Ekelmüll-Serie: Ermittler kommen nicht voran
Acht Fälle in der Region
Mehr als drei Wochen ist es her, dass in Schwerte illegal abgekippte Mülltonnen mit verfaulten Küchenabfällen gefunden wurden. Der Auftakt zu einer aufsehenerregenden Serie: Sieben weitere Fälle in der Region wurden bekannt. Ein großer Fund in Essen kam dazu, der Zusammenhang ist unklar. Ermittlungserfolge gibt es nicht. Da drängt sich die Frage auf: Wird der Umweltkrimi überhaupt aufgeklärt?

Ein städtischer Bediensteter kontrolliert am 30.06.2016 auf dem Gelände in Essen die Umgebung. Im Hofgebäude sind Mülltonnen mit stinkendem Abfall entdeckt worden. Das Gewicht der Müllbehälter könne «in den Tonnenbereich gehen», sagte ein Polizeisprecher am Donnerstag.
In der Haut dieses frischgebackenen Grundstückseigentümers möchte niemand stecken: Bei einer Zwangsversteigerung hatte er den Zuschlag für ein renovierungsbedürftiges Zechenhaus samt 2.500-Quadratmeter-Grundstück in Essen-Altenessen bekommen. Was der Käufer nicht wusste: Auf der großen Fläche lagerten mindestens 150 Mülltonnen mit ekelhaften, seit Langem vor sich hin gammelnden Speiseresten. Offenbar hatte der vom Gericht bestellte Gutachter keinen Zutritt auf das verwilderte Gelände, der neue Eigentümer daher keine Ahnung, was seine Vorgänger - ein Ehepaar - ihm hinterlassen hatten. Diese führten früher eine Schweinezucht. Zudem war ein kleiner Entsorgungsbetrieb an der Adresse in der Zweiten Schnieringstraße angemeldet. Und auf die Relikte dieser Zeit war der Käufer nun gestoßen.
Die Alarmglocken schrillten
"Mein Kunde wusste, da ist was, aber nicht, dass es so viel ist", sagte am Freitag Oliver Schlimmer, Makler bei Themsfeldt Immobilien in Essen. Schlimmer sei vor rund zwei Monaten von dem Neu-Eigentümer beauftragt worden, weil dieser Haus und Grund wiederum verkaufen möchte.
Als der Fall in der vergangenen Woche öffentlich wurde, klingelten die Alarmglocken: Schnell stand der Verdacht im Raum, dass der riesige Fund in Essen im Zusammenhang mit den in Castrop-Rauxel, Schwerte, Haltern, Hamm, Sprockhövel, Rheurdt, Witten und Schermbeck illegal verklappten Gammellebensmitteln stehen könnte. Wollte jemand das Grundstück herrichten und hat den Ekel-Müll dabei "für lau" in die Landschaft gekippt, anstatt Tausende Euro für die fachgerechte Entsorgung zu bezahlen?
Nach Angaben des Maklers Oliver Schlimmer sei sein Kunde tatsächlich zunächst ins Visier der Ermittler geraten. "Doch er war es nicht", sagt er. "Eine brenzlige Situation für meinen Kunden", fügt Schlimmer hinzu.
Die Essener Polizei äußert sich dazu nicht oder nur knapp. Mit Bezug auf die acht Fälle in der Region sagte eine Sprecherin am Freitag: "Wir haben keine Hinweise, dass ein Zusammenhang besteht."
Keine Straftat - Ermittlungen abgeschlossen
Überhaupt: Seit dem ersten Fund in Schwerte sind mehr als drei Wochen vergangen. Danach kamen die Fälle Schlag auf Schlag. Immer dasselbe Muster. Mehrere Tonnen mit Küchenabfällen, zum Teil bestialisch stinkend, wurden in der Nähe von Autobahnauffahrten in Böschungen oder neben Wirtschaftswegen verklappt. Von den Tätern keine Spur. Und bis heute gibt es keine Ermittlungserfolge zu vermelden. Grundproblem: Weil jede einzelne Umweltsauerei für sich nur als Ordnungswidrigkeit, nicht aber als Straftat bewertet wird, sind die Ermittlungen der Polizei recht schnell beendet.
Natürlich wissen die Polizisten von den Fällen in den Nachbarstädten oder -kreisen - aber ermittelt wird eben nur beim Verdacht auf eine Straftat. Dass eine Behörde federführend ermittelt, sozusagen den Hut aufbekommt - davon ist mittlerweile auch keine Rede mehr.
Auch das Landesamt für Umwelt- und Naturschutz Lanuv ist bislang im Wartemodus. "Wir warten jetzt die polizeilichen Ermittlungen ab", sagte am Freitag ein Sprecher.
Möglich, dass die Fälle niemals aufgeklärt werden. Und die Städte und Kreise - sowie im Fall Sprockhövel - ein Privateigentümer auf den Entsorgungskosten sitzen bleiben werden.
Bestialischer Gestank - wenn der Deckel geöffnet wird
Beim Recklinghäuser Entsorgungsbetrieb Bolz ist ein Teil des Gammelmülls angekommen. Zum einen ist das Unternehmen derzeit mit der fachgerechten Entsorgung der Speisereste in Essen betraut. Mehr als 150 Abfalltonnen müssen dort abtransportiert werden. Zum anderen haben die Recklinghäuser auch den Wanderparkplatz in Haltern vom Ekelabfall befreit. Vertriebsleiter Artur Hartmann sagt: "In Essen war der Gestank viel schlimmer als in Haltern. Der Zustand der Abfälle war auch unterschiedlich." Während die Tonnen in Essen mit undefinierbarer Masse gefüllt war - von den vielen Maden mal abgesehen -, seien in den Halterner Behältnissen zum Beispiel Eierschalen und Kartoffeln zu erkennen gewesen.
Artur Hartmann erklärt: "Wenn die Tonnen geschlossen sind, wird der natürliche Zersetzungsprozess aufgrund des Sauerstoffmangels angehalten." Würden sie aber geöffnet, setze dieser direkt wieder ein - ein bestialischer Gestank sei die Folge.
Dass die Mülltonnen auf dem Gelände in der Essener Zweiten Schnieringstraße schon lange - Monate, Jahre - vor sich hin gammelten, war recht schnell klar. Offen ist jedoch, wie lange die Ex-Eigentümer ihren Entsorgungsbetrieb führten.
Den Gestank haben die Nachbarn an der Zweiten Schnieringstraße wohl seit Jahren bemerkt. "Es gab mehrfach Beschwerden beim Ordnungsamt", sagt Makler Oliver Schlimmer. Aber passiert sei nichts. "Als Nachbar wäre ich da auf die Barrikaden gegangen."
Auf dieser interaktiven Karte haben wir die ungefähren Fundorte der verklappten Mülltonnen eingezeichnet.