Elf neue Monde leuchten über Münster
Tobias Rehberger
Im Magen wird es schon ziemlich mulmig, wenn über einem der Mond von Tschernobyl leuchtet. Entspannter ist es unter dem Mond von Wanne-Eickel. Beide und noch neun andere leuchten seit Sonntag ganz offiziell rund um den Bahnhof von Münster herum. Tobias Rehberger hat die Kugellampen zusammen mit bunten Röhren um Stromkästen herum gebaut. Die Idee dahinter war, die grauen Kästen durch Kunst zu verschönern – und das Viertel aufzuwerten.
Im September 2013 standen die ersten beiden Objekte. Jetzt sind alle elf fertig – geschweißt und installiert von Schmiedemeister Werner Paß aus Havixbeck. Die Skulpturen sind nach Orten benannt: Neben Tschernobyl und Wanne-Eickel sind es Ibiza, Lampertswalde, Taormina, Jökulsárlón, Kyoto, Baku, Jericho, Goa und Alabama. Letzterer gibt dem Projekt auch den Namen: „The moon in Alabama“. Geht der Mond an diesen Orten auf, springt in Münster durch eine Zeitschaltuhr die Mond-Lampe an. „Die meisten Orte haben eine romantische Bezugsgröße zum Mond durch Lieder oder Gedichte“, so Rehberger. „Perfekt zum Händchenhalten.“ Händchenhalten am Bahnhofsvorplatz? Man kann sich Romantischeres vorstellen. „Das hat gewiss auch etwas Ironisches“, gesteht Rehberger. „Doch wenn man sich das vorstellt, mit seiner Freundin Hand in Hand die Bahnhofstraße langzugehen, unter dem Mond zu stehen, dann könnte das eine zeitgenössische Form der Romantik sein.“
Tschernobyl jedenfalls ist auch auf den zweiten Blick nicht romantisch. Der Ort des Super-Gaus von 1986 sticht aus der Idylle heraus. „Das Ganze ist eben nicht nur leicht und seicht, man soll auch anders darüber nachdenken“, erklärt Rehberger. Ergänzt werden die Mondlampen durch knallbunte, mal gestreifte oder gepunktete Röhren. Sie sind unterschiedlich groß und auch unterschiedlich um die Kästen geschlungen, doch sie ergeben immer Sitzgelegenheiten. Versteckt werden die Kästen durch die leuchtenden Farben nicht wirklich: „Sie haben jetzt sogar mehr Präsenz als vorher“, sagt Rehberger. Die comichaften Knallfarben gehen auf die ersten Gedanken Rehbergers zum Projekt zurück: Hinter den Kästen verbergen sich Telefon- und Ampelschaltungen – für ihn eine Art Zugang zu einer anderen Welt. „Ich hatte die Idee einer Unterwelt, ich dachte an das Yellow Submarine und fragte mich, was da unten passiert. Das war der Punkt, an dem ich dachte: Dieses Projekt kann mehr sein als ein paar Stromkästen zu verhübschen.“ Zu finden sind die Skulpturen an der Bahnhofstraße, an der Von-Vincke-Straße, der Engelenschanze, an der Von-Steuben-Straße und am Berliner- und Servatiiplatz. ImStadthaus 1 in Münster liegen Pläne aus, die zu allen Objekten führen.