Haltern hat mit einer Schweigeminute der Opfer der Germanwings-Katastrophe gedacht. Viele der Eltern der Halterner Opfer begingen den Jahrestag allerdings nicht in Haltern, sondern in der Nähe der Absturzstelle in den Alpen. Schulleiter Ulrich Wessel hat sie begleitet und schildert die emotionale Zeremonie.
Für die Angehörigen der Absturzopfer, von denen viele den Jahrestag der Tragödie in Frankreich begehen, bedeutet der Jahrestag des Absturzes eine enorme emotionale Belastung, die nur schwer zu ertragen ist. "Das ist noch einmal eine Hürde für uns", sagte eine Mutter im Vorfeld. Deshalb haben sich die Trauernden gewünscht, dass ihr Verweilen vor Ort und die Zeremonie in Le Vernet abgeschirmt von der Öffentlichkeit stattfinden.
Auf ausdrücklichen Wunsch der Eltern der Halterner Opfer hat sie Ulrich Wessel, Leiter des Joseph-König-Gymnasiums, nach Le Vernet begleitet. Nach dem überkonfessionellen Gottesdienst in Marseille am Mittwochabend fuhren die Halterner am Donnerstagmorgen zur Gedenkfeier nach Le Vernet in die Alpen. Dort waren für die Angehörigen, Dorfbewohner und Lufthansa-Mitarbeiter ein riesiges Zelt aufgebaut.
"Sehr bewegende Zeremonie"
"Ein Seitenteil des Zeltes war durchsichtig und gab so den Blick auf das majestätische Bergmassiv, an dem das Flugzeug zerschellt war, frei. Die Zeremonie war sehr, sehr bewegend. Besonders zu dem Zeitpunkt, als die Namen der 149 Opfer verlesen wurden", schildert Wessel seine Eindrücke.
Für die Eltern sei die Reise nach Frankreich, um den Jahrestag dort zu begehen, sehr wichtig gewesen, so Wessel: "Alle Wunden sind wieder aufgebrochen. Für sie war es besonders schmerzhaft, diese Ambivalenz auszuhalten: Auf der einen Seite die wunderschöne Landschaft hier, auf der anderen Seite das Zerstörerische. Einige haben sich zum Bergpass fahren lassen. Vom Massiv aus konnten sie direkt auf die Absturzstelle blicken. Traurig, aber auch beruhigend, weil sie das Gefühl hatten, ihren Kindern nahe zu sein. Es war deshalb für die Eltern sehr wichtig, am Jahrestag nach Frankreich zu reisen.“
Haltern hält minutenlang inne
In Haltern hat am Donnerstag um 10.41 Uhr, dem Zeitpunkt des Absturzes, eine Schweigeminute im Herzen der Innenstadt stattgefunden. Die Bürger der Stadt erinnerten damit an die 16 Schülerinnen und Schüler sowie zwei Lehrerinnen des Halterner Joseph-König-Gymnasiums, die zu den 149 unschuldigen Opfern des Absturzes gehören.
Das Video der Schweigeminute in Haltern:
Die Teilnehmer der Gedenkminute trafen sich auf dem Marktplatz vor der St.-Sixtuskirche, der größten katholischen Kirche der Stadt. Zum Gedenken wurden alle Kirchenglocken der Stadt geläutet.
Mehrere hundert Menschen kamen zusammen. "Als die Glocken anfingen zu läuten wurde es ganz still", schilderte unser Reporter vor Ort seine Eindrücke. Die Stadtspitze um Bürgermeister Bodo Klimpel stellte sich vor der Kirche auf und fasste sich an die Hände. So hielten die Menschen mehrere Minuten lang inne.
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Schweigeminute in Haltern am See
In Haltern hat am Donnerstag um 10.41 Uhr, dem Zeitpunkt des Absturzes, eine Schweigeminute im Herzen der Innenstadt stattgefunden. Die Bürger der Stadt erinnerten damit an die 16 Schülerinnen und Schüler sowie zwei Lehrerinnen des Halterner Joseph-König-Gymnasiums, die zu den 149 unschuldigen Opfern des Absturzes gehören.
Hunderte Menschen gingen nach der Schweigeminute in die Stadtkirche St. Sixtus, um zu beten und sich zu erinnern an die Opfer der Flugzeugkatastrophe vor einem Jahr. Für eine kurze Weile blieb die Welt in Haltern wieder stehen. „Der Schmerz ist heute noch derselbe, er ist vor allem für die Familien ein neuer, ständiger Begleiter“, sagte Pastoralreferent Hans-Jürgen Ludwig.
Totenstille während des Gottesdienstes
18 einzeln aufgebundene weiße Calla standen im Chorraum, dazu die Namen der verstorbenen Schüler und Lehrerinnen, gebettet auf Tüchern in Regenbogenfarben. Als Hans-Jürgen Ludwig die Namen verlas, war es totenstill in der Kirche. Die Gesichter traurig und tränenvoll. „Wir werden ewig an euch denken“, las Bürgermeister Bodo Klimpel später einen Eintrag aus dem Fürbittenbuch vor.
Die Angehörigen, Freunde, Schüler, Lehrer und viele weitere, denen das Jahresgedenken ein Anliegen war, fühlen sich im Gebet vereint mit denen Eltern, die zur gleichen Zeit in La Vernet nahe des Absturzortes beteten. Hans-Jürgen Ludwig: „Wir bauen eine Brücke von hier nach dort bis in den Himmel.“
Bewegende Predigt
In einer sehr bewegenden Predigt suchte Pfarrer Karl Henschel Trost zu vermitteln: „Es bleibt nach dem Verlust eines Menschen eine nicht zu füllende Lücke, die bleiben muss – aus Respekt für diesen einzigartigen Menschen und seine Unverwechselbarkeit. Wir tragen schwer an dem Verlust, der vor einem Jahr so viele Familien in unserer Stadt und weit darüber hinaus getroffen hat. Versuche, das Leben neu zu sortieren, können über den Schmerz und die Leere nach dem Tod eines Kindes, einer Schwester oder einer Freundin keine Brücke bauen. Die Einzigartigkeit dieses Menschen und die Erinnerungen, die man mit ihm verbindet, dürfen nicht ersetzt werden durch welche Ablenkung auch immer.“
Trauer brauche Räume und Zeiten so wie heute in der Kirche. Trauer helfe, um zu verstehen, dass etwas unwiderruflich vorbei sei. Trauer helfe aber auch zu begreifen, wie stark die Liebe sei, sie mache Erinnerungen lebendig und kostbar.
Kerzen am Joseph-König-Gymnasium
Aus dem Gottesdienst nahmen die Besucher alle eine Träne aus Glas mit – sie soll bei der Erinnerung an die Verstorbenen Lichtblicke widerspiegeln und neue Hoffnung machen.
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Trauer am Joseph-König-Gymnasium
Zum Jahrestag der Germanwings-Katastrophe gedenken viele Menschen an der Erinnerungsstätte am Joseph-König-Gymnasium der Absturzopfer.
Schüler der ehemaligen 10. Klasse des Joseph-König-Gymnasiums verteilten vor dem Wortgottesdienst in der Sixtus-Kirche Grablichter. Einer Prozession gleich trugen die Jugendlichen sie nach der Zeremonie in der Kirche zur Gedenkstätte auf dem Schulhof des Joseph-König-Gymnasiums. Ein Meer von Lichtern umgibt jetzt die stählerne Tafel mit den ausgestanzten Namen der 16 Schülerinnen und Schüler sowie der beiden Lehrerinnen, die vor einem Jahr beim Flugzeugabsturz ihr Leben verloren.