Mehrere Millionen Euro sollen sich Betrüger aus dem Kreis Euskirchen durch falsche Anträge für Fluthilfen beschafft haben. Beantragt hatten sie über neun Millionen Euro, bewilligt wurden letztlich 4,6 Millionen Euro, wie die Polizei Bonn in einer Pressemeldung schreibt. Hauptbeschuldigte sind laut Polizei zwei Frauen (35 und 42 Jahre alt) aus dem Kreis Euskirchen mit deutsch-libanesischer Staatsangehörigkeit. Laut den Ermittlungen stehen sie zu 20 weiteren Beschuldigten in diesem Ermittlungskomplex in einer familiären Verbindung. Die Familie weise Bezüge zur Clankriminalität auf, wie die Rheinische Post schreibt. In dem Betrugsfall gehe es laut Polizei insgesamt um 182 Ermittlungsverfahren und 136 Beschuldigte.
Am frühen Mittwochmorgen (11.12.) durchsuchten rund 80 Polizisten insgesamt 18 Wohnobjekte in Euskirchen (15), Mechernich (1), Kassel (1) und Stuttgart (1). Die Razzia steht im Zusammenhang mit den betrügerisch erlangten Wiederaufbauhilfen nach der Flutkatastrophe vom Juli 2021. Bereits seit Januar 2024 laufen in dem Fall Ermittlungen.
NRW-Innenminister Herbert Reul reagiert entsetzt auf den mutmaßlichen Betrug: „Das ist unvorstellbar: Es ist eine der verheerendsten Naturkatastrophen in der Geschichte unseres Landes. Mehr als 180 Menschen sterben, Unzählige in den Flutgebieten kämpfen um ihre Existenzen. Und in so einer Situation denken diese Verbrecher nur daran, wie sie aus der Katastrophe Kapital schlagen können.“
„Sie nutzen das System aus, verhöhnen damit nicht nur die Flutopfer, die das Geld wirklich brauchen, sondern betrügen das Land um Millionen, die dann beim Aufbau fehlen“, erklärt Reul.
Betrug in Millionenhöhe mit Fluthilfen - Identische Schadensbilder
Die Tatverdächtigen sollen teilweise als Hinterleute agiert haben, indem sie unberechtigten Personen die erforderlichen Unterlagen für die Beantragung auf Fluthilfen zur Verfügung stellten oder Hinweise zur erfolgreichen Beantragung gaben. Die Antragssteller mussten dann bis zu 50 Prozent der ausgezahlten Gelder an die Beschuldigten weitergeben.
In diversen Anträgen seien dabei für unterschiedliche Wohnobjekte „identische Schadensbilder festgestellt“ worden, schreibt die Polizei. Außerdem wurden Anträge für nicht von der Flut betroffene Objekte eingereicht, deren Hausratsschäden durch die Flut faktisch nicht möglich waren. So seien beispielsweise Hilfen für Schäden in Obergeschossen von Wohnhäusern beantragt worden, die nicht mit dem Höchstwasserstand zum Zeitpunkt der Flut übereinstimmten.
Bei der Razzia hat die Polizei insgesamt 40 Mobiltelefone, zehn Computer, diverse Speichermedien, ein verschlossener Würfeltresor, zahlreiche Dokumente und Anträge, 14.000 Euro Bargeld sowie rund 200 Gramm Amphetamin sichergestellt.
„Sich auf diese Weise die Taschen vollzumachen, ist nicht nur perfide. Es zeigt, wie kriminelle Banden agieren - ohne Skrupel und jegliche moralische Grenzen auf dem Rücken von uns allen. Gut, dass unsere Ermittler das aufgedeckt haben“, erklärt Minister Reul abschließend.
Bei der Hochwasserkatastrophe waren allein in Nordrhein-Westfalen 49 Menschen gestorben. Ganze Straßenzüge in Städten und Dörfern waren durch die Flut verwüstet worden. Für den Wiederaufbau stehen 12,3 Milliarden Euro zur Verfügung. In den Flutgebieten sind längst nicht alle Schäden beseitigt.
In Kassel sei ein Objekt durchsucht worden, weil dort ein beschuldigtes Familienmitglied der Tatverdächtigen wohne, in Stuttgart sei eine gesuchte Person nicht angetroffen worden, erklärten die Ermittler.
mit dpa