Dieses riesige Gemälde steht während der documenta fifteen im Hallenbad Ost der Stadt Kassel. Es ist Teil des Archivs des indonesischen Kollektivs Taring Padi. Die Riesen-Schau öffnet am Samstag, 18. Juni, und dauert bis 25. September

Dieses riesige Gemälde steht während der documenta fifteen im Hallenbad Ost der Stadt Kassel. Es ist Teil des Archivs des indonesischen Kollektivs Taring Padi. Die Riesen-Schau öffnet am Samstag, 18. Juni, und dauert bis 25. September © dpa

documenta ist bunt – und etwas selbst gebastelt

rnKunstausstellung

Am Samstag startet in Kassel die wohl wichtigste Kunstausstellung der Welt. Gruppe aus Indonesien macht bei der 15. Ausgabe der 100-Tage-Schau alles anders.

Dortmund

, 15.06.2022, 18:34 Uhr / Lesedauer: 2 min

So bunt war die documenta in Kassel wohl noch nie. Bei der gigantischen Pressekonferenz, die wegen der mehr als 1000 angemeldeten Journalisten am Mittwochmorgen im Auestadion am Kasseler Stadtrand über die Bühne ging, trugen die Ausstellungsmacher aus Indonesien teils farbenfrohe Kleidung.

„Ruangrupa“ heißt dieses Künstlerkollektiv aus Jakarta, das anstelle eines einzelnen Ausstellungsmachers die Leitung übernommen hat. Und damit ist diese documenta (so der Eindruck nach einem ersten Rundgang) wirklich total anders als ihre Vorgänger – einerseits mit einem leichten Hang zu sichtlich Selbstgebasteltem, andererseits mit wirklich spektakulären Gesamtkunstwerken.

Das Prinzip „lumbung“

Ein Hauch von „lumbung“ weht über der Schau, an der 1500 Künstler und alles in allem sogar 5000 Menschen mitarbeiten. Der Begriff lumbung meint eigentlich eine „Reisscheune“, in der die Einwohner eines Dorfes ihre überschüssige Ernte lagern und verteilen. In Kassel steht er aber für die gerechte Verteilung von Ressourcen, für lokale Verantwortung, Zusammenarbeit und Vertrauen.

Die New York Times hat es gerade treffend „Die Kunst der Kooperation“ genannt. „Darin liegt die Radikalität von Ruangrupa – mit der Gefahr des Nichtgelingens, aber das ist bei jeder documenta so“, sagte Sabine Schormann (Foto), die Generaldirektorin der documenta, in ihrer bunten Jacke mit dem Symbol der vielen Hände. Die Gruppe will Alternativen zum westlichen Kunstmarkt bieten, dessen Profitgier durch Arbeit am Gemeinwohl ersetzen. Das Konzept des Künstlergenies mögen sie nicht. Es sind also fast nur Arbeiten von in Deutschland bislang unbekannten Kollektiven zu sehen.

Fridericianum – Nur für Veranstaltungen

Aber was haben 14 „Ruangrupa-Member“ (Mitglieder) und 54 Künstler und Kollektive nun wirklich an 32 Standorten in der Stadtmitte, in Bettenhausen (Kasseler Osten), in der Nordstadt und entlang des Flusses Fulda aufgebaut? Das Fridericianum zum Beispiel, sonst eine zentrale Anlaufstelle, kann man diesmal vergessen, falls man nicht an einer Veranstaltung teilnimmt. Der ehrwürdige Säulenbau ist nun eine „Gudskul“ – eine Schule, für die verschiedene Kollektive Klassenräume gebastelt haben. Einer hat einen lustigen Brunnen aus Tupperdosen.

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Außerdem befinden sich hier rührend gemachte, aber schwer verständliche Papiercollagen. Das sieht aus, als würde eine gymnasiale Oberstufe ihre Arbeitsergebnisse vorstellen. Da geht der Blick schnell zu den hilfreichen Schildern, auf denen das Lernen durch Freundschaft erläutert wird... Ausnahme: Der Raum von „The Black Archives“ aus Amsterdam stellt Vorurteile gegen Schwarze völlig zu Recht an den Prager. Aber wer ist auf die Idee gekommen, ein paar Räume weiter die Schilder auf Kniehöhe anzubringen?

Tolle documenta-Halle

Da ist die documenta-Halle von anderen Kaliber. Das Wajukuu Art Project erzählt darin von einem Slum in Nairobi. Ein fieser Tunnel führt in einen mit Blech verkleideten Raum – eine düstere Welt, die mit Stacheldraht und vielen Messern an Gewalt und Folter denken lässt.

Um so weißer leuchtet die Arbeit des Kollektivs Baan Noorg aus Thailand, die fröhlich wirkt, aber die Probleme von Milchbauern zeigt. Dazu gehörte eine Skateanlage. Toll!

In den Fuldaauen entsteht gerade noch eine Küche des Britto Arts Trusts aus Thailand mit wunderschönen Dächern und Wänden aus geflochtenem Bambus. Es sind solche Projekte, die diese documenta sympathisch machen und die Tür in eine bessere Zukunft aufstoßen könnten, wenn man sich darauf einlässt. Die gewohnte Leistungsschau ist es nicht.

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