Es war ein Fall, der deutschlandweit Wellen geschlagen hat: Zwei Mädchen im Alter von 12 und 13 Jahren töten in Freudenberg ihre Freundin Luise F. Nun, am 11. März 2024, jährt sich die gewaltsame Tat zum ersten Mal. Die Familie soll die zwei Mädchen offenbar verklagt haben, wie es nun in einem Bericht der Westfalenpost heißt. Ein Gerichtssprecher bestätigte das gegenüber der Deutsche Presseagentur am Dienstag.
Die Familie des Opfers hat demnach am Landgericht Koblenz eine Zivilklage gegen die beiden Täterinnen eingereicht. Es soll um 162.000 Euro gehen. Anders als im Strafrecht können Kinder, die älter als sieben Jahre sind, für unerlaubte Handlungen haftbar gemacht werden. Das Verfahren läuft laut Gericht. Einen Termin für eine mögliche Verhandlung gibt es bisher nicht.
Für die erlittenen Qualen des zwölfjährigen Mädchens fordert die Familie unter anderem ein Schmerzensgeld von 50.000 Euro sowie je 30.000 Euro Hinterbliebenengeld für die nächsten Angehörigen. Sie machen laut Gericht geltend, bis heute erheblich unter dem Tod Luises zu leiden.
In dem Bericht der Wesfalenpost heißt es, dass die Zivilklage insgesamt 32 Seiten umfasse - darin schildere der Anwalt emotional, wie sich der Sachverhalt aus Sicht der Opferfamilie darstelle und welche Auswirkungen die Tat auf sie habe.
Mädchen haben Tat gestanden
Die Mädchen hatten gestanden, die 12-jährige Luise F. mit zahlreichen Messerstichen getötet zu haben. Ein halbes Jahr nach der Tat, im September 2023, hat die Staatsanwaltschaft Siegen die Ermittlungen eingestellt. Der Grund: Die Strafunmündigkeit der tatverdächtigen Mädchen. Die zwei waren zum Zeitpunkt der Tat keine 14 Jahre alt. Das deutsche Recht verbietet es deshalb, sie vor Gericht zur Verantwortung zu ziehen.
Die Tat hatte die 18.000-Einwohner-Gemeinde Freudenberg erschüttert. Rund ein Jahr später, am 5. März 2024, um genau zu sein, haben sich gleich mehrere Akteure in einer Pressekonferenz zu dem Fall geäußert. In Gedanken sei man bei der Familie der getöteten Schülerin, sagte Bürgermeisterin Nicole Reschke (SPD) dort. „Den Schmerz, den sie erleiden mussten und müssen, ist unermesslich.“ Rund um den Jahrestag sei der Gesprächsbedarf in der Stadt nahe Siegen enorm.
Fall Luise F. mit bundesweiten Schlagzeilen
Die Tat hatte bundesweit Schlagzeilen gemacht, vor allem auch wegen des jungen Alters der beiden Täterinnen. Die Leiche des getöteten Mädchens war in einem abgelegenen Waldstück in Rheinland-Pfalz an der Grenze zu Nordrhein-Westfalen gefunden worden.
Bevor die Ermittlungen im September eingestellt wurden, hatte es umfangreiche Ermittlungen gegeben. Dabei ging es vor allem darum, ob ein möglicher Tatvorwurf gegen weitere Personen bestehe. Hinweise, die in diese Richtung deuteten, habe es aber nicht gegeben, hieß es abschließend.
An der Gesamtschule, den Luise besucht hatte, wird für Schülerinnen und Schüler in der kommenden Woche ein Trauerraum geöffnet. Einen zentralen Gedenkort plant die Stadt nicht. Thomas Ijewski, der die Familie der getöteten Schülerin eng betreut, appellierte am Dienstag bei der Pressekonferenz im Namen der Hinterbliebenen, Luises Grab als privaten Trauerbereich zu respektieren und fernzubleiben.
Was ist mit der Familie von Luise F.?
Ob die Familie noch in Freudenberg wohnt oder weggezogen ist, lässt der evangelische Pfarrer Thomas Ijewski zu deren Schutz am Dienstag unbeantwortet. Er richtet deren Wunsch aus, man solle sich dem Grab des Mädchens nicht nähern, Privatsphäre respektieren. Auch Blumen und Plüschtiere helfen der Familie nicht mehr, wie er sagt. Am einige Kilometer entfernten Fundort der Leiche des Kindes ist kurz vor dem Jahrestag aber noch immer ein Meer von Blüten, Kerzen und Erinnerungsstücken zu sehen.
Auf Fragen nach Errichtung eines zentralen Gedenkorts, sagt der Pfarrer, man solle Luise im Herzen behalten, statt das grausame Geschehen „in Stein zu meißeln“. Mit der Tötung des Mädchens seien zwei „Grundannahmen vom Leben“ erschüttert worden: dass Kinder gut sind und dass Freundinnen zusammenhalten. Zwar hatten die Ermittler fast nichts über die Täterinnen verlauten lassen, dass die Drei sich kannten, steht aber fest.
Mädchen leben nicht mehr in Freudenberg
Die geständigen Kinder waren mit ihren Familien aus Freudenberg weggezogen, unter Obhut des Jugendamts gestellt und in einer therapeutischen Einrichtung untergebracht worden. Haben sie schwere Schuldgefühle? Dazu könne er sich nicht äußern, sagt Jugenddezernent Thomas Wüst. Allerdings: „Die Belastung empfinden sie als immens.“ Ein Mädchen sei inzwischen in eine Wohngruppe gewechselt, das andere noch in klinischer Behandlung. Den beiden sei als „einziger Anker“ ihr familiäres Umfeld geblieben.
Pfarrer Ijewski mahnt, zum Jahrestag nicht nach Freudenberg zu pilgern, sondern im Stillen zu gedenken. Alles sei noch zu frisch, zu nahe, zu furchtbar, es brauche Zeit. „Wunden können heilen, aber Narben werden bleiben.“
Mit Material von dpa