Fortschritte bei Tarifverhandlungen für öffentlichen Dienst

Durchbruch bei neuer Entgeltordnung möglich

In den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer Fortschritte erzielt. Im Ringen um eine neue Entgeltordnung sei ein Durchbruch möglich, sagte der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, am Dienstag in Potsdam. Ob es neue Warnstreiks gebe, hänge von der Entwicklung des Verhandlungstags ab.

POTSDAM

11.04.2016, 19:34 Uhr / Lesedauer: 2 min
Mehrere hundert Beschäftigte zeigten beim Verdi-Warnstreik Flagge für ihre Tarifforderungen.

Mehrere hundert Beschäftigte zeigten beim Verdi-Warnstreik Flagge für ihre Tarifforderungen.

Für wen wird konkret verhandelt?

Für Erzieher und Sozialarbeiter, Mitarbeiter von Müllabfuhr, Straßenreinigung, Kliniken und Stadtverwaltungen, Feuerwehrleute und Straßenwärter, Bundespolizisten, Mitarbeiter beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und der Rentenversicherung.

War die Tarifauseinandersetzung schon in Deutschland spürbar?

Ja. In der vergangenen Woche beteiligten sich Tausende Beschäftigte in fast allen Bundesländern an Aktionen und mehrstündigen Warnstreiks. Stadtverwaltungen, Kitas, Kliniken, Stadtwerke und Einrichtungen des Bundes waren betroffen.

Warum wird schon wieder in Kitas gestreikt?

Tatsächlich gab es erst 2015 mehrwöchige Erzieher-Streiks. Aber damals ging es um die einzelnen Stufen ihrer Gehaltstabelle, nicht um eine lineare Anhebung aller Gehälter. Die aktuellen Tarifforderungen gelten auch wieder für die Kita-Erzieher.

Sind weitere Warnstreiks wahrscheinlich?

Ja. Bisher waren es nur Nadelstiche. Die Gewerkschaft Verdi und der Beamtenbund dbb haben in Potsdam verstärkte Warnstreiks angekündigt, wenn es nun nicht zu einer Einigung kommt. 

Was macht die Verhandlungen so schwierig?

Die Fülle strittiger Themen. Im Zentrum steht die Forderung nach sechs Prozent mehr Gehalt. Die Gewerkschaften fordern auch ein Ende befristeter Jobs. Laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung waren 60 Prozent der Einstellungen im öffentlichen Dienst zuletzt befristet (erste Halbjahr 2014, ohne Wissenschaft), in der Privatwirtschaft nur 40 Prozent. Zudem wollen die Gewerkschaften eine Übernahmegarantie und 100 Euro mehr im Monat für Auszubildende.

Was erhitzt die Gemüter besonders?

Die Zukunft der „Betriebsrenten“ der kommunal Beschäftigten. Die Arbeitgeber pochen auf Entlastungen. Die Gewerkschaften lehnen generelle Einschnitte ab: Vielen Versorgungskassen im kommunalen Bereich gehe es gut. Probleme einzelner Kassen sollten die Kommunen nachweisen.

Wie begründen die Gewerkschaften ihre Forderungen?

Mit der guten Konjunktur, sprudelnden Steuereinnahmen und der Notwendigkeit, die Inlandsnachfrage zu stärken. Verdi-Chef Frank Bsirske verweist auf den privaten Konsum als Konjunkturmotor.

Welche Rolle spielt der Flüchtlingszuzug?

Beide Seiten argumentieren damit. Die Gewerkschaften sagen: Der große Einsatz für die Versorgung der Schutzsuchenden soll honoriert werden. Die Kommunen führen die Kosten ins Feld, die schon bisher anfallen.

Was würde die Umsetzung der Gewerkschaftsforderungen kosten?

Je nach Darstellung 5,25 bis 5,6 Milliarden Euro. Rechnet man die Kosten für die geforderte Übertragung auf die rund 360 000 Beamten und Pensionäre des Bundes hinzu, kommt man laut Verdi auf 6,3 Milliarden Euro.

Wie argumentieren die Arbeitgeber generell?

Sie halten die Forderung für völlig überzogen. Der kommunale Arbeitgeberverband VKA verweist auf einen Schuldenstand der Kommunen von 144,5 Milliarden Euro.

Gibt es eine weitere Verhandlungsrunde?

Noch eine Runde ist für den 28. und 29 April in Potsdam vereinbart. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sagt, so lange werde man auch noch brauchen. Aber sicher vorhersehbar ist bei solchen Verhandlungen nichts.

Wie ist die Lage in anderen Branchen?

Die Gewerkschaften IG BCE und IG Metall fordern je 5 Prozent mehr Geld bei Chemie sowie Metall- und Elektro. Im Bau wollen die Arbeitnehmer eine Tariferhöhung von 5,9 Prozent durchsetzen.

Wie sind die jüngsten Tarifverhandlungen gelaufen?

2014 waren Verdi und der dbb mit der Forderung hineingegangen, dass zunächst alle Gehälter pauschal um 100 Euro monatlich angehoben werden sollen und darauf ein Zuwachs von 3,5 Prozent kommen soll. Ergebnis: 3 Prozent mehr, mindestens 90 Euro. 

Von dpa