Nach Massenschlägereien in Essen und Castrop-Rauxel fährt die Polizei in beiden Ruhrgebietsstädten eine harte Linie. Erst waren am Donnerstag (15. Juni) in Castrop-Rauxel größere Personengruppen aufeinander losgegangen, am Freitagabend (16. Juni) kam es dann nur 30 Kilometer entfernt in Essen zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen zwei großen verfeindeten Gruppen. Die Rede ist von mehreren Hundert Beteiligten. Es gab Verletzte, eine Vielzahl von Hieb- und Stichwaffen wurde sichergestellt. Die Polizei erhöhte die Präsenz in beiden Städten. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) will nun durchgreifen.
„Es ist nicht hinnehmbar, wenn sich Männerhorden zusammenrotten und teils sogar bewaffnen, um andere einzuschüchtern oder anzugreifen“, sagte Reul der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“. Einmal mehr müsse die Polizei klarmachen: „Bei uns gilt das Recht des Staates und nicht das Recht der Familie“, sagte Reul. Man werde die Szene aufmerksam im Blick behalten und weiterhin konsequent einschreiten. Als Auslöser für die jüngsten Konfrontationen wird ein Streit unter Großfamilien vermutet. Schon seit Jahren ist Essen ein Hotspot der Clan-Szene.
Schlägerei in Castrop-Rauxel durch Kinderstreit ausgelöst
Die Massenschlägerei in Castrop-Rauxel der vergangenen Woche mit zahlreichen Verletzten ist nach den bisherigen Ermittlungen durch einen Kinderstreit zwischen zwei Elfjährigen ausgelöst worden. Das berichtete der zuständige Dortmunder Oberstaatsanwalt Carsten Dombert am Dienstag. Er sehe keine Hinweise für einen Clan-Hintergrund - etwa Verteilungskämpfe im Milieu krimineller Familien, sagte Dombert.
Laut Staatsanwalt Dombert gibt es bei den Ermittlungen in Castrop-Rauxel bisher keine Hinweise für einen Zusammenhang mit den Schlägereien in Essen. Es sei nur ein einziger mutmaßlicher Teilnehmer aus Castrop-Rauxel auch am Folgetag in Essen gesehen worden, so der Staatsanwalt.
Massenschlägereien auf Tagesordnung in Sondersitzung des NRW Landtages
Die gewalttätigen Auseinandersetzungen im Ruhrgebiet waren am Mittwoch (21. Juni) auch Thema in einer Sondersitzung des Innenausschusses im Düsseldorfer Landtag. Das Innenministerium hatte die Massenschlägereien zusätzlich auf die Tagesordnung gehoben.
„Diese Vorfälle im Ruhrgebiet Anlass dafür, intensiv zu prüfen, inwieweit wir neben den türkisch-arabisch-stämmigen Clans auch andere Strukturen unter dem Phänomen der Clankriminalität im Blick haben müssen“, sagte Reul am Mittwoch in einer Sondersitzung. „Wir haben es mit einer Pulverfassmentalität und einem Konflikt zu tun, der auf den Straßen deutscher Großstädte nichts zu suchen hat. Nicht alles findet als organisierte Kriminalität in den Hinterzimmern statt, aber es gehört zur Clankriminalität dazu.“
Die Vorfälle in Castrop-Rauxel und Essen zeigten eine enorme Solidarisierung und Mobilisierung über den digitalen Medien und entsprechende Chatgruppen. Auch deshalb müsse es eine erweiterte Betrachtung der „Konfliktpartei der Syrer“ geben.
Zwischen den Schlägereien gibt es laut dem Oberstaatsanwalt keine Hinweise auf einen Zusammenhang. Reul dagegen verwies im Innenausschuss auf Hinweise in den sozialen Netzwerken, bei denen nach dem Vorfall in Castrop-Rauxel die Konfliktparteien gezielt dazu aufgerufen wurden, nach Gelsenkirchen oder Essen zu kommen. „Das sieht für mich nicht unbedingt nach einem Zufall aus - zumal im Netz ja durchaus mit Parolen nach dem Motto ‚Kommt nach Essen‘ dafür mobilisiert wurde und es die Verfolgung mehrerer Personen von Castrop-Rauxel bis nach Essen gab.“

Mehrere Gegenstände und Waffen sichergestellt
Laut Dombert waren vor der Massenschlägerei in Castrop-Rauxel die beiden Elfjährigen, ein junger Libanese und ein Syrer, die beide im selben Mietshaus lebten, aus einem banalem Alltagsanlass aneinandergeraten. Der Konflikt habe auf die libanesischen und syrischen Familien der beiden übergegriffen und zu dem Massenkonflikt geführt. Von 52 mutmaßlich Beteiligten seien Personalien festgestellt worden. Unter anderem würden zahlreiche Videos zum Ablauf ausgewertet, sagte der Staatsanwalt.
Bei der Auseinandersetzung in Essen sind am Freitagabend mehr als 100 Menschen aufeinander losgegangen. Die Polizei war nach eigenen Angaben mit einer Hundertschaft, einem Hubschrauber und Diensthunden im Einsatz. Auch bei dieser gewalttätigen Auseinandersetzung wurden mehrere Menschen verletzt, darunter auch zwei Polizisten, die ihren Einsatz nicht fortsetzen konnten.
Es wurden mehrere Schlagwerkzeuge, Hieb- und Stichwaffen, wie Baseballschläger, Dachlatten und Messer sichergestellt. Zeugen hatten die Auseinandersetzung bemerkt und am Freitagabend gegen 21.30 Uhr die Polizei gerufen. Zunächst gab es einen größeren Massenauflauf von Menschen im Bereich der „Grünen Mitte“, später weitere sich Tumult an wechselnden Orten in der Essener Innenstadt aus.
Gestern Abend kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen in der #Essener #Innenstadt. Mehrere Menschen, darunter zwei Polizeibeamte, wurden verletzt. Die Polizei sucht dringend Zeugen und Foto-/Videomaterial. Weitere Infos auf unserer Internetseite: https://t.co/rZNpFACzE1
— Polizei NRW E (@Polizei_NRW_E) June 17, 2023
Nach Schlägerei in Essen: Hinweisportal für Zeugen freigeschaltet
Wie die Polizei am Samstagabend mitteilte, soll die gewaltsame Auseinandersetzung „zwischen größeren Personengruppen mit syrischer und libanesischer Nationalität“ stattgefunden haben. Die Polizei Essen sucht dringend nach Zeugen und bittet um Foto- und Videomaterial. Hierfür wurde ein eigenes Hinweisportal eingerichtet, auf dem Aufnahmen auch anonym hochgeladen werden können.
Die Polizei schreibt: „Gehen Sie hierzu auf https://nrw.hinweisportal.de/ und wählen unter dem Text „Hinweis geben“ „weiter“ aus. Als Ereignis wählen Sie dann „Gewalttätige Auseinandersetzung in der Essener Innenstadt“. In dem selbsterklärenden Formular können Sie Ihre Videodateien hochladen.“

Massenschlägereien in Essen und Castrop-Rauxel: Zusammenhang?
Auf dem Hinweisportal der Polizei können außerdem auch Hinweise zur Massenschlägerei in Castrop-Rauxel gegeben werden, denn die Massenschlägerei in Essen könnte in Zusammenhang mit der gewalttätigen Auseinandersetzung in Castrop-Rauxel stehen. Dort sind am Donnerstagabend gegen 17.30 Uhr etwa 30 Personen aufeinander losgegangen. Mehrere Zeugen schilderten, dass die beteiligten Personen unter anderem Baseballschläger, Messer und Schlagstöcke als Waffen einsetzten.
Mehrere Menschen wurden verletzt. „Ein 23-Jähriger erlitt lebensgefährliche Stichverletzungen und musste notoperiert werden“, teilte die Polizei Recklinghausen mit. Demnach wurde noch am selben Tag eine 19-köpfige Mordkommission eingerichtet.
Ein weiterer Massenauflauf von Menschen am Freitagabend auf der Wittener Straße in Castrop-Rauxel hat erneut einen Großeinsatz der Polizei ausgelöst. Auch hier war - wie in Essen - ein Polizeihubschrauber im Einsatz. Insgesamt wurden 116 Personen überprüft und 24 Fahrzeuge durchsucht. Auch hier wurden mehrere gefährliche Gegenstände wie Messer, Macheten und eine Schusswaffe sichergestellt.
Nach Schlägereien in Castrop-Rauxel: Polizeipräsidentin schockiert
Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen zeigte sich schockiert: „Ich finde es erschreckend, dass Personen der Meinung sind, sie könnten Meinungsverschiedenheiten mit Gewalt austragen. Das Ausmaß und die Dimension haben mich erschüttert. Neben den strafrechtlichen Ermittlungen ist für mich eines wichtig: Wir müssen Präsenz zeigen. Deshalb gibt es verstärkte polizeiliche Maßnahmen im Stadtgebiet, z. B. zusätzliche Einsatzkräfte an bestimmten Orten“.
Nach gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen größeren Personengruppen in Essen und Castrop-Rauxel zeigt die Polizei in beiden Städten weiter erhöhte Präsenz. In der Nacht zum Sonntag sei die Lage ruhig geblieben, sagten Polizeisprecher in Essen und Recklinghausen am Sonntag auf Anfrage. Die Polizei prüft weiter, ob es Zusammenhänge zwischen den Konfrontationen in den beiden rund 30 Kilometer entfernt liegenden Ruhrgebietsstädten gibt. Nach ersten Ermittlungen sei der Grund im zwischenmenschlichen Bereich zu finden, hatte der zuständige Oberstaatsanwalt Carsten Dombert bereits am Freitag gesagt.
mit dpa
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