Massenschlägerei in Castrop-Rauxel „Friedlich klären?“ „Nein, wir schlagen euch kaputt!“

Massenschlägerei in Castrop-Rauxel: Beteiligter packt aus
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Die Frage stellen sich seit Donnerstagabend alle: Was steckte hinter der Massenschlägerei von der Wartburgstraße? Dort hatten sich gegen 17.30 Uhr heftige Gewalt-Szenen abgespielt: Auf dem Kreisverkehr und dem K+K-Parkplatz, in einem Innenhof und einem Wohnhaus gab es Angriffe, Schläge, Tritte. Gruppen gingen mit und ohne Waffen wild aufeinander los. Aber warum? Ein Beteiligter packt jetzt aus.

Wir kannten den Mann vor dem Vorfall nicht. Er lebe seit über 40 Jahren in Castrop-Rauxel, sagt er, und spricht dann auch über das, was in der Allgemeinheit nicht zu sehen war und ist: Über einen Streit von Familien, Schläge gegenüber Kindern und Frauen schon am Dienstag, ein Zusammentrommeln übers Internet, eine versuchte Schlichtung und die Eskalation.

Für andere Augenzeugen begann dieser Vorfall am Dienstag: Am Abend gab es einen Polizeieinsatz auf der Wartburgstraße mit reichlich Blaulicht. Beamte eilten herbei, weil es wohl zu einer Schlägerei in einem Innenhof gekommen sein soll. Ein Kind habe dort mindestens einen Schlag abbekommen, berichtet ein Augenzeuge. Daraufhin sei eine Frau, möglicherweise die Mutter des Kindes, in das Haus gegangen und habe gefragt, warum ihr Kind geschlagen wurde.

In dieser Auseinandersetzung soll ein weiteres Mädchen aus der des Schlages beschuldigten Familie das Kind oder die Frau bespuckt haben. Dann muss wohl ein beteiligter Vater ausgerastet sein: Es gab Wortgefechte, aber am Ende keine Verletzten. Die Polizei bestätigt einen solchen Einsatz, aber auch, dass es hier keine weitere polizeiliche oder rettungsdienstliche Relevanz gegeben habe.

Dienstag gelang die Deeskalation

Den Beamten gelang die Deeskalation: Die Beteiligten zogen sich zurück, gingen nach Hause. Auch die involvierten Kinder wurden voneinander getrennt. Der Streit war damit aber wohl nicht beigelegt. Der Zeuge berichtet, eine Seite habe den Plan verfolgt, ein klärendes Gespräch mit der anderen Seite zu führen. „Wir haben gesagt: Wir sind dazu bereit, kein Problem“, so der Castrop-Rauxeler gegenüber Journalisten.

Als er dann am Donnerstag (15.6.) von der Arbeit gekommen sei, es war gegen 17 Uhr, habe er gesehen, wie eine Gruppe von Leuten in Richtung seines Hauses gezogen sei. Er habe sich mit anderen Nachbarn abgesprochen, um gemeinsam ebenfalls zum Haus zu gehen und das Gespräch zu suchen. „Dann sind sie aber schon durch die Tür reingestürmt und haben mit der Schlägerei losgelegt.“

Holzknüppel hätten sie dabei gehabt und andere Waffen. Doch es sei gelungen, die Schlägerei erst einmal zu unterbinden. „Lasst es uns friedlich klären“, so das Angebot des beteiligten Augenzeugen. Die Antwort aber sei gewesen: „Nein, wir schlagen euch kaputt! Wir töten euch.“

Ungefähr 60 Leute „von den anderen“ hätten vor dem Haus gewartet. „Viele waren vermummt. Auf Facebook gab es wohl einen Aufruf, alle Verwandten aus der Region sollten zum Helfen nach Castrop-Rauxel kommen.“ Die Möglichkeit zu einem Gespräch habe es nicht mehr gegeben. „Sie sind sofort mit Schlagstöcken auf die Familie losgegangen.“

Eine Einsatz-Hundertschaft setzt rund 20 Personen auf dem Parkplatz von K+K fest. Ihre Personalien werden erfasst.
Eine Einsatz-Hundertschaft setzt rund 20 Personen auf dem Parkplatz von K+K fest. Ihre Personalien werden erfasst. © Weckenbrock

Männer prügeln sich ins Gesicht

Die Vermummten seien rüber gekommen vom K+K-Parkplatz. Auf der Straße gab es dann die hässlichen Schlachtszenen, von denen es mehrere Video-Aufnahmen aus anliegenden Häusern gibt: Männer rennen aufeinander zu, prügeln sich ins Gesicht. Einige stürzen zu Boden, ihre Angreifer treten auf sie ein. Streifen-Polizei, die inzwischen in geringer Erstzugriffs-Stärke angekommen ist, verteilt sich dazwischen.

Beamte in einfachen Straßen-Uniformen, also ohne Helm und Komplett-Körper-Protektoren, sehen machtlos bei Faustkämpfen zu. Um sie herum ist die Lage komplett unübersichtlich. Es kommt wohl zum Einsatz von Pfefferspray, allerdings verpufft es bei der Rennerei auf der Straße wohl ungezielt. Wirkung zeigt die Polizei erst, als Nachschub heranrollt.

Am Ende sind auch zwei Einsatz-Hundertschaften vor Ort. Ein Hubschrauber steht rund 30 Minuten über dem Schauplatz in der Luft. Von dort beobachtet die Polizei die Lage aus der Luft. Andere Polizisten tragen Teleskop-Kameras herum, um mögliche Eskalationen belegen zu können.

Eine Hundertschaft kesselt einen Teil der Angreifer auf dem K+K-Parkplatz ein. Auf der Straße kreiseln Autos, dicke AMG-Cabriolets ebenso wie Kleinwagen, in denen fünf Männer sitzen, langsam durch die Szenerie und schauen durchs Fenster. Auf der Suche nach dem nächsten „Feuerchen“?

Die Lage eskaliert an diesem Abend nicht weiter. Es stehen Gruppen am Straßenrand. Sie sehen zu, aber nicht alle sind Unbeteiligte: einige haben Blutflecken am Hemd, andere zeigen eine Poser-Haltung. Wieder andere steigen aus Autos mit Essener und anderen Ruhrgebiets-Kennzeichen aus.

Ermittler müssen Puzzleteile zusammensetzen

Der Augenzeuge sagt, er arbeite und lebe seit über 40 Jahren in Castrop-Rauxel, wie sein Bruder. Er habe sich nie etwas zu schulden kommen lassen. Er habe so etwas noch nie erlebt. Hier sei eine syrische Familie beteiligt gewesen, die erst seit kürzerer Zeit in Deutschland lebe.

Die Informationen, die der Mann uns gibt, klingen glaubhaft. Aber er ist beteiligt. Sie sind also nur Puzzleteile, die es zu sortieren und zu einem großen Bild zusammenzusetzen gilt. Hier ist die Polizei, möglicherweise auch die Staatsanwaltschaft gefragt: Auf dem K+K-Parkplatz werden Personalien von mindestens 20 Personen aufgenommen. Sie werden fotografiert. Aber welche Straftaten gab es? Sind die Hintergründe plausibel? Wie lassen sie sich justiziabel belegen? Es wird Wochen dauern, weiteres Bild- und Video-Material zu beschaffen und zu sichten, Zeugen und Beteiligte zu befragen und zu vernehmen.

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