag tatsächlich ablehnt, wie erklären sich dann die Massen, die sich an verkaufsoffenen Sonntagen durch die Städte schieben?"
In Münster wird die Prognosepflicht für Besucherströme nun wohl auf die Veranstalter abgewälzt. Wenn Händler und Werbegemeinschaften Verkaufsoffene Sonntage künftig beantragen, müsste sie Zahlen liefern. "Sonst legen wir das dem Rat gar nicht erst zur Entscheidung vor", so Schulze-Werner.
Position der Gewerkschaft
Die Gewerkschaft Verdi begründet das harte Vorgehen gegen die Sonntagsöffnung damit, dass man die Beschäftigten schützen wolle. „Wir würden uns wünschen, dass auch die Verkäuferin mit ihrer Familie die Feste nutzen kann – ohne arbeiten zu müssen“, sagt Günter Isemeyer, Sprecher von Verdi in NRW. Die Gewerkschaft sieht wie die Kirchen auch keinen Grund zur Sonntagsöffnung und lehnt diese generell ab.