Don Juan ist in Bochumer Kammerspielen ein plappernder Partyheld Ein seltsames Fragment

Don Juan ist ein plappernder Partyheld: Inszenierung von Staniak
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Don Juan, der literarische Inbegriff männlicher Gier und Anmaßung, hat es aus der höfischen Welt des 17 Jahrhunderts in die Wüste einer wie auch immer gearteten Apokalypse verschlagen. Der Nicht-Ort in einer Nicht-Zeit ist mit einer Metallwand ummantelt, im Mittelpunkt steht ein abgerissener Baracken-Bungalow mit durch Fenster und zwei Videoleinwände zu sehenden verlebten Innenleben.

Inklusive kitschiger Strand-Panoramatapete, Ravioli-Konservendosen-Regal und Pissoir. Ein wahrlich unschöner Ort, der offenbar Heimat geworden ist für das schmale Personal des wirkmächtigen Moliére-Klassikers.

Endzeit-Szenario

In Mateusz Staniaks Inszenierung, Premiere war am Freitag in den Bochumer Kammerspielen, sind die Schauspieler, Victor IJdens als Don Juan, Danai Chatzipetrou als dessen Dienerin Sgarnarelle sowie Dominik Dos-Reis und Michael Lippold, und Musiker George Dhauw gewandet in eklektische Popkultur-Lumpen.

Ein Endzeit-Szenario aus dem Geiste von Punk, Techno-After-Hour und billigen Endzeit-Filmen. Dazu Dosenbier, Zigaretten und andere stimulierende Substanzen. „Don Juan. Am Ende aller Tage nach Moliére“ ist zumindest optisch eindrucksvoll in Szene gesetzt (Bühne: Zaza Dupont, Kostüm: Kevin Pieterse).

Kein strahlender Eroberer

In nur 90 Minuten ohne Pause eilt die Inszenierung des polnischen Regisseurs durch das Drama in der Übersetzung von Benno Besson und Heiner Müller. IJdens Don Juan ist wahrlich kein strahlender Eroberer mit überzeugtem Willen zur radikalen Individualität. Seine verhängnisvollen Liebschaften werden brutal abgehandelt.

Die argumentative Auseinandersetzung über die moralischen Implikationen ist einziger Halt für die Zuschauer im ansonsten zuweilen schwer nachvollziehbaren Bühnengeschehen. Danai Chatzipetrou als besorgte und tragisch an den Liebessüchtigen gekettete Begleiterin Sganarelle sorgt gelegentlich für emotionale Identifikation.

Danai Chatzipetrou als Dienerin Sgarnarelle  in den Kammerspielen in Bochum.
Danai Chatzipetrou als Dienerin Sgarnarelle in den Kammerspielen in Bochum. © Joerg Brueggemann / OSTKREUZ

Offen bleibt aber, was denn verhandelt werden soll. Ein zynischer doch selbstgefälliger Blick auf die gegenwärtige Gesellschaft als Kampfplatz für kaputte Egos? Ja, funktioniert, buchstäblich auf den ersten Blick, doch bleibt diese Lesart an ihrer Oberfläche. Wirkliche Fallhöhe vermittelt sich nicht. Man fragt sich vielmehr, ob ein Don Juan das heutzutage im Theater überhaupt noch hergeben kann. Als plappernder Partyheld mit Rauschmittel-Neigung wird er zur Witzfigur.

Die wieder einmal hochengagierten Schauspieler agieren mit viel Physis, raufen und rollen und toben über die Bühne, die Gitarre jault und kreischt, Punk-Rock darf tatsächlich noch trashiger zelebriert werden als im Vorort-Jugendzentrum.

Braver Applaus

Der toxische Lumpen-Adelige reißt die gesamte Entourage mit in den flammenden, von Sgaranelle befeuerten Abgrund. Warum sich dann die Metallwände im Schlussbild heben, den Blick auf Lichtstelen freigebend, bleibt rätselhaft. Besonders originell ist das Ganze entsprechend nicht, so jung und wild diese Inszenierung sich auch gibt.

In den gut und mit vielen jungen Menschen gefüllten Kammerspielen gibt es am Ende braven Applaus für eine letztlich unfertig wirkende Inszenierung.

Termine: 13. / 27. 12., 4. / 20. 1.; Karten: Tel. (0234) 33 33 55 55.

www.schauspielhausbochum.de

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