Die Abschaffung der Geschlechter
In unserer Gesellschaft gibt es zwei Geschlechter, Frauen und Männer. Es ist nun aber auch eine dritte Möglichkeit im Gespräch. Darüber berichtet eine TV-Doku.

Männer, Frauen und eine dritte Möglichkeit: 3sat zeigt eine Dokumentation über Geschlechter-Rollenbild. Foto: Jens Kalaene
Seit jeher existieren in unserer Gesellschaft zwei Geschlechter. Frauen und Männer passen angeblich (laut Loriot) nicht zusammen, versuchen es aber immer wieder miteinander.
Nun gäbe es da neuerdings noch eine dritte Kategorie, irgendetwas dazwischen. Was das biologisch, gesellschaftlich, medizinisch und ethisch bedeutet, beleuchtet die Dokumentation mit dem Titel „Die Abschaffung der Geschlechter“, die an diesem Mittwoch (20.15 Uhr) auf 3sat zu sehen ist.
Was ist denn wohl typisch Frau, was ist typisch Mann? Die Konfusion zwischen diesen beiden Geschlechtern über ihr jeweiliges Rollenbild ist mindestens so lange so groß, wie es sie gibt. Der Autor und Kolumnist Harald Martenstein hat als Kind gern mit Puppen gespielt, die er von seiner Oma geschenkt bekam, und ist der Ansicht, „dass dieses Rollenbild schon seit den 70er Jahren als Karikatur empfunden wird“. Sein kleiner Sohn trägt gerne rosa Ballettkleidchen.
Eva Blimlinger, die Rektorin an der Akademie der bildenden Künste in Wien, weist dennoch auf feste Rollenbilder bei bestimmten festlichen Ereignissen hin und meint, dass „die Spielzeugindustrie in den letzten Jahren wieder vermehrt auf die bekannten Stereotypen setzt, allein was die Farbgebung anbelangt“. Die beiden sitzen im Film in einer Theaterloge und wirken ein wenig wie „Statler und Waldorf“ aus der Muppet-Show.
In der Doku zu sehen ist ein junger bärtiger Mann, der einen halben Tag lang in seinem Gesicht herummalt, sich verkleidet und dies als Kunstform betrachtet. Ben (26) bietet - auch als Kunstfigur einer Dragqueen - Führungen durch das Kunsthistorische Museum in Wien an. Er freut sich über die ungeteilte Aufmerksamkeit der Besucher, die extra seinetwegen gekommen sind, berichtet aber auch von verstörten Blicken in der U-Bahn - und er meint, dass „wir alle uns gegenseitig nicht zu stark in irgendwelche Rollen drücken sollten“.
Die Filmautorinnen Constanze Grießler und Franziska Mayr-Keber haben ihren Film mit einer hübschen Prise Humor versehen, aber auch mit vielen Fakten. Sie stellen die Frage nach dem Sinn der Quotenregelung, sie zeigen alte und neue Werbefilme, die sich kaum unterscheiden. Und sie erwähnen, dass bis zu 1,7 Prozent der Weltbevölkerung (nach Angaben der UNO) intergeschlechtlich geboren werden, das heißt sie lassen sich hinsichtlich innerer und äußerer Geschlechtsorgane, Chromosomen und hormoneller Struktur keiner klaren Geschlechtsordnung zuweisen.
Der Kärntner Unternehmer Erik Schinegger (70) wurde 1966 noch mit Erika angesprochen und folglich Skiweltmeisterin im Abfahrtslauf. Er dachte damals jedoch, dass er überhaupt kein Geschlecht habe. Mit 20 Jahren entschied er sich - gegen viele Widerstände - zu einer Operation seiner nach innen gewachsenen männlichen Geschlechtsorgane, eines sogenannten Pseudohermaphroditismus. Er wurde beleidigt und beschimpft, aber er hat immer zu sich gestanden und sagt: „Das kann man nicht verordnen, das muss ein jeder für sich spüren und fühlen“.
Die Gesellschaft ist es gewohnt, alles zu kategorisieren - Mann und Frau, rosarot und blau - und zu typisieren, insbesondere in Dokumenten. Im deutschen Personenstandsrecht, so entschied das deutsche Bundesverfassungsgericht 2017, muss es künftig neben „weiblich“ und „männlich“ eine „dritte Option“ im Behördenregister geben. Das würde bedeuten, dass es allenthalben künftig drei oder noch mehr verschiedene öffentliche Toiletten geben müsste. Ob das allein schon baulich durchführbar wäre, sei ebenso dahingestellt wie die Frage, ob Komplimente künftig richtig gemeint und überhaupt noch angesagt sind.
Fest steht: Was bislang als „normal“ gilt, wird gerade neu definiert - und da ist unser aller Verständnis gefordert.