Die Fassade bröckelt Yasmina Rezas Erfolgsstück „Der Gott des Gemetzels“

Die Fassade bröckelt
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Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Geschieht das auf einer Bühne, erheitert es das Publikum. In Yasmina Rezas „Der Gott des Gemetzels“ ist der Spaß verdoppelt. Lässt die Autorin doch gleich zwei gut situierte Ehepaare um pädagogische Maßnahmen ringen und ihre Lebensentwürfe verteidigen.

Anstatt „Das Haus im Wald (Horror)“, Regisseur Bonn Park war erkrankt, feierte die Boulevardkomödie am Samstag Premiere im Schauspielhaus Dortmund. Anna Tenti, die im Studio bereits die deutschsprachige Erstaufführung von Nona Fernández‘ „Mädchenschule“ inszeniert hatte, übernahm kurzfristig die Regie für Yasmina Rezas Erfolgsstück.

Pointierte Dialog-Schlacht

Die Paare treffen nicht in einem schick eingerichteten Wohnzimmer aufeinander, sondern auf dem Anwesen der Houilleés: ein Holzhäuschen mit Garten. Denn gespielt wird im Bühnenbild, das Jana Wassong für „Das Haus im Wald (Horror)“ entworfen hatte.

Doch die pointierte Dialog-Schlacht, die in einer leicht gekürzten Textfassung gespielt wird, funktioniert auch in diesem Setting. Denn die Regisseurin Tenti setzt auf Überzeichnung. Passend dazu hat Pina Starke die Paare mit je gleich-farbigen Perücken ausgestattet: Michel und Véronique Houilleé mit roten Haaren und Annette und Alain Reille mit blonden. Hübscher Einfall.

Comic-artiges Agieren

Das Mimen-Quartett muss im leichten Nebel auf die Bühne robben und ab und an comic-artig agieren. Da beißt Lola Fuchs‘ Véronique, deren Sohn zwei Zähne bei der Prügelei verlor, schon mal in ein Tischtuch.

Linda Elsners Annette, Mutter des elfjährigen Übeltäters, ergeht sich in wilden Zuckungen zu Störgeräuschen (Musik: Yotam Schlezinger), bevor sie sich Haferschleim einverleibt und ihn über Véroniques Kokoschka-Katalog verteilt. Und ins Badezimmer tauchen die Protagonisten kopfüber in eine Luke im Boden ab.

Allianzen wechseln

Zunächst sind es nur kleine Sticheleien, doch der Ton wird zunehmend aggressiver, zumal der Alkohol, der aus überdimensionierten Pappkartons verteilt wird, letzte Hemmungen ausschaltet. Der joviale, um Harmonie bemühte Hamster-Mörder Michel, den Linus Ebner virtuos verkörpert, verliert schließlich auch die Contenance und schlägt auf die rosa Kunstkirschblüten der Bäume ein. Seine hysterische Frau wiederum auf ihn.

Denn bei diesem Treffen wechseln ständig die Allianzen. Mal verbünden sich die beiden Männer. Dann lachen die Frauen sie aus ... Anwalt Alain nervt alle mit seinen dauernden Handy-Gesprächen – bis seiner Frau der Geduldsfaden reißt, und sie das Gerät in einer Blumenvase versenkt. Schön anzusehen, wie sich Christopher Heisler vom Macher-Typ in einen erbärmlichen Jammerlappen verwandelt.

Engagiertes Spiel

Ein amüsanter Theaterabend, der zeigt, wie schnell die Fassade der zivilisierten Umgangsformen bröckeln kann. Die Elternpaare, die die vier Schauspieler überzeugend auf die Bühne bringen, sind nicht besser als ihre sich prügelnden Sprösslinge.

Am Ende fehlen dem einen Buben nicht nur zwei Zähne, auch die Ehen haben bei diesem Versöhnungstreffen gelitten. Der Gott des Gemetzels behält eben doch die Oberhand. Viel Applaus für das engagierte Spiel.

Véronique verprügelt ihren Mann
Véronique (Lola Fuchs) drischt auf ihren Mann ein (Linus Ebner), im Hintergrund das Ehepaar Reille (Christopher Heisler und Linda Elsner), das interessiert zuschaut. © Birgit Hupfeld Rottstr.5 44793 B

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