Erste Gastronomen nehmen Gebühr für Reservierungen
Reservierung nur gegen Vorkasse
Der Gast ist König, lautet eine goldene Gastronomen-Regel. Weil viele Gäste aber zunehmend Reservierungen in Restaurants nicht einhalten, müssen sie in ersten Restaurants nun im Voraus zahlen. Die Idee kommt bei Gastronomen gut an, es gibt aber ein Problem.

Einen Tisch reservieren und dann ohne abzusagen doch nicht hingehen - für Gastronomen ist das ein großes Ärgernis. Die ersten Restaurants vergeben Tische jetzt nur noch gegen Vorkasse - sowie Mareile Kachel und Jörg Mönnikes im Bochumer Restaurant Vitrine.
Einen Tisch reservieren und dann ohne abzusagen doch nicht hingehen - für Gastronomen ist das ein großes Ärgernis. Die ersten Restaurants vergeben Tische jetzt nur noch gegen Vorkasse.
Weihnachten 2016 war für Mareile Kachel der Punkt erreicht, an dem sich etwas ändern musste. „21 Gäste, die angemeldet waren, sind nicht erschienen“, sagt die Geschäftsführerin der „Vitrine“ in Bochum, einem Restaurant mit 70 Sitzplätzen. Personalplanung, Einkauf, Vorbereitung – vieles war an diesen Weihnachtstagen in der „Vitrine“ im wahrsten Wortsinn für die Tonne.
Ähnliches musste auch Michael Haverkamp, Pächter des Restaurants Uhlenhof im Halterner Ortsteil Holtwick, schon erleben. „Das ist zwar im À-la-Carte-Bereich relativ selten“, sagt er. „Aber wir bieten beispielsweise große Buffets an – Spargelbufetts, Wildbuffets – da kommt es immer wieder vor, dass sogar größere Gruppen nicht erscheinen, oder für 20 Personen buchen und dann kommen nur 10.“ Dadurch entstehe natürlich ein wirtschaftlicher Schaden, so Michael Haverkamp. „Da sich die Tendenz dazu steigert und die Fälle häufiger werden, habe ich schon darüber nachgedacht, Reservierungen nur gegen eine Gebühr vorzunehmen.“ Umgesetzt hat er seine Überlegung aber noch nicht.

Brauhaus-Chef Frank Teschler in seinem Restaurant in Lünen. © Torsten Storks
Auch in Lünen gibt es Tage, an denen die Gastronomen Frank Teschler und Ali Karakaya restlos bedient sind, dann fühlen sie sich von ihrer Kundschaft schlichtweg versetzt: „Es ist deutlich mehr geworden, dass Tische reserviert werden, die Gäste dann aber zum vereinbarten Termin einfach nicht erscheinen. Ohne uns vorher Bescheid zu sagen“, sagt Frank Teschler. Er ist Chef des Hotel-Restaurants „Brauhaus Drei Linden“ in der Lüner City.
Essen bestellt und nicht abgeholt
Wenige Schritte entfernt betreibt Ali Karakaya das „Griechische Spezialitäten-Restaurant Akropolis“. Und auch hier werden Tische reserviert, ohne dass am Ende jemand erscheint: „Ich kann dem Frank nur zustimmen, das ist wirklich mehr geworden. Das ärgert einen, aber richtig.“
Eine Erklärung für das Problem haben die Beiden nicht. „Keine Ahnung, woran das liegt, einen Arzttermin oder Ähnliches sagt man in der Regel doch auch ab. Das gehört sich doch so“, sagt Teschler: „Da denkt man schon mal darüber nach, eine Anzahlung von 15 Euro pro Reservierung zu nehmen.“
„Es sind ja nicht nur die Tischreservierungen, die nicht eingehalten werden. Da bestellen die Leute Essen zum Abholen und kommen einfach nicht. Das kann doch nicht sein. Die fertigen Gerichte kann ich wegschmeißen“, sagt Karakaya."
"No-Shows" ein echtes Ärgernis
„Macht es einer, ist es nicht schlimm, machen es viele, hat es große Folgen für die Gastronomie“, sagt "Vitrine"-Chefin Mareile Kachel. Gästen, die in ihrer Freizeit oder geschäftlich Essen gehen, sei es sicherlich nicht bewusst, welche Auswirkungen mehrere leerstehende Tische für ein Restaurant haben. „Hier möchten wir ein Umdenken erzeugen“, sagt Kachel.
Die sogenannten „No-Shows“, die Wegbleiber, sind für die Gastronomen ein echtes Ärgernis. „Es ist offenbar ein zunehmendes Problem für die Gastronomen, dass Tischreservierungen als nicht verbindlich angesehen werden“, sagt Thorsten Hellwig, Sprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättengewerbes Dehoga in Nordrhein-Westfalen.

Michael Haverkamp, Pächter des Restaurants Uhlenhof in Haltern-Holtwick. „Da sich die Tendenz dazu steigert und die Fälle häufiger werden, habe ich schon darüber nachgedacht, Reservierungen nur gegen eine Gebühr vorzunehmen.“ © Jürgen Wolter
50 Euro Verlust pro Person
Offizielle Zahlen über das Ausmaß des Problems gibt es zwar nicht. „Wir überlegen aber derzeit, ob wir in diesem Jahr eine Umfrage zu diesem Thema machen, um verlässliche Daten zu bekommen“, sagt Hellwig. Denn durch geplatzte Reservierungen entsteht den Gastronomen wirtschaftlicher Schaden.“
So wie Weihnachten in der Bochumer „Vitrine“. Rund 50 Euro pro Person gingen der Vitrine verloren, rechnet Mareile Kachel vor. Die frisch gekauften Nahrungsmittel wurden entsorgt statt verzehrt. Auch ihren Personalbedarf ermitteln die Gastronomen anhand der Reservierungen.
Rechtlich spricht nichts gegen Vorkasse
Seit dem Weihnachts-Erlebnis 2016 nimmt die „Vitrine“-Chefin an Feiertagen und bei besonderen Events eine Anzahlung von 25 Euro bei Tisch-Reservierungen. Diese Wertgutscheine sind nicht personenbezogen, aber verbindlich und verfallen, wenn Gäste ihre Reservierung nicht wahrnehmen.
„Rechtlich ist eine Vorkasse bei Reservierungen nicht zu beanstanden“, sagt Rechtsanwältin Carolin Semmler von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. „Verbraucherfreundlich wäre es natürlich, wenn die Anzahlung dann auch später mit dem Verzehrten verrechnet wird.“ Verlange der Gastronom hingegen im Nachhinein Schadenersatz, wenn eine Reservierung nicht eingehalten wurde, „so muss er nachweisen, dass ihm dadurch tatsächlich ein Schaden entstanden ist“, sagt Semmler. Dies sei aber in der Praxis oft sehr schwierig.

Für Reservierungen in seinem Restaurant „Goldener Anker“ eine Vorauszahlung zu verlangen, kommt für Björn Freitag derzeit nicht in Frage. © Claudio Di Lucia
Keine Vorauszahlung bei Björn Freitag
Für Reservierungen in seinem Restaurant Goldener Anker in Dorsten eine Vorauszahlung zu verlangen, kommt für Björn Freitag derzeit nicht in Frage. Denn wer einen der vergleichsweise wenigen Tische beim Sternekoch telefonisch oder online bucht, kommt in der Regel auch. „Und wenn jemand doch mal kurzfristig absagt, hat er meistens eine gute Begründung“, sagt der Dorstener.
Auch eine Umfrage unserer Redaktionen bei Gastronomen im Ruhrgebiet und im Münsterland ergibt ein klares Bild: Viele wollen nicht so weit gehen, Vorkasse zu nehmen. Das Problem: „Solange nicht alle dasselbe machen, bleibt das schwierig“, sagt Restaurantleiterin Alissa Klee aus dem Dortmunder Cielo. Man wolle den Gast ja auch nicht verärgern.
Doch die Resonanz bei den Gästen beschreibt Vitrine-Chefin Mareile Kachel als überwiegend positiv. „Viele haben Verständnis gezeigt“. Einige haben aber auch gesagt, sie würden dann halt woanders buchen. Ein Grund, warum viele Gastronomen den Schritt scheuen, Anzahlungen auf Reservierungen zu nehmen.
Theater oder Konzert zahlt man auch vorher
Mareile Kachel kann nicht nachvollziehen, warum es im Restaurant anders sein sollte, als bei anderen Buchungen: „Einen Theater- oder Konzertabend bucht man doch auch verbindlich.“ Manfred Sträter von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) sagt dazu: „Wenn ich etwas auf Maß fertigen lasse, bin ich es doch auch gewohnt, eine Anzahlung zu leisten.“ Auch im Sinne vorausschauender Dienstpläne hält er eine Art Vorkasse bei Reservierungen für vertretbar. „Ich würde mich nicht schlecht behandelt fühlen.“
Dehoga-Sprecher Thorsten Hellwig nennt es eine Art „Notwehr“, dass Gastronomen Verträge über Reservierungen abschließen oder auch Anzahlungen verlangen. In den USA oder auch Frankreich sei es schon lange üblich, Anzahlungen für eine Reservierung zu nehmen. Und: „Kurzfristige Absagen sind besser als gar keine“, sagt Hellwig. Denn dann, so Hellwig, könnten die Tische wenigstens an andere Gäste vergeben werden.
Eine Frage der Fairness - und der Technik
Letztlich sei es eine Frage der Fairness, eine Reservierung einzuhalten oder rechtzeitig abzusagen, statt einfach wegzubleiben. Mareile Kachel hofft weiterhin auf das Verständnis ihrer Gäste. „Bei uns soll der Gast König bleiben“, sagt die 49-Jährige. Aber die Gastronomen dürften dabei nicht zu Hofnarren werden.
Einen anderen Weg gehen Dortmunder Gastronomien wie das Vida im Stadtteil Kirchhörde und das Mongos im Kreuzviertel. Sie lassen ihre Reservierungen über die Internetplattform OpenTable (Offener Tisch) abwickeln – wie 14 andere Restaurants in Dortmund. „Wir haben die Regel, dass Gäste, die innerhalb von zwölf Monaten viermal nicht ihre Reservierung wahrnehmen, zukünftig keine Reservierungen mehr vornehmen können“, erklärt OpenTable-Pressesprecherin Anna Härle aus Frankfurt. Nutzer erhalten Erinnerungsbenachrichtigungen und können im Falle unvorhergesehener Umstände ihre Reservierung über die mobile App und Website anpassen, ändern oder stornieren.

Emelie Prüsers Idee für den Freischütz: Der Kunde reserviert online und bezahlt vorher, kann direkt von zu Hause aus bestellen oder am Tisch vom Tablet aus. © Manuela Schwerte
Online-Reservierung geplant
Und in der Rohrmeisterei in Schwerte plant man eine Online-Reservierung – mit Vorkasse für die Reservierung und einem Versprechen: Was angezahlt ist, wird am Ende von der Rechnung wieder abgezogen. „Die Technik wird bald für uns sprechen“, schätzt auch Emilie Prüser vom Schwerter Freischütz. Ihre Idee: Der Kunde reserviert online und bezahlt vorher, kann direkt von zu Hause aus bestellen oder am Tisch vom Tablet aus. Das spare Zeit und Personal, also Geld. Und schaffe eine Verbindlichkeit zwischen dem Gastronomen und dem König: dem Gast.
Co-Autoren: Torsten Storks, Stefan Diebäcker, Jörg Heckenkamp, Nicole Giese, Dominik Lenze, Gabriela Kyeremateng, Vincent Giavalisco, Björn Althoff, Jürgen Wolter und Christiane Hildebrand-Stubbe