Fritz Kater entfaltet Geschichts-Panorama mit zwei Figuren

Ruhrfestspiele

Ein starker Text von Fritz Kater. Vollblut-Mimen wie Fritzi Haberlandt und André Jung, die als Erzähler und Charaktere dem Text Leben, Erdung, Wahrhaftigkeit einhauchen. Ein Regisseur (Jossi Wieler), der Foto und Film so klug dosiert, dass sie das Spiel der Darsteller ergänzen und bereichern.

von Kai-Uwe Brinkmann

RECKLINGHAUSEN

, 19.06.2016, 15:44 Uhr / Lesedauer: 1 min
Fritzi Haberlandt und André Jung in Fritz Katers „I’m searching for I:N:R:I – Eine Kriegsfuge“

Fritzi Haberlandt und André Jung in Fritz Katers „I’m searching for I:N:R:I – Eine Kriegsfuge“

Das Resultat sind zwei Stunden großes Schauspiel, ein Abend von Klasse und Format: Mit Katers "I’m searching for I:N:R:I - Eine Kriegsfuge" hatten die Ruhrfestspiele ihren grandiosen theatralischen Schlussakkord. Die Uraufführung vom Schauspiel Stuttgart legt die Messlatte für künftige Inszenierungen sehr hoch.

Zwei Biografien

In Form eines Mosaiks, in fragmentarischen Splittern, erzählt Fritz Kater zwei Biografien, die von Rieke (Haberlandt) und die ihres Geliebten Maibom (Jung). Wir sind im Berlin des Jahres 1960, in der Reichshauptstadt von 1941, in Havanna, in Tel Aviv, in Bonn, dann wieder an der Spree, wo gerade die Mauer fällt und ein alter Mann mit Beinprothese seinen Hund Gassi führt.

Es ist Maibom, früherer Journalist, polnischer Kampfflieger und Agent des Mossad. Ein Mann, in dessen Leben 70 Jahre Zeitchronik aufscheinen. Weltkrieg, Exil in Israel, Rückkehr nach Deutschland, sieben Jahre mit Rieke. Maibom heißt nicht Maibom, Rieke war nicht immer Rieke: Als junges Ding war sie das Liebchen eines Nazis, in Rom hat sie spioniert.

Agentenkrimi

Was als Liebelei startet, mausert sich zum Agentenkrimi, der in den Videosequenzen wie ein Film noir daherkommt. Rieke ist verschwunden, die Wohnung verwüstet, in einer Bonner Villa findet Maibom eine Leiche.

Kater entrollt ein Geschichts-Panorama, das er an zwei Kriegsversehrten festmacht, die er in Nähe zu Orpheus und Eurydike rückt. Trotz leicht mythischer Überhöhung sind die Figuren glaubwürdig - weil Kater ihnen lebensechte Dialoge und Monologe gibt, weil Jung und Haberlandt ihre Charaktere atmen lassen. Schauspielerisch ein Fest!