Flughafenchaos zum Ferienstart: „Unser Urlaub ist gelaufen – wir fahren wieder nach Hause“
Ferienstart in NRW
In NRW haben die Ferien begonnen – und am Flughafen Düsseldorf bricht das Chaos aus. Für einige Passagiere endet der Urlaub bereits am Check-In-Schalter. Berichte von Reisenden.
„Lieblingsplatz“ steht in großen Buchstaben über einem Durchgang am Düsseldorfer Flughafen. Es ist eine Werbetafel, die zu einem Möbelhaus gehört – direkt darunter der flughafeneigene Slogan „Enjoy the Airport“. Beide Werbesprüche könnten an diesem Samstagmorgen unpassender kaum sein.
Direkt unter den Schildern bilden sich am frühen Morgen riesige Schlangen. Wer Glück hat, steht an den Check-In-Schaltern von Eurowings, Lufthansa oder Ryanair – wer Pech hat, muss umdrehen und sich in die Schlange wenige Meter daneben stellen. Hier werden Passagiere abgefertigt, deren Flug annulliert wurde. Die Schlange vor dem Eurowings-Serviceschalter ist zum Start in die Sommerferien mehrere Hundert Meter lang – die Stimmung gereizt.
Pianistin muss Konzerte absagen
Auch bei Anna Kosera. Die Konzertpianistin wollte eigentlich mit einem Eurowings-Flieger von Düsseldorf nach Stockholm fliegen, um in Schweden Konzerte zu spielen. Das steht jetzt auf der Kippe. „Mein Gepäck wurde bereits eingecheckt“, erklärt die Musikerin dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Schon am Vorabend habe sie sich genau dafür zwei Stunden in die viel zu lange Schlange gestellt. Nachts um halb zwei sei dann eine SMS von Eurowings auf ihrem Handy eingegangen: Der Flug nach Schweden wurde gestrichen.
Jetzt steht Anna Kosera erneut in einer Schlange. Wenigstens ihr Gepäck will die Pianistin zurück haben – aber auch auf einen Alternativflug hofft sie weiterhin. Der Kundenservice habe ihr bereits angeboten, von Frankfurt aus nach Schweden zu fliegen. „Und wer übernimmt die zusätzlichen Kosten, zum Beispiel für die Bahnreise?“, fragt Kosera. Das will sie jetzt vor Ort klären. Ebenso unklar sei, ob der Flieger dann überhaupt in die Luft geht.
Krankes Personal und ein kaputtes Gepäckband
Grund für das Chaos am Flughafen ist mitunter die brenzliche Lage beim Flugpersonal. Sowohl bei den Sicherheitskontrollen, beim Check-In, bei der Gepäckabfertigung als auch beim Kabinenpersonal fehlen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hinzu kommt der hohe Krankenstand beim verbliebenen Personal. Bereits in den vergangenen Tagen, und damit einige Tage vor Ferienbeginn, war es an den Flughäfen zu langen Schlangen, Verspätungen und Flugstreichungen gekommen.
Die Lufthansa begründet das mitunter mit Streiks von Fluglotsen zum Beispiel in Marseille, mit Wetterereignissen und insbesondere der erhöhten Corona-Krankenquote, die das System belasteten. In den vergangenen Tagen hätten sich zahlreiche Crews kurzfristig krank gemeldet. Auch Eurowings argumentiert mit vielen Krankheitsfällen durch Corona.

Passagiere stehen an Check-In Schalter der jeweiligen Airlines am Flughafen Düsseldorf an. © picture alliance/dpa
An diesem Samstag kommt in Düsseldorf noch ein weiteres Problem hinzu: Bei der Gepäckabfertigung gibt es technische Probleme. Immer wieder bleibt das Band stehen, die Schlangen kommen kaum voran, während immer mehr Menschen in den Flughafen strömen. Eine Lautsprecherdurchsage informiert die Ankommenden über die Probleme – man setze alles daran, sie zu beheben.
„Eigentlich müsste es Aufstände geben“
Koseras Partner, der seinen Namen nicht nennen möchte, macht all das fassungslos. „Das ist für einen Flughafen und eine Fluggesellschaft wie Eurowings absolut inakzeptabel“, sagt er. „Ich wundere mich, dass die Stimmung hier noch so ruhig ist. Eigentlich müsste es Aufstände geben.“
Ganz abwegig ist das nicht. Bereits am Vortag soll es am Flughafen zu Tumulten gekommen sein, wie der Sender RTL und das Portal „Der Westen“ berichten. „Dicht an dicht gedrängt wurden die Wartenden langsam unruhig und nervös und hatten Angst, ihre Flüge zu verpassen“, so eine Verdi-Mitarbeiterin gegenüber dem Portal. Es sei geschubst und gedrängelt worden, schließlich habe die Polizei eingreifen müssen.
Am Samstagmorgen ist von solchen Szenen nichts zu sehen – wenngleich die Passagiere langsam nervös werden. So auch eine Frau namens Ulrike. Sie steht mit ihrer Familie am Check-In-Schalter der Lufthansa und hofft inständig, dass alles glatt geht. „Erst geht es nach München“, erzählt sie dem RND – „dann weiter nach Manchester“. In England wolle man gemeinsam den Urlaub verbringen.
„Wir sind extra mehrere Stunden vorher angereist und stehen trotzdem stundenlang in der Schlange“, sagt sie. „Die Fluggesellschaften haben einfach zu wenig Personal“. In den Flieger steige Ulrike mit einem mulmigen Gefühl. „Wer weiß, ob beim Umsteigen in München alles glatt geht und ob wir jemals ankommen? Es kann alles passieren.“
Manche Passagiere bleiben tiefenentspannt
Olaf Benten hingegen geht die Sache vergleichsweise tiefenentspannt an. Er steht in der Schlange für den Eurowings-Flieger nach Korfu, hier will Benten mit seiner Familie für zwei Wochen auf ein Kreuzfahrtschiff. „Bisher zeigt die App ‚in Time‘“, sagt Benten – der Flug soll pünktlich von Düsseldorf starten.
Von den Schreckensmeldungen habe er sich gar nicht erst verrückt machen lassen. „Wir sind nicht früher als sonst zum Flughafen gekommen.“ Am Morgen um 8 Uhr habe man einen Corona-Test für die Kreuzfahrt gemacht, habe dann den Weg zum Flughafen angetreten. Und tatsächlich: Nur eine halbe Stunde später läuft Benten tatsächlich zusammen mit Familie und Handgepäck durch das Gate. Es ist eine der wenigen Erfolgsgeschichten an diesem Tag.

Personalmangel, gestrichene Flüge und ein defektes Gepäckband sorgen am Samstag für eine aufgeheizte Stimmung. © picture alliance/dpa
Dass es auch völlig anders ausgehen kann, zeigt die Geschichte von Marion und Matthias Hörster aus Harsewinkel in Ostwestfalen. Auch sie hatten eigentlich eine Schiffsreise geplant, ab Split in Kroatien. „Das Schiff fährt wohl heute Abend ohne uns ab, wir fahren wieder nach Hause“, sagt Matthias Hörster. Seine Laune ist für diese Hiobsbotschaft vergleichsweise gut: „Warum sollen wir uns aufregen? Wir können es ja sowieso nicht ändern.“
Auch die Hörsters hatten bereits am Vorabend ihr Gepäck aufgegeben – jetzt wollen sie dieses und ihr Geld zurück. „Ein alternativer Flug kommt für uns nicht infrage, das Schiff ist weg. Wir wollen nicht mehr nach Kroatien, die Sache ist wohl gelaufen.“ Das Motto in diesem Jahr ist dann vermutlich ein Sommerurlaub in Ostwestfalen.
Da hilft nur noch der Energydrink
Katrin Schneider aus Dortmund hat in der Nacht überhaupt nicht geschlafen, erzählt sie – und nimmt einen Schluck aus ihrer Redbull-Dose. Eigentlich sollte es nach Athen gehen, schon frühmorgens sei man angereist. Erst am Check-In-Schalter habe man sie darüber informiert, dass der Flug annulliert wurde. Nun steht Schneider mit ihrer Familie bereits seit Stunden in der Schlange des Eurowings-Service-Schalters, um noch irgendwie einen alternativen Flug zu bekommen.
In Griechenland habe man ein Apartment gebucht, zwei Wochen wolle man dort verbringen. Der nächste Flieger geht voraussichtlich erst in drei Tagen, so Schneider. Aus den zwei Wochen Urlaub werden damit anderthalb – wenn überhaupt. „So haben wir uns das nicht vorgestellt.“
Auch Köln/Bonn betroffen
Ähnliche Probleme gibt es auch an anderen Flughäfen im Land. Lange Schlangen bildeten sich am Morgen auch am benachbarten Flughafen Köln/Bonn. Dort mussten Passagiere teilweise 60 bis 90 Minuten in der Sicherheitskontrolle warten, wie ein Sprecher der dpa erklärte. Der Grund seien die vielen Krankheitsfälle beim Personal.
Probleme gibt es auch auf den Wegen zu den Flughäfen. Während die Lage auf den Autobahnen am Samstag vergleichsweise ruhig ist, berichten Passagiere von massiven Problemen im Bahnverkehr. ICEs von Berlin in Richtung Köln und Düsseldorf hatten am Freitagabend massive Verspätungen, andere fuhren, etwa wegen defekter Klimaanlagen, gar nicht erst weiter.
Im Zug von Hamm zum Düsseldorfer Flughafen wurde am Freitagabend das Bordrestaurant geschlossen – ebenfalls wegen Personalmangel. Das verbliebene Personal stellte zwei kostenlose Kisten Wasser für die Passagiere bereit.
Auch in den sozialen Netzwerken machen Passagiere ihrem Ärger Luft. Der Moderator Micky Beisenherz etwa twitterte vom Düsseldorfer Flughafen: „Gerade in dem absurd vollen Düsseldorfer Flughafen in einer geisteskrank langen Schlange vorm Security Check brav angestellt. Im erlösenden Moment des Scans plötzlich: Flug annulliert.“
Gerade in dem absurd vollen Düsseldorfer Flughafen in einer geisteskrank langen Schlange vorm Security Check brav angestellt. Im erlösenden Moment des Scans plötzlich: Flug annulliert. Tut mir leid @ladyaltona, danke für die Einladung @turi2 : @eurowings war dagegen.
— Micky Beisenherz (@MickyBeisenherz) June 25, 2022
Und weiter: „Ich finde es aber schon gut, dass sie mit der Verkündung des Annullierens wenigstens so lange gewartet haben, bis ich einmal komplett in der Schlange gestanden habe und die Nacht komplett im Arsch ist.“ Andere Fluggäste berichten ähnliches.
Als „Desaster mit Ansage“ beschreibt Verdi-Gewerkschaftssekretär Özay Tarim die Situation in Düsseldorf gegenüber der „Bild“-Zeitung. „Wir haben bereits im vergangenen Sommer gesagt, dass die Personaldecke im Sicherheitsbereich nicht ausreichend ist, um das erhöhte Fluggastaufkommen bedienen zu können.“ Über 200.000 Passagiere sollen am Flughafen am ersten Ferienwochenende abheben – ein Aufkommen, das so augenscheinlich nicht zu bewerkstelligen ist.
Gepäck bleibt am Flughafen zurück
Rund eine Stunde später steht Katrin Schneider noch immer in der Schlange des Eurowings-Serviceschalters – der Urlaub in Griechenland rückt in immer weitere Ferne. Gleichzeitig strömen immer mehr Menschen in den Flughafen, immer neue Flüge werden annulliert – immer mehr Passagiere stranden. Die Schlangen reichen am Samstagvormittag zeitweise bis zu den Eingangstüren des Airports.
Der Flughafen Düsseldorf hat inzwischen mitgeteilt, dass wegen der gestörten Gepäckabfertigung möglicherweise Koffer am Flughafen zurückbleiben werden. „Die Airlines sorgen in diesem Fall dafür, dass es schnellstmöglich nachgeschickt wird“, heißt es in einer Mittelung. Für die vielen gestrandeten Passagiere ist das zu diesem ungewöhnlichen Start in die Ferien wohl nur ein schwacher Trost.
RND
Der Artikel "Flughafenchaos zum Ferienstart: „Unser Urlaub ist gelaufen – wir fahren wieder nach Hause“" stammt von unserem Partner, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.