In den ersten Sätzen ist da noch ein bisschen Ruhrgebiets-Romantik mit disneyhaftem Schloss Oberhausen und so. Aber das ändert sich schnell in Maike Bouschens Inszenierung des Romans „Milch und Kohle“ von Ralf Rothmann, die am Freitag am Theater Oberhausen herausgekommen ist. Franziska Isensee nämlich stellt einen riesigen schwarzen Gitterkäfig auf die vernebelte, im Licht kalter Neonröhren erstrahlende Bühne.
Als so ein Käfig erscheint dem Erzähler und Hauptdarsteller Simon seine Kindheit Ende der 1960er-Jahre im Ruhrgebiet, als er zur Beerdigung seiner Mutter Liesel dorthin zurückkehrt. Statt – wie im Roman – chronologisch, erinnert er diese bescheidene und bedrückende kleinbürgerliche Welt in assoziativen Gedankensprüngen.
Weckenbrock gibt tollen Simon
Simon trifft auf die Eltern, die vom Bauernhof auf dem Land (Milch) nach Oberhausen (Kohle) gezogen sind, Bruder Traska und weitere Bezugspersonen seiner Kindheit. Alle sind in der muffigen Welt gefangen. Ausbruchsversuche über die Leitern am Käfiggerüst bleiben erfolglos. Und manchmal macht das sich herabsenkende obere Gitter alles noch viel enger.
Tim Weckenbrock als Simon ist eine Wucht. Mit großer Bühnenpräsenz wechselt er vom sachlichen Berichterstatter zur persönlich involvierten zentralen Person. Dass ihm das so virtuos gelingt, ist umso bemerkenswerter, weil er bis kurz vor der Premiere erkrankt war, sodass alle drei Hauptproben ausfallen mussten.

Zur zweiten Hauptperson macht Regisseurin Maike Bouschen Mutter Liesel. Susanne Burkhard spielt sie als autoritäres Wrack, das sich ihr Stückchen Glück bei Tanzvergnügen und bei Gastarbeiter Gino sucht. Leider vernuschelt sie viele Sätze.
Ein Clou der Inszenierung ist der eingefügte Sprech- und Bewegungschor junger Frauen, welche mit kurzen Einwürfen auf das Geschehen reagieren und es kommentieren. So ergibt sich ein intensives, fast schon klassisches Stück versuchter Vergangenheitsbewältigung.
Weitere Aufführungen
Termine: 28. 9., 6. / 13. / 16./ 26. 10.; Karten: Tel. (0208) 857 81 84.
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