Die Aussagen des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz über den Umgang mit der AfD auf kommunaler Ebene sind auf viel Kritik gestoßen. Vielerorts distanzieren sich Politiker und Politikerinnen der Union und der anderen Parteien von der AfD, doch es gibt auch Gegenbeispiele, insbesondere auf kommunaler Ebene.
Thüringen
In Thüringen wurde am 24. September 2020 der AfD-Politiker Reinhard Etzrodt zum Vorsitzenden des Stadtrates in Gera gewählt - mit 23 von 40 Stimmen, obwohl seine Fraktion selbst nur 12 Sitze hat. Politiker von Linkspartei, SPD und Grünen warfen der CDU vor, bei der geheimen Abstimmung mit der AfD kooperiert zu haben.
Der damalige CDU-Landeschef Christian Hirte wies die Vorwürfe entschieden zurück: „Die CDU hat sich in der Fraktion klar darauf verständigt, den AfD-Kandidaten nicht zu wählen.“ Genau so sei dies auch erfolgt. Auch die damalige CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer bestritt, dass Etzrodt Stimmen aus der CDU bekommen hat.
In Hildburghausen wurde im Februar 2023 der Linke-Politiker Tilo Kummer per Bürgerentscheid als Bürgermeister abgewählt. Kummers Abwahl war von Stadträten der AfD, SPD, der Wählergemeinschaften Feuerwehr und Pro HBN sowie eines Stadtrats der rechtsextremen Gruppierung Bündnis Zukunft Hildburghausen in Gang gesetzt worden. Das löste Kontroversen vor allem innerhalb der Thüringer SPD aus. Thüringens SPD-Chef und Innenminister Georg Maier sprach von einem großen politischen Flurschaden.
Mecklenburg-Vorpommern
In Mecklenburg-Vorpommern schließt Landesparteichef Franz-Robert Liskow zwar Kooperationen mit der AfD grundsätzlich aus. Dass CDU und andere Parteien für Anträge der rechten Partei stimmen, ist dort in Kommunalparlamenten allerdings längst Alltag, wie die Ostsee-Zeitung berichtet.
Demnach wurde zuletzt im Landkreis Rostock für einen AfD-Antrag über den Umgang mit Stasi-Mitgliedschaften von Kreistagsmitgliedern gestimmt. „Wir können diese 15 bis 20 Prozent der Stimmen, für die die AfD steht, nicht ausgrenzen, das halte ich für gefährlich“, sagt Axel Wiechmann, CDU-Fraktionsvorsitzender im Landkreis Rostock, dazu.
Für Aufsehen sorgte laut Ostsee-Zeitung im Frühjahr die Stralsunder AfD mit einem „Gender-Verbot“ für die Verwaltung, das mithilfe von Stimmen der CDU/FDP-Fraktion und des Wählerbündnisses „Bürger für Stralsund“ beschlossen wurde.
Rheinland-Pfalz
Die pfälzische Gemeinderätin Monika Schirdewahn bildete 2019 im Gemeinderat von Frankenstein im Kreis Kaiserslautern trotz eines De-facto-Verbots durch die damalige CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer eine Fraktionsgemeinschaft mit dem AfD-Vertreter, zugleich ihr Ehemann. Beide waren in der kommunalen Vertretung die jeweils einzigen Vertreter ihrer Parteien. Schirdewahn hatte die Zusammenarbeit mit einem Streit um die Trinkwasserversorgung eines örtlichen Wohngebiets begründet. Sie wurde im Oktober 2019 aus der CDU ausgeschlossen.
Sachsen
Mitte Dezember 2022 stimmte die CDU im Kreistag von Bautzen einem Antrag der AfD zur Flüchtlingspolitik mehrheitlich zu und stand deshalb schwer in der Kritik. Während CDU-Landrat Udo Witschas den Beschluss verteidigte, gingen Vertreter von Linke, SPD, Grünen und auch der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag auf Distanz.
Grünen-Innenpolitiker Valentin Lippman sah in dem gemeinsamen Stimmverhalten den Beleg dafür, dass es die Brandmauer gegen Rechts bei der CDU nicht gebe. Bei dem Beschluss des Kreistages ging es um die Überarbeitung von Leitlinien für die Integration Geflüchteter.
Sachsen-Anhalt
Im Magdeburger Stadtrat gewann die AfD im Oktober 2020 die fast ungeteilte Zustimmung aller Parteien für den Vorschlag eines Pilotprojekts für Kita-Schwimmkurse. Das war damals ein Novum, der einem „Ratsbann“ gegen Initiativen aus dem rechten Lager widersprach, wie die „Magdeburger Volksstimme“ später meldete.
Brandenburg
In der Lausitzer Stadt Forst (Spree-Neiße) stimmten die Stadtfraktionen der Linken und der AfD im Mai 2020 einem Antrag der Fraktion „Gemeinsam für Forst“ zu, der einen Neubau für einen Jugendclub vorsah. Der damalige Fraktionschef der Linken in Forst, Ingo Paeschke, hatte in diesem Zusammenhang einen gemeinsamen Auftritt mit der AfD auf einer Pressekonferenz, der für viel Aufsehen sorgte.
Der Landesvorstand der Linken forderte Paeschke daraufhin zum Rücktritt auf, weil es für die Linke keinerlei Zusammenarbeit mit der AfD geben dürfe. Ein Parteiausschlussverfahren wurde eingeleitet. Die Landesschiedskommission der Brandenburger Linkspartei schloss Paeschke letztlich aus der Partei aus.
In Bestensee im Kreis Dahme-Spreewald brachte die CDU-Fraktion im Dezember 2020 gemeinsam mit der AfD und den Unabhängigen Bürgern (UBBP) einen Antrag ein. Es ging darum, eine Montessori-Grundschule aus Königs Wusterhausen nach Bestensee zu holen.
Der Antrag wurde von der Gemeindevertretung mit großer Mehrheit beschlossen. Der CDU-Landesvorstand distanzierte sich ausdrücklich von dem gemeinsamen Antrag. Brandenburgs damaliger CDU-Generalsekretär Gordon Hoffmann kritisierte das gemeinsame Vorgehen mit der AfD.
Weiter Debatte über Umgang mit AfD
Die Kritik an CDU-Chef Friedrich Merz wegen Äußerungen zum Umgang seiner Partei mit der AfD auf kommunaler Ebene reißt derweil nicht ab. Der CDU-Politiker und ehemalige saarländische Ministerpräsident Tobias Hans zweifelte die Eignung von Merz als Kanzlerkandidat der Union an und attestierte dem Parteichef mangelnde Führungsstärke. Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) sieht Merz hingegen nicht als beschädigt an.
Äußerungen von Merz im ZDF-Sommerinterview zum Umgang mit der AfD auf kommunaler Ebene waren von vielen als Aufweichung der klaren Abgrenzung der CDU zu der rechtspopulistischen Partei interpretiert worden. Merz nannte am Montag solche Vorwürfe abwegig und machte deutlich, dass der Unvereinbarkeitsbeschluss seiner Partei gelte und es auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD gebe.
Für seine Äußerungen vom Sonntag hatte der Parteichef auch in den eigenen Reihen viel Kritik geerntet. Der CDU-Politiker Hans sagte dem Magazin „Stern“ auf die Frage, ob Merz noch der richtige Vorsitzende sei: „Mittlerweile muss man vor jedem Sommerinterview zittern, weil man nicht weiß, was am Ende dabei herauskommt. Ich möchte mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass ein von der CDU gestellter Bundeskanzler solche Sorgen hervorruft.“
Der ehemalige Ministerpräsident fügte hinzu: „Und wenn jemand das erklärte Ziel hatte, die AfD zu halbieren - und die sich dann aber locker verdoppelt - dann ist das zumindest kein Ausweis für Erfolg.“
Reul: Merz-Aussagen missverständlich
Für Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) sind die Äußerungen von Merz „missverständlich“ gewesen und „haben zu Problemen geführt.“ Reul betonte am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin, man müsse eine klare Grenze zur AfD ziehen. „Die Leute müssen wissen, warum wir die AfD problematisch finden. Wenn die Leute merken, was da für ein Gehampel da im Moment unterwegs ist, dann sagen die Leute „Ja Gott, die können es alle nicht“. Und dann wählen sie die AfD.“
Auf die Frage, ob Merz noch die richtige Person für das Amt als CDU-Vorsitzender ist, antwortete Reul: „Er ist der gewählte Vorsitzende von Fraktion und von Partei, und damit hat sich das.“ Er betrachte den Fall nun als „in der Sache geklärt“, da Merz noch einmal klargestellt habe, was er wirklich gemeint habe.
dpa/rej
Nach heftiger Kritik: Merz rudert bei AfD-Aussage zurück
NRW-CDU pocht auf klare Trennlinie zur AfD: Wüst schweigt zu Merz-Äußerungen
AfD in zwei Bundesländern stärkste Kraft: Gauland zweifelt an Kanzlerkandidatur