Szene mit (v. l.) Elisabeth (Astrid Kessler) und Venus (Deirdre Angenent)

Szene mit (v. l.) Elisabeth (Astrid Kessler) und Venus (Deirdre Angenent) © Forster

Die Regie deutet die Figuren in Wagners „Tannhäuser“ in Essen um

rnPremiere im Aalto-Theater

Wenn Venus und Elisabeth sich küssen: Die Essener „Tannhäuser“-Inszenierung im Aalto-Theater deutet die Figuren um und überzeugt aber vor allem musikalisch.

25.09.2022, 16:23 Uhr / Lesedauer: 1 min

Regisseur Paul-Georg Dittrich macht es Wagners Tannhäuser in der gleichnamigen Oper noch schwerer, sich zwischen der verführerischen Liebesgöttin Venus und dem holden Burgfräulein Elisabeth zu entscheiden. Denn in seiner am Samstag am Aalto-Theater recht zwiespältig aufgenommenen Neuinszenierung sind beide so ganz anders als gewohnt, kaum gegensätzlich, und wenn, dann mit Eigenschaften der jeweils anderen.

Dabei werden sie wie alle Charaktere als Menschen von heute gezeichnet, bewegen sich aber in dekorativen Bildwelten aus der Kunstgeschichte (Bühne und Kostüme: Pia Dederichs und Lena Schmid). Venus tändelt im ersten Akt in hochgeschlossenem Kleid mit Tannhäuser herum oder singt aus einer aufgeklappten Brust des überdimensional auf der Bühne liegenden Oberkörpertorsos der Venus von Milo heraus.

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Elisabeth kann ihr erotisches Verlangen nach ihm danach beim Sängerwettstreit in einem – mit Raffael-Fresko der Antike frönenden – Renaissancepalast kaum zügeln.

Venus und Elisabeth leben nicht in getrennten Welten

Sind die Welten von Venus und Elisabeth bei Wagner strikt voneinander getrennt, vermischen sie sich bei Dittrich: Im zweiten Akt tritt überraschend Venus auf und küsst die sich zuvor selbst zur Göttin hochstilisierende Elisabeth.

Im anatomisch-nüchtern gehaltenen Schlussakt, in dem die Figuren hier aus ihren Rollen heraustreten und einander ungerührt beim Spiel zusehen, werden beide Frauen im Sterben eins.

Anstatt einem Hirten taucht ein weißer Engel auf

Damit nicht genug, führt der Regisseur auch noch einen weißen Engel ein, der immer wieder auftaucht und die altgermanische Fruchtbarkeitsgöttin Holda verkörpern soll. Bei Wagner wird diese nur mal kurz von einem Hirten besungen.

Musikalisch ist die Produktion als sensationell zu bezeichnen. Tomas Netopil entfaltet mit den sehr fein und suggestiv klingenden Essener Philharmonikern eine ungeheure Sogkraft.

Daniel Johansson glänzt als Tannhäuser mit großem, heldischen Ton. Deirdre Angenent ist eine klangsatte Venus, Astrid Kessler eine unangestrengte, betörende Elisabeth. Heiko Trinsinger berührt mit seinem Lied an den „holden Abendstern“.

Termine: 28. 9., 1. / 16. 10., 6. / 27. 11., 1. / 16. / 22. 12. 2022; Karten: Tel. (0201) 812 22 00. www.theater-essen.de