Deutsches Multi-Kulti-Team: Von Kirgisistan bis Tschad

<p>Multi-Kulti ist auch in der deutschen Leichtathletik längst Normalität. Die Wurzeln der deutschen WM-Teilnehmer reichen von Kirgisistan bis Sansibar. Hochspringerin Marie-Laurence Jungfleisch zum Beispiel ist in Paris geboren, ihr Vater stammt aus Martinique.</p>

Moskau (dpa)

von Von Ulrike John, dpa

, 15.08.2013, 13:13 Uhr / Lesedauer: 2 min

Marie-Laurence Jungfleisch startet bei der WM im Hochsprung. Foto: Robert Ghement

Marie-Laurence Jungfleisch startet bei der WM im Hochsprung. Foto: Robert Ghement

Als Charles Friedek 1999 als erster dunkelhäutiger Leichtathlet für Deutschland einen WM-Titel gewann, galt das als Sensation.

Es waren damals noch andere Zeiten. Wenige Minuten nach seinem Triumph in Sevilla beklagte sich der Dreispringer bitterlich über Rassismus. Solche Themen kamen beim Stabhochsprung-Weltmeister Raphael Holzdeppe diese Woche erst gar nicht groß auf. Das schwarz-rot-goldene Team in Moskau ist vor allem ein buntes - und Multi-Kulti inzwischen Normalität.

Stabartistin Lisa Ryzih kam 1992 mit ihrer Familie als Aussiedlerin nach Deutschland. Der Vater von Malaika Mihambo stammt aus Sansibar. Ihre Weitsprung-Kollegin Sosthene Moguenara ist im Tschad geboren, Mittelstreckenläuferin Diana Sujew in Riga/Lettland. Der äthiopische 1500-Meter-Spezialist Homiyu Tesfaye wurde kürzlich in Deutschland eingebürgert. Die Eltern von Sprinterin Yasmin Kwado kommen aus Ghana - so international ist die deutsche Leichtathletik inzwischen.

Für Thomas Kurschilgen, Sportdirektor des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), ist das «völlig normal und selbstverständlich und nichts Besonderes». In der Welt der olympischen Kernsportart sowieso. Bei der WM im Luschniki-Stadion tummeln sich insgesamt knapp 2000 Teilnehmer aus 206 Ländern. Und im Alltag? «Natürlich trifft man manchmal dumme Leute», sagt Holzdeppe. Aber im Grunde habe er «Glück gehabt». Der 23-Jährige wurde im Alter von zwei Jahren von einem Ehepaar aus Kaiserslautern adoptiert. Fragen nach seinen Wurzeln weist er freundlich, aber bestimmt zurück.

Bei Weltmeister Friedek hörte sich das ganz anders an. Als GI-Kind sei er oft wegen seiner Hautfarbe gehänselt worden, klagte der in Gießen geborene Dreispringer damals. Im Sport habe er Anerkennung gesucht, die er sonst vermisste. «Wenn man zu Hause als Farbiger im Trainingsanzug durch die Innenstadt läuft, gilt man als Asylant», berichtete er von rassistischen Diskriminierungen. «Am schwierigsten ist es, in Köln in eine Disco rein zu kommen.»

Hochspringerin Marie-Laurence Jungfleisch haben einst zwar Hänseleien zu einem Schulwechsel bewegt. «Heute bin ich froh, dass ich Mulatin bin, früher war das nicht so», sagt sie in einem Interview der «Stuttgarter Zeitung» und erklärt: «Beim Sport ist das überhaupt kein Thema. Es gibt eine Menge dunkelhäutiger Athleten, die Wettkämpfe sind international.»

Athletinnen wie Jungfleisch können zudem mit einer interessanten Vita aufwarten. Ihr Vater stammt von der Karibikinsel Martinique, sie ist in Paris geboren, in Freiburg aufgewachsen, hat fünf jüngere Geschwister und gerade eine vierjährige Ausbildung als Erzieherin beendet.

Einer, der Toleranz und Teamgeist vehement fördert in der Nationalmannschaft, ist Idriss Gonschinska. Seine private Vergangenheit macht der leitende Bundestrainer äußerst ungern zum Thema, dabei hätte er viel zu erzählen. Seine Mutter ist Leipzigerin mit polnischen Wurzeln, sein Vater kam einst als Student ins Land - aus Mali und musste wieder nach Afrika, als Gonschinska drei Jahre alt war. Ein Zurück in die DDR gab es nicht. Gonschinska war damals der einzige in seiner Schule, der eine andere Hautfarbe hatte. «Sich beklagen ist so negativ, nicht zielgerichtet», sagte der Nelson-Mandela-Fan einmal, und meinte nur: «Heute herrscht da große Toleranz.»

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