
In ihren Träumen verarbeiten Blinde – wie Sehende auch – ihre Erlebnisse und Erfahrungen. Bemerkenswert ist, dass Sehbehinderte häufiger Albträume haben. © dpa
Frag doch Onkel Max: Was sehen Blinde im Traum?
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Onkel Max beantwortet hier die Alltagsfragen der Leserinnen und Leser, seiner Nichten und Neffen, wie er sie liebevoll nennt. Diesmal geht es um die Frage, wie blinde Menschen träumen.
NICHTE MARIE K. fragt: Lieber Onkel Max! Was sehen blinde Menschen eigentlich in ihren Träumen?
Das ist ganz unterschiedlich, liebe Marie, und hat vor allem damit etwas zu tun, ob der blinde Mensch von Geburt an nicht sehen konnte oder erst später erblindet ist.
Im Jahr 2014 haben sich dänische Forscher exakt die Frage gestellt, die du mir nun angetragen hast. Im Rahmen einer Studie haben sie 50 Erwachsene dazu befragt. Elf von ihnen waren von Geburt an blind, 14 erblindeten nach dem ersten Lebensjahr und 25 Sehende wurden als Kontrollgruppe hinzugefügt. Dabei stellte sich heraus, dass 18 Prozent der Probanden in mindestens einem Traum ein Geschmackserlebnis hatten. Dies war jedoch in der Kontrollgruppe nur bei sieben Prozent der Studienteilnehmer der Fall.
Fast 30 Prozent der Blinden berichteten zudem über eine Geruchserfahrung. In der Kontrollgruppe waren es dagegen nur 15 Prozent.
Es lässt sich also festhalten, dass der Unterschied in der Art der Träume liegt. Während bei sehenden Menschen in der Regel die optischen Reize im Vordergrund stehen, rücken diese bei erblindeten Menschen zugunsten anderer Sinne in den Hintergrund.
Untermauert wird dies auch durch eine Studie, die Schlafforscher bereits 1999 veröffentlichten. Blinde Menschen, die von Geburt an blind oder vor ihrem fünften Lebensjahr erblindet waren, hatten keine visuellen Eindrücke in ihren Träumen, haben in ihren Träumen aber stattdessen gerochen, geschmeckt oder etwas ertastet.
Überrascht waren die dänischen Forscher übrigens von der Tatsache, dass die von Geburt an Blinden deutlich mehr Albträume hatten als die später Erblindeten, und zwar im Verhältnis von 25 zu sieben Prozent. Die Kontrollgruppe kam auf sechs Prozent. Warum das so ist, darüber können die Forscher bislang nur spekulieren. Sie vermuten jedoch, dass es mit der evolutionären Funktion von Albträumen zu tun hat. Demnach sind Albträume eine Art Simulation für eine Gefahrenlage. Es geht also darum, sich auf mögliche Gefahren einzustellen und die Wahrnehmung zu trainieren. Dazu passte auch, dass Blinde in ihren Albträumen echte Bedrohungen erlebten. Sie verliefen sich beispielsweise, verloren ihren Blindenhund oder fielen in ein Loch. Dabei ist natürlich zu berücksichtigen, dass Träume grundsätzlich mehrere Bedeutungsebenen haben. Denn hier geht es nicht nur um die realen äußeren Bedingungen, sondern auch um vergangene Erfahrungen und Ängste.
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Am 22. Oktober 1953 beantwortete Onkel Max erstmals in der Zeitung Alltagsfragen der Leserinnen und Leser, seiner Nichten und Neffen, wie er liebevoll sagt. Knapp 50 Jahre vor der Gründung von Google war er schon damals so etwas wie eine analoge Suchmaschine – und ist heute natürlich längst digital unterwegs. Wo selbst Google manchmal passen muss oder viel zu viel findet, da antwortet Onkel Max verständlich und auf den Punkt.
