Dieser Klumpen Kinder-Knete soll Kunst sein

Ärger in Hagen

Uwe Will ist mächtig sauer. Er fühlt sich geradezu "verarscht". Der Grund ist die Ausstellung des Künstlers Rainer Maria Matysik in der Galerie Hagenring in Hagen. Die ist nämlich nur ein Haufen Knete. Der Künstler selbst versteht das Problem nicht.

Hagen

von Jens Stubbe

, 13.08.2015, 06:02 Uhr / Lesedauer: 3 min
Uwe Will vor dem "Kunststück".

Uwe Will vor dem "Kunststück".

Im Grunde, so sagt Uwe Will, warte er immer noch darauf, dass Guido Cantz um die Ecke komme, dass man einander um den Hals falle und zusammen herzlich lache. Vom Moderator der Fernseh-Show "Verstehen Sie Spaß?" fehlt auch 48 Stunden nach der Eröffnung der Ausstellung "Les fleures sont mal" noch jede Spur.

Ratloser Blick auf Kinder-Knete

Und so steht der Künstler und Ausstellungsleiter der Hagenring Galerie einigermaßen ratlos im Raum in der Eilper Wippermann-Passage. Er blickt nicht – wie der französische Titel es nahelegen würde – auf verwelkte Blumen, sondern auf einen Haufen Kinder-Knete.

Das Werk muss man sich in etwa so vorstellen, als seien ein Schlumpf und eine Quietscheente mit Überschallgeschwindigkeit frontal zusammengestoßen. Herausgekommen ist dabei ein gelb-bläulicher Haufen aus Kinderknete, der nun ein wenig verloren im Galerieraum steht. Was Uwe Will zu der Aussage verleitet: "Über Kunst kann man immer streiten. Aber da fühle ich mich verarscht."

Kooperation mit Brühler Kunstverein

Die Schau des Berliner Künstlers Reiner Maria Matysik ist Teil einer Kooperation mit dem Brühler Kunstverein. Und die funktioniert so: Wechselseitig schlagen sich die Hagener und die Rheinländer jeweils drei Künstler vor, die zuvor in der eigenen Galerie ausgestellt haben. Aus diesem Trio wählt eine Jury des jeweils anderen Vereins einen Künstler aus, der dann dort ausstellen darf.

Die Hagener wählten aus den Brühler Vorschlägen Matysik. "In seiner Bewerbung haben wir völlig andere Dinge gesehen", sagt Will, "sonst hätten wir nie unsere Zustimmung gegeben." Weil Matysik aus Berlin stamme, habe er nicht, wie sonst üblich, unter der Woche, sondern erst am Samstag anreisen wollen, so Uwe Will weiter. "Ich habe mich am Samstagabend mit ihm an der Galerie getroffen. Da stand er schon mit drei Pappkartons", so Will, "da habe ich noch angeboten, dass ich ihm helfen könne. Er hat aber nur gesagt, dass das nicht nötig sei. Er wollte noch was essen und dann loslegen."

Nur die Bodenplastik

Auch als Uwe Will am Sonntagmorgen kurz vor der Eröffnung an der Galerie erscheint, glaubt er noch an das Gute. "Ich habe noch gedacht, dass Matysik die Besucher der Vernissage vielleicht in das Installieren seiner Werke einbeziehen will", sagt Will. Weit gefehlt: Denn außer einer einzigen Bodenplastik gibt es nichts aufzustellen. "Ich bin ja wirklich tolerant", sagt Uwe Will, "aber das geht eindeutig zu weit." Die Eröffnung endet in einer kontroversen Diskussion um das eigenwillige Werk. "Zum Glück waren nicht so viele Besucher gekommen. Einige sind früher gegangen."

Aus dem Eklat zieht der Hagenring jetzt die Konsequenzen: Die Galerie bleibt jetzt einen Monat geschlossen. "Wir werden niemanden unter unseren Ehrenamtlichen finden, der bereit ist, den Raum zu öffnen und Besuchern das Werk zu erklären", so Will, "außerdem kann man die Skulptur ja auch durchs Fenster betrachten."

2000 Euro für Plakate

Auch die Auslagen für Plakate und den Katalog in Höhe von 2000 Euro will sich der Kunstverein beim Künstler zurückholen. "Er ist vertragsbrüchig geworden", so Will. "Und 1000 Euro für so einen Katalog, der lieblos zusammengetackert worden ist, sind ein Witz." 15 Euro sollte das graue Heftchen in DIN-A-5-Format mit Skizzen und handschriftlichen Hinweisen des Künstlers kosten. Nicht ein einziges, so Will, sei verkauft worden.

Das sagt der Künstler

Die Verantwortlichen des Hagenrings zeigen sich enttäuscht. Können Sie das nachvollziehen?

Reiner Maria Matysik: Nein. Bei der Eröffnung hat es durchaus lebhafte Diskussionen gegeben. Es hat sich ein sehr heterogenes Bild abgezeichnet. Ich hatte nicht den Eindruck, dass diejenigen, die meinem Werk ablehnend gegenüberstehen, in der Mehrheit waren.

Der Hagenring plant, die Galerie zu schließen, weil es an Personal fehlt und man das Kunstwerk durchs Fenster betrachten kann...

Matysik: Davon erfahre ich durch die Presse. Das ist ein absurdes Argument. Beim Hagenring kann man sämtliche Ausstellungen durch die Fenster betrachten. So eine Bodenskulptur erschließt sich erst, wenn man sie von allen Seiten anschaut. Ich erwarte, dass der Hagenring als Vertragspartner seiner Verpflichtung nachkommt und die Galerie zu den Öffnungszeiten zugänglich macht.

Halten Sie ein einziges Kunstwerk in der Galerie für angemessen?

Matysik: Es stehen ja dort eine Bodenplastik sowie drei Stühle im Kreis, die ich vorgefunden habe. Das daraus ein solcher Skandal gemacht wird, kann ich nicht verstehen. Auch wenn nur eine Skulptur in einem relativ kleinem Raum steht, ist das angemessen.

Wollten Sie provozieren?

Matysik: Nein. Darauf lege ich es bestimmt nicht an. Ich will nichts verkaufen, ich will etwas herausfinden. Wenn sich der Hagenring mit meinen bisherigen Ausstellungen und Werken befasst hätte, dann wüsste man: Ich habe nichts gemacht, was untypisch für mich wäre. Dass man jetzt so reagiert, halte ich für eine Zumutung gegenüber dem Künstler. Wenn es eine kuratorische Begleitung gegeben hätte, hätte es keine Überraschung gegeben. Ich habe noch nie ein Geheimnis aus dem gemacht, was ich vorhabe.

Enttäuscht waren die Verantwortlichen auch vom Katalog . .

Matysik: Warum? Das kann ich nicht verstehen. Ich hatte 1000 Euro zur Verfügung, und die habe ich ausgegeben. Es ist ein Katalog entstanden, der bereits Lob vom Fachpublikum geerntet hat. Zudem ist der Katalog vor der Drucklegung dem Hagenring digital präsentiert worden. Sich darüber im Nachhinein aufzuregen, ist ein Witz. Das macht mich wütend.