Die „digiloge“ Direktorin - Kirsten Baumann ist neue Leiterin des LWL-Industriemuseums

© Julia Gehrmann/LWL

Die „digiloge“ Direktorin - Kirsten Baumann ist neue Leiterin des LWL-Industriemuseums

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Sie will das Thema Industriekultur neu denken: Kirsten Baumann ist die neue Leiterin des LWL-Industriemuseums mit acht populären Standorten.

Dortmund

, 22.02.2022, 13:05 Uhr / Lesedauer: 2 min

Der Opa, der seinem Enkel den einstigen Arbeitsplatz auf dem Pütt zeigt, gehörte über Jahrzehnte zu den Stammgästen an den Orten der Industriekultur. Doch den Bergbau gibt es in Deutschland nicht mehr und, seien wir ehrlich, auch ehemalige Kumpel sind seltener unterwegs. Wie also müssen sich die Orte der Industriekultur verändern? Wie kann das Narrativ, also die grundlegende Erzählung im Museum, moderner werden?

Genau vor dieser Frage steht Kirsten Baumann (58), die neue Direktorin des Industriemuseums des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) mit seinen acht Standorten überall im Ruhrgebiet. Aus ihrem Büro schaut sie auf einen der schönsten Gebäudekomplexe, nämlich die Jugendstil-Ikone Zeche Zollern in Dortmund. Eine Wand ihres Büros strahlt in kraftvollen Rot.

Nach vorne schauen

Und kraftvoll, mit viel Energie und ohne Umschweife spricht auch die „Neue“. „Die Zeitzeugengeneration verabschiedet sich“, sagt sie im Gespräch mit dieser Zeitung. Das Museum befinde sich längst in einem Prozess der Veränderung: „Bisher haben wir zurückgeblickt. Jetzt schauen wir nach vorne zu den Auswirkungen der Industrialisierung.“

Der Beweis dafür sind die anstehenden Ausstellungen. So soll es noch in diesem Jahr eine Schau zur Energiewende auf der Henrichshütte in Hattingen geben, die selbst als Dinosaurier des Kohle-Zeitalter gelten darf. Die Aktion „Futur 21“ wird viele Standorte im März spektakulär neu und zeitgemäß in Szene setzen – vor allem mit Lichtkunst. 2024 wird es um „Postkoloniale Verflechtungen in Westfalen“ (Arbeitstitel) gehen – ein Thema also, das unsere Weltsicht derzeit stark beeinflusst. Baumann: „Wir entwickeln uns von technikorientierten zu kulturhistorischen Häusern.“ Zum modernen Titel „Erlebnismuseum“ sagt die Wissenschaftlerin mit Doktortitel allerdings: „Das sind wir doch schon lange.“

Kreative Mitarbeiter

Kreativität gebe es unter ihren 320 Mitarbeitern genug, sagt Baumann. „Es macht Spaß, das zusammenzubringen.“ Sie weiß das genau, weil sie schon seit dem vergangenen Sommer nach dem Fortgang ihres Vorgängers Dirk Zache – er ist jetzt künstlerisch tätig – kommissarisch am Ruder stand und schon seit März 2021 seine Stellvertreterin war.

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Baumann stammt aus Hannover, hatte aber in Bochum Kunstgeschichte und Geschichte studiert, war auch am Museum Folkwang in Essen und am Museum für Kunst und Kulturgeschichte in Dortmund tätig. Ihren Freundeskreis aus dieser Zeit hat sie sich erhalten können, obwohl sie zwischenzeitlich das Hamburger Museum für Arbeit und das Schleswig-Holsteinische Landesmuseum Schloss Gottorf geleitet hatte.

Eine tolle Karriere? „Das war nie mein Ziel“, antwortet Baumann. „Ich wollte immer schöne Jobs haben, habe Mut und bin flexibel.“ Über das Ruhrgebiet sagt sie: „Das war wie ein Nachhausekommen.“ Ihre schöne Wohnung in Lütgendortmund unweit des Dienstsitzes auf Zeche Zollern trägt dazu bei.

Neue Teams gebildet

Aber Zollern macht eben nur ein Achtel ihres Jobs aus. Ihre Verantwortung umfasst auch das Schiffshebewerk Henrichenburg in Waltrop, die Henrichshütte Hattingen, die Zeche Nachtigall in Witten, die Zeche Hannover in Bochum, das TextilWerk Bocholt, das Ziegeleimuseum Lage und die Glashütte Gernheim in Petershagen. Vor Corona kamen insgesamt etwa 500.000 Besucher pro Jahr.

Veränderungen hat sie bereits angestoßen. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter, die vorher zentral auf Zollern gearbeitet haben, sind an „ihre“ jeweiligen Standorte versetzt worden. Zudem wurden Museumspädagogen und -pädagoginnen eingestellt. „Wir haben überall schlagkräftige Teams gebildet“, sagt Baumann und bedankt sich für den Stellenzuwachs bei LWL-Kulturdezernentin Barbara Rüschoff-Parzinger.

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Bei der Gestaltung der acht teils riesigen Areale rund um die jeweiligen Gebäude sei noch „Luft nach oben“, meint Baumann selbstkritisch. Auf längere Sicht soll man sich dort mit Hilfe von Apps bewegen können, aber auch ganz analog mit guten Schildern. Kirsten Baumann ist nämlich klar, dass junge, technikaffine Besucher und Besucherinnen ganz andere Bedürfnisse haben als ältere Gäste. Die neue Direktorin betont: „Ich arbeite digilog“ – also digital und analog zugleich.