Die Documenta will die ganze Welt erklären

Kunstmesse ab 10. Juni

Alle fünf Jahre bietet Kassel die weltgrößte Schau moderner Kunst. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird die documenta 14 an diesem Samstag, 10. Juni, eröffnen. Dann präsentieren mehr als 160 Künstler bis 17. September ihre Arbeiten an 35 Ausstellungsorten im ganzen Stadtgebiet. In diesem Jahr dürfen die Besucher sogar in die Röhre schauen.

KASSEL

, 07.06.2017, 18:33 Uhr / Lesedauer: 2 min

Alle fünf Jahre meint man außerdem, die Pressekonferenz zur documenta könnte nun wirklich nicht mehr größer werden. Kann sie aber doch.

Gestern sollen es 2000 Journalisten gewesen sein, die in der Kasseler Stadthalle den Ausführungen der 13 (!) Redner lauschten. Kein Wunder, dass dieses Spektakel mehr als zwei Stunden dauerte.

Bewegendes Violinsolo erinnert an syrische Heimat

Der bewegendste Moment fand aber nicht am Rednerpult statt. Mit dem Violinsolo "Quatrain" erinnerte der Geiger Ali Moraly an seine syrische Heimat.

Es steckten Elemente aus Paul Celans "Todesfuge" darin. Das machte deutlich, wie sehr sich diese documenta als ästhetisch-politische Veranstaltung versteht.

Unsicherheit biete jedoch in der Kunst die Chance zur Erneuerung

"Niemand verlässt sein Zuhause, wenn es kein Haifischmaul ist", hatte Kurator Bonaventura Soh Bejeng Ndikung zuvor gesagt. "Wir leben in einem Zeitalter der Unsicherheit."

Eben diese Unsicherheit biete jedoch in der Kunst die Chance zur Erneuerung. Und auch sein Kuratorenkollege Paul B. Preciado sprach davon, in Ausstellungen "die Vitrinen zu zerstören".

Menschen müssen selbst Verantwortung übernehmen

Etwas bescheidener drückte sich der Chef des Ganzen aus. "Lernen muss das Arbeitsprinzip der documenta sein", sagte Adam Szymczyk, künstlerischer Leiter der documenta 14. Die Menschen müssten wieder selber Verantwortung übernehmen.

Große Worte also. Aber folgen ihnen auch große Taten? Löst die documenta 14 den eigenen politischen Anspruch ein?

Drei Beispiele, in denen das gelingt:

  • Der Künstler Hiwa K. flüchtete aus dem Irak in einem LKW, der Rohre geladen hatte. Daraus entstand auf dem Friedrichsplatz ein Kunstwerk, das auf den ersten Blick aussieht, als bekäme Kassel eine neue Wasserversorgung. Aber in jedem der 20 Rohre stecken unglaublich liebevoll und detailreich gestaltete Räume - eine Bibliothek, ein Badezimmer mit Toilette, aber auch eine Zelle. "When We Were Exhaling Images" (wörtlich: Als wir Bilder ausatmeten) heißt das Ganze - und ist grandios.
  • Noch größer ist der "Parthenon der Bücher", der Hingucker dieser documenta. 66 Meter lang, 20 Meter hoch, 30 Meter breit und bislang mit 40000 Büchern bestückt, die alle irgendwann einmal irgendwo verboten waren. Germanisten der Universität Kassel prüfen das - und Künstlerin Marta Minujín will damit grundsätzlich gegen das Verbot von Texten protestieren. Allerdings ist eine Seite des Riesen-Tempels noch sehr kahl, Bücherspenden werden dringend erbeten.
  • "Die Mühle des Blutes" von Antonio Vega Macotela aus Mexiko ist eine ebenfalls gigantische, voll funktionstüchtige Rekonstruktion einer Münzprägemaschine, die von den Sklaven spanischer Kolonialisten betrieben werden musste. Das hölzerne Ungetüm steht vor der Orangerie.

Athener Sammlung wurde nie eröffnet

Doch an anderer Stelle fehlen große Gesten. Im Fridericianum zum Beispiel ist die Sammlung des "Athener Nationalen Museums für Zeitgenössische Kunst" (EMST) zu sehen, das aufgrund fehlender Finanzmittel nie eröffnet wurde.

Eine interessante, aber keine herausragende Sammlung. Auch in der documenta-Halle fehlen große Namen.

Prominenter Filmemacher bleibt unerkannt

Immerhin arbeitet in der Orangerie ganz bescheiden und weitgehend unerkannt der prominente deutsche Filmemacher Romuald Karmakar ("Der Totmacher").

Der 52-Jährige zeigt hier seine Video-Arbeit "Byzantion". Mönche aus Griechenland und dem russischen Kloster Valaam singen den Marienhymnus "Agni Parthene". "Ich glaube, dass es eine Spaltung zwischen dem Osten und dem Westen Europas gibt", erklärt Karmaker warnend.

In unpolitisch schöner Moment den Mönchen lauschen

Politik hin oder her: Hier zu sitzen, dem Gesang der Mönche zuzuhören und den Blick aus der Orangerie über die grüne Karlsaue zu genießen, ist ein ganz unpolitisch schöner Moment.

Geöffnet ist die documenta vom 10.6.-17.9., 10-20 Uhr, Ticketschalter schließen 30 Minuten vorher.
Eintrittspreise: Tageskarte 22 (ermäßigt 15) Euro, Zweitageskarte 38 (erm. 27) Euro, Abendkarte ab 17 Uhr 10 (erm. 7) Euro.
Hilfe bei der Hotelreservierung über Kassel Marketing unter Tel. (0561) 70 77  07.