Als die Trauerfeier für die 12-Jährige Luise F. aus Freudenberg gerade zu Ende ist, leuchtet die untergehende Sonne hinter den Wolken über Freudenberg, aus denen es zuvor an diesem Tag immer wieder geregnet hatte.
Trauerfeier für Luise F. in Freudenberg: Lächeln unter Tränen
Doch jetzt, als die letzten Worte der Trauerandacht von Pastor Thomas Ijewski gesprochen, das letzte Lied gespielt ist, ist das Gelände der Esther-Bejarano-Gesamtschule in ein ungewöhnliches, rötliches Licht getaucht.
Viele blicken in diesem Moment nach oben, ein kurzes Lächeln auf den von Tränen und Trauer gezeichneten Gesichtern.
In der Andacht, die von der evangelischen Kirche in der Freudenberger Altstadt über Lautsprecher in die Aula der Schule und auf den Schulhof übertragen wurde, hatte der Pastor zuvor davon gesprochen, dass „das Böse“ nicht siegen dürfe. Und davon, dass der Vorfall auch Menschen im Ort miteinander vereint habe.
An diesem Trauertag ist dieser Zusammenhalt in der 18.000-Einwohner-Gemeinde spürbar. Die Ereignisse der zehn Tage nach dem Auffinden von Luises Leiche und dem Bekanntwerden der Zusammenhänge ihres Todes liegen wie eine tonnenschwere Last auf der Stadt.
„Eine Art Schockstarre“
„Es war überall Stadtgespräch. Kaum etwas anderes hat den Alltag so geprägt, wie die immer weiter anwachsenden Nachrichten im Laufe der vergangenen Woche. Es ist eine Art Schockstarre gewesen, aus der man versucht wieder herauszufinden“, sagt Peter Stuberg, Superintendent der evangelischen Kirche im Kreis Siegen-Wittgenstein.
Am Fundort der Leiche ist ein hölzernes Kreuz aufgestellt, auf dem das Geburtsjahr der 12-Jährigen niedergeschrieben ist: 2010. Kerzen, Blumen, Kuscheltiere und kleine Engel säumen den Rand eines kleinen Wegs in einem Waldstück, das bereits auf rheinland-pfälzischem Gebiet liegt.
Übertragung in die Schule
Es gibt eine weitere Gedenkstelle vor der Schule. Hier herrscht ab dem Nachmittag eine besondere Situation. Wegen des großen öffentlichen Interesses haben sich die zuständigen Behörden gemeinsam mit der Familie und der Kirche für eine Übertragung der Trauerfeier in die Schule entschieden.
Rund 500 Menschen kommen in die Aula und auf den Schulhof. Sie können Kränze ablegen oder Kondolenzbriefe in hölzerne Kästen werfen, auf denen Luises Name steht. Es sind Menschen aller Altersgruppen hier. Viele kannten das Mädchen nicht persönlich - und sind dennoch erschüttert über seinen Tod.
Manche kommen aus anderen Teilen Deutschlands hierher, um ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen.
„Traumatisierte“ Klasse
Besonders bewegend ist an diesem Nachmittag der Blick in die Gesichter der jungen Menschen, die noch vor zwei Wochen mit Luise und den laut Polizei geständigen Täterinnen den Schulhof geteilt hatten.
„Unendlich traurig, erschüttert, fassungslos und traumatisiert, nehmen wir Abschied von Luise“, hatte die Klassengemeinschaft der 7d in einer am Tag der Beisetzung erschienenen Traueranzeige geschrieben.

Es ist weniger der laute, schreiende Schmerz, als vielmehr der stille, nach innen gewandte, der aus den Gesichtern der Heranwachsenden spricht. Normalität, wie sie das Licht der Abendsonne über Freudenberg vorgaukelt, ist für viele in diesem Moment schwer vorstellbar. 28 Notfallseelsorger stehen für Gespräche bereit.
Fehlender Abstand
Polizei, Ordnungsamt und Feuerwehr sorgen mit bemerkenswerter Umsicht dafür, dass alles organisiert abläuft – auch die Arbeit der zahlreichen Medienvertreter aus ganz Deutschland.
Plötzlich ist der kleine Ort am Rande Nordrhein-Westfalens in die bundesweiten Schlagzeilen gerückt. Das Informationsbedürfnis bei einem so besonderen Fall war enorm.

Nicht immer wurde ihm mit dem notwendigen Abstand nachgegangen. Man habe sich in den vergangenen Tagen permanent am Schulgebäude aufgehalten, sagt ein Mitarbeiter des Ordnungsamts Freudenberg.
Vor allem, weil man habe verhindern wollen, dass Kinder von Pressevertretern angesprochen werden. Teilweise sei das in der Stadt trotzdem vorgekommen.
Er ist froh, über die Hilfe, die in Form von Seelsorgern und Polizei nach Freudenberg gekommen ist. „Wir sind ein kleiner Ort, normalerweise kochen wir unser eigenes Süppchen, aber das hier ist zu groß.“
Tabubrüche in Social Media
Unverpixelte Bilder der Täterinnen und des Opfers, offen gelegte Identitäten, viele Spekulationen: An vielen Stellen sind insbesondere in sozialen Medien wie Tiktok wohl gewählte Grenzen des Umgangs mit solchen Dramen eingerissen worden.
Der Vorfall ist außerdem Teil von Stellvertreter-Diskussionen über Gewalt unter Jugendlichen und über die Strafmündigkeit von Kindern geworden.
Denn die unter 14-jährigen Täterinnen können nach deutschem Strafrecht nicht verurteilt werden. Konsequenzen kann die Tat trotzdem haben. Denkbar ist eine enge Kontrolle durch das Jugendamt oder eine psychiatrische Unterbringung.
Polizei zu Kritik
Stefan Pusch, Sprecher der Kreispolizeibehörde Siegen-Wittgenstein, geht am Mittwoch noch einmal auf Kritik an der Informationspolitik der Polizei ein.
„Wir werden in der Berichterstattung nicht alles weitergeben, was uns aus den Ermittlungen bekannt ist. Um die Persönlichkeitsrechte der Kinder und der betroffenen Familien zu schützen, können wir nicht alles nach außen geben.“
„Erfüllt von unbändiger Freude“
Vieles ist weiter offen in dem Fall, es werden Fragen bleiben. Bei der Trauerfeier versucht Pastor Thomas Ijewski aber auffallend häufig, nicht den Hass der Tat in den Vordergrund zu rücken.
„Mit ihrem Tod (...) hat Luise so viel bewirkt: Wildfremde Menschen gehen aufeinander zu, teilen ihre tiefsten Gefühle, sind füreinander da. Menschen kommen einander näher, und Hass darf keine Chance haben“, sagt er in der Predigt.
Und beschreibt „Liese“, wie sie von vielen genannt wurde, als einen positiven Menschen, „erfüllt von unbändiger Freude“.
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