"Ganz Oberammergau hat Angst vor Abdullah"

Passionsspiel-Regisseur Christian Stückl erzählt

Wenn es um große Inszenierungen geht, ist die katholische Kirche mit ihren prunkvollen Riten sicher ganz weit vorn. Dennoch scheint die frohe Botschaft gerade bei jungen Menschen nicht mehr so richtig anzukommen. Zum Künstlertreffen im Franz Hitze Haus in Münster lud Bischof Felix Genn daher in diesem Jahr mit dem Passionsspiel-Regisseur Christian Stückl einen Profi. Vielleicht, so lautet die Botschaft der Tagung, können auch Kirchenmänner vom Theater noch etwas lernen.

MÜNSTER

, 22.11.2012, 20:36 Uhr / Lesedauer: 2 min
Bischof Felix Genn (r.) lud zum Künstlertreffen in Münster den Passionsspiel-Regisseur Christian Stückl ein.

Bischof Felix Genn (r.) lud zum Künstlertreffen in Münster den Passionsspiel-Regisseur Christian Stückl ein.

Die Suche nach dem Menschen Jesus stehe dabei für ihn im Zentrum seiner Arbeit. „Was haben wir für ein Verständnis von dieser Geschichte?“, fragt Stückl. „Ich kann doch nicht Gott auf die Bühne bringen. Ich möchte Jesus nahbar und kapierbar machen.“ Jesus sei Jude gewesen, der christliche Glaube sei ohne das Jüdische folglich nicht zu verstehen. Um dies seinen Mimen zu vermitteln, die im Übrigen seit jeher allesamt Laien sind, schlug der Regisseur vollkommen neue Wege ein. Mit 40 Hauptdarstellern reiste er nach Israel, um auf den Spuren Jesu zu wandeln. Für alle Beteiligten wurde dies zu einer unvergessenen Erfahrung.

Auch dem so genannten Spielrecht sagte Stückl den Kampf an. „Frauen, die verheiratet und die älter als 35 Jahre waren, wurden ausgeschlossen“, erklärt der mutige Regisseur. Ebenso Andersgläubige. „Aber an dummen Traditionen muss man nicht festhalten.“ So machte er im Jahre 1990 zum ersten Mal eine verheiratete Frau zur Maria. Die Reaktionen fielen mitunter heftig aus. „Ich bekam Briefe aus ganz Deutschland, vorwiegend von Frauen“, erzählt Stückl. Als „dreckige Schimpansin“ wurde seine Maria beschimpft. Doch Stückl blieb konsequent. Der Erfolg gab ihm Recht. Mittlerweile kann er sich sogar einen Muslimen als Festspielregisseur vorstellen. „Wir hatten damals diese Chorprobe“, erzählt Stückl. 50 Kinder habe er vor sich gehabt. Einer stach aus der Gruppe mit strahlendem Sopran hervor. Auf die Frage, wie er denn heiße, sagte der Junge: „Abdullah.“ Er sei heimlich zu der Probe gekommen, da sein Vater es nicht erlaube. Ganze drei Gespräche nahm der Passionsspielleiter sich Zeit, den Vater des Jungen zu überzeugen, bis dieser endlich zustimmte. „Inzwischen studiert er in Berlin Regie“, berichtet Stückl stolz. „Und ganz Oberammergau hat jetzt Angst, dass der nächste Festspielleiter Abdullah wird.“