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„Égalité“ - Verzweiflung und Wut lassen einen Vater Rot sehen
Kino 2022
Nach einer Operation ihrer Tochter gerät das Leben einer Familie aus dem Takt. „Égalité“ ist die zweite Regiearbeit von Kida Khodr Ramadan und jetzt neu im Kino.
Es ist ein Routine-Eingriff. Der 14-jährigen Leila werden die Mandeln entfernt. Mutter Aya (Susana Abdul Majid) und Vater Attila (Burak Yigit) bleiben im Warteraum der Berliner Klinik.
Mehrfach werden sie vertröstet, bis sie endlich in den Aufwachraum zu ihrer Tochter dürfen. Aber nichts ist gut: Leila kann nicht mehr sehen, die Ärzte sind ratlos und wollen von einem Kunstfehler nichts wissen. Attila ist verzweifelt, dann immer wütender. Er will den Doktor unbedingt zur Rede stellen.
„Égalité“ ist nach „In Berlin wächst kein Orangenbaum“ die zweite Regiearbeit von Schauspieler Kida Khodr Ramadan („4 Blocks“), der mit Constantin Lieb auch das Drehbuch schrieb. Der Film beschreibt, wie das Leben einer Familie außer Takt gerät, wie ein Vater den Halt verliert und eine fixe Idee ihn übermannt: Leila ist nur blind, weil die Weißkittel es verpfuscht haben.
Was anfängt als Melodram, mausert sich zum Drama und am Ende zum Thriller, als Attila Rot sieht und aufs Ganze geht. Aber: Wirklich einleuchten kann der Tonartwechsel nicht. Das dramatische Finale wirkt geschraubt und überzogen, so gut Burak Yigit den aufgewühlten, angefressenen Vater auch spielt.
Gefühlter Rassismus
Interessanter (und besser umgesetzt) als die bemühte Thrillerseite ist die andere, leisere Dimension des Films. Ramadan erzählt nämlich auch von Rassismus, echtem, eingebildetem, gefühltem. Als gebürtiger Libanese kennt er die Empfindlichkeit von Menschen, die sich benachteiligt sehen, weil sie keine „Bio-Deutschen“ sind.
Ein heikles Thema. Ist es Diskriminierung, wenn Attila am Telefon abgewimmelt wird, als er den operierenden Arzt sprechen will? Lässt es auf Vorurteile schließen, wenn die Krankenschwester ihn „aggressiv“ nennt? Attila versteht es so: „Haben Sie Angst vor dem Kanaken? Bin ich ein Mensch zweiter Klasse?“
Überschießendes Ehrgefühl spielt durchaus eine Rolle, als Attila zu drastischen Maßnahmen greift. In der Abbildung alltäglicher kommunikativer Mechanismen und Missverständnisse liegt die eigentliche Stärke des Films. Leider gerät Ramadans Plädoyer für mehr Sensibilität durch die überzogene Spannungsmache doch sehr ins Hintertreffen.