Gegen-Protestwelle rollt: «Tibet gehört zu China»

Im Streit um Pekings Tibet-Politik haben sich erstmals Zehntausende von pro-chinesischen Demonstranten lautstark zu Wort gemeldet. Sie protestierten am Wochenende in China und anderen Ländern, darunter auch in Deutschland, für den Gastgeber der Olympischen Spiele.

Peking (dpa)

20.04.2008, 18:32 Uhr / Lesedauer: 3 min

Chinesische Jugendliche bei einer Demonstration gegen die Unabhängigkeit Tibets in Xi'an.

Chinesische Jugendliche bei einer Demonstration gegen die Unabhängigkeit Tibets in Xi'an.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke (CDU), forderte dagegen klare Worte an die Adresse Chinas. Die 16 deutschen Landessportbünde bekräftigten das Recht aller Athleten auf freie Meinungsäußerung. Degenfechterin Imke Duplitzer appellierte an die TV-Zuschauer, die Eröffnungsfeier zu boykottieren. Ohne Zwischenfälle wurde die olympische Fackel am Samstag durch Bangkok getragen - nächste Station ist Malaysia.

In mindestens acht chinesischen Städten demonstrierten Menschen mit Rufen wie «Tibet gehört zu China». Ihre Proteste richteten sich auch gegen angeblich «verfälschte» westliche Berichte und die französische Einzelhandelskette Carrefour. Es wurde zu einem Boykott französischer Waren aufgerufen. Nach den Zwischenfällen beim Fackellauf in Paris ist besonders Frankreich in die Kritik geraten. Carrefour wurde unterstellt, den Dalai Lama zu unterstützen, was das Unternehmen dementierte. Nachdem Demonstranten in einem Kaufhaus in Hefei (Provinz Anhui) randaliert hatten, verbreitete die Staatsagentur Xinhua Aufrufe zur Mäßigung und Vernunft. Politische Demonstrationen sind in China nicht zugelassen. In der Vergangenheit haben die Behörden Proteste geduldet, die auf Regierungslinie liegen.

An einer pro-chinesischen Demonstration in Berlin nahmen nach Polizeiangaben rund 2800 Menschen teil. Auf Transparenten standen Sätze wie «Keine Politisierung der Olympischen Spiele». In Paris gingen laut Polizei 5000 Menschen auf die Straße. Die Demonstration war von der chinesischen Botschaft organisiert worden. In Los Angeles sangen Menschen am Samstag vor den Studios des Nachrichtensenders CNN patriotische chinesische Lieder, um gegen Äußerungen eines Moderators zu protestieren. Er hatte die Chinesen unter anderem als Schläger bezeichnet. Die Polizei sprach von 1500 Teilnehmern, die Veranstalter von 10 000. Vor dem Gebäude des britischen Senders BBC in Manchester protestierten ebenfalls 1000 Studenten aus China gegen «einseitige» Berichterstattung. Auch in anderen Städten gab es Demonstrationen.

Peking-Symphatisanten und Tibet-Aktivisten schrien sich beim Fackellauf in Thailand vor dem UN-Gebäude in Bangkok gegenseitig nieder - die Läufer zogen aber unbehelligt vorbei. Nach den heftigen Protesten in Europa, Indien und in den USA hatte die Regierung gedroht, sie werde keine Störungen zulassen. An der zehn Kilometer langen Strecke waren 2000 Soldaten und Polizisten aufgestellt. Nächste Station des olympischen Feuers ist an diesem Montag Malaysia.

Große Sorgen macht sich der australische Außenminister Stephen Smith um den Fackellauf am Donnerstag in seinem Land: «Wenn die Leute, die protestieren wollen, dies nicht friedlich tun, könnten wir so etwas wie die Ausschreitungen bei Fußballspielen sehen.» Tibet- Aktivisten und regierungstreue Chinesen kündigten Proteste an.

Die 16 deutschen Landessportbünde sprachen sich einmütig gegen einen Olympia-Boykott aus, bekräftigten aber das Recht aller Athleten auf freie Meinungsäußerung. Die Politik müsse den Dialog mit den Gastgebern in China zur Frage der Menschenrechte unbeirrt fortsetzen, hieß es auf einer Tagung der Landessportbünde in Lübeck. Fechterin Duplitzer, die bei der Team-Weltmeisterschaft am Samstag in Peking mit den deutschen Degendamen die Bronzemedaille gewann, sagte dem «Tagesspiegel am Sonntag»: «Auch als Fernsehzuschauer kann ich zeigen, dass es nicht so weitergehen soll. Indem ich abschalte.» Sie selbst will der Eröffnungsfeier im August in Peking fernbleiben.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung forderte in der Tibet-Frage klare Worte an die Adresse Chinas. «Ich will, dass unsere Überzeugung nicht auf dem Altar der kulturellen Andersartigkeit und Freundlichkeit gegenüber anderen Kulturen geopfert wird», sagte Nooke der dpa am Samstag. Es gehe um entscheidende Werte. Vertreter der deutschen Wirtschaft äußerten sich im Deutschlandradio besorgt, dass sich das Verhältnis zu China wieder eintrüben könnte. 100 000 deutsche Arbeitsplätze seien von Exporten nach China abhängig.

Tibets Tourismusbehörden versicherten, dass Hochland werde «bald» wieder für ausländische Touristen geöffnet, nannte aber keinen genauen Termin. Es wurde spekuliert, ob aus Angst vor Protestaktionen während des Fackellaufes in Tibet keine Ausländer ins Land gelassen werden sollen. In der ersten Maihälfte soll das olympische Feuer auf den Mount Everest getragen werden. Nepal hat auf Anraten Chinas am Mount Everest im Basis-Camp 2 auf einer Höhe von 6500 Metern zwei Dutzend Soldaten mit Schießbefehl stationiert. Sie sollten jeden Versuch unterbinden, den Fackellauf dort zu stören, berichtete die Zeitung «Kathmandu Post». In Nepal leben mehr als 20 000 Tibeter.

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