Erstes AKW lagert seinen Atommüll um

Atomausstieg konkret

Der Atomausstieg ist beschlossen, doch was bedeutet es, wenn der Entschluss konkret wird? Verrostete Fässer mit sensiblem Inhalt werden gerade im AKW Brunsbüttel umgelagert. Aufwendige Spezialtechnik ist im Einsatz, die Aktion kostet Millionen. Und bis die Fässer endlich an ihrem Endziel sind, wird es noch lange dauern.

Brunsbüttel

23.02.2016, 06:00 Uhr / Lesedauer: 2 min
Die Bergung der beschädigten Atommüll-Fässer im stillgelegten Kernkraftwerk Brunsbüttel ist aufwendig und teuer.

Die Bergung der beschädigten Atommüll-Fässer im stillgelegten Kernkraftwerk Brunsbüttel ist aufwendig und teuer.

Eine beispiellose Umpackaktion mit Hunderten, teils stark verrosteten Atommüll-Fässern startet im abgeschalteten Atomkraftwerk Brunsbüttel an der Elbe. Drei Jahre soll es dauern, bis die Behälter mit schwach- bis mittelradioaktivem Abfall mit Spezialtechnik aus unterirdischen Lagerräumen herausgeholt und sicher verwahrt sein werden.

Am Montag gab Schleswig-Holsteins Energieminister Robert Habeck grünes Licht für die Bergung. Brunsbüttel liegt an der Unterelbe, auf der anderen Seite des Flusses liegt der niedersächsische Landkreis Stade.

"Es fehlte an Sicherheitskultur"

"Viel zu lange sind die Fässer nahezu unbeobachtet in den Kavernen vor sich hin gerostet", sagte Habeck. "Diese Sauerei in den Kavernen hätte nie passieren dürfen." Es war ein Schock, als 2012 das erste verrottete Fass gefunden wurde.

632 Behälter lagern in den abgeschirmten Kavernen des Kraftwerks, das wegen technischer Pannen seit 2007 keinen Strom mehr liefert. Mit Spezialkameras wurden die Lagerräume inspiziert, 150 Fässer hatten teils schwere Schäden. "Es fehlte an Sicherheitskultur und entsprechenden Kontrollmechanismen", bemängelte Habeck.

Die Fässer lagern in Brunsbüttel zum Teil schon über 30 Jahre - was nie so geplant war. Seit Mitte der 90er sollten sie eigentlich in Niedersachsen im Endlager Schacht Konrad sein. Das wird aber nicht vor 2022 in Betrieb gehen. Also muss der Atommüll - Filterharze und Verdampferkonzentrate - bis dato in Brunsbüttel bleiben.

Sechs Wochen Übung

Nun werden die Fässer umgepackt. Ein ferngesteuerter Greifer hebt ein Fass in ein Überfass. Dieses kommt in einen neu konzipierten Container, der für das Endlager geeignet ist. Der Container soll später in ein noch zu bauendes Speziallager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle umziehen.

Sechs Wochen wurde alles geübt. Bei der Umpack-Aktion würden strenge Strahlenschutzvorschriften eingehalten, versichert die Atomaufsicht. Auch für Umwelt und Bevölkerung bestehe keine Gefahr. Um einen Portalkran mit dem Greifer wurde ein mit schwarzen Folien verkleideter Schutzraum errichtet. Dieser Raum steht unter Unterdruck, so dass laut Vattenfall keine Radioaktivität austreten kann.

Bis zu 20 Millionen Kosten

"Wir können keine Garantie abgeben, dass das Konzept reibungslos umgesetzt werden kann", sagte Habeck. Die Kavernen sollen so schnell wie möglich leergeräumt werden. "Strahlenschutz hat aber immer Priorität." Habeck nimmt die Vorführung mit dem Smartphone als Video auf. "Ich hoffe, dass es funktioniert", sagt er und sinniert im Rückblick auf die Entdeckung der Rostfässer ab Anfang 2012: "Irgendwie musste es gehen und keiner hatte eine Idee."

Nun ist das anders. Gut zwei Millionen Euro kostet die Fässerbergung laut Geschäftsführer Pieter Wasmuth Vattenfall zusätzlich. Nimmt man die Kosten für die Container zur Endlagerung hinzu, die ohnehin erforderlich sind, werden es um die 20 Millionen Euro werden.

Nur zu 66,8 Prozent am Netz

Die Atomaufsicht geht davon aus, dass in den vergangenen Jahrzehnten besonders die Verdampferkonzentrate nicht ausreichend getrocknet worden waren und deshalb die starken Rostschäden entstanden. "Das damalige Kraftwerkspersonal rechnete mit einem zügigen Abtransport der Fässer in ein Endlager für schwach- und mittelradioaktive Stoffe; vermutlich aus diesem Grund wurde die hohe Restfeuchte nicht als Problem gesehen", erklärte das Ministerium am Montag.

Das AKW Brunsbüttel war bis zur Abschaltung im Jahr 2007 aufgrund vieler Pannen nur zu 66,8 Prozent der Zeit am Netz gewesen. Vattenfall hat den Abriss des Kraftwerks beantragt. 2017/18 will die Atomaufsicht darüber entscheiden. 15 Jahre könnte der Abbau dauern. Fast 10.000 Tonnen schwach- und mittelradioaktiver Abfall sind zu entsorgen, 520 Brennelemente aus dem Reaktorgebäude in Castor-Behälter zu bringen.

Wann das geschehen wird und wohin die Brennelemente kommen, ist offen. Es wird noch viel Wasser an Brunsbüttel vorbei in die Nordsee fließen, bis anstelle des Atomkraftwerks eine grüne Wiese sein wird.

Von dpa