Darknet: Nur ein Tummelplatz für Kriminelle?

NRW will stärkere Verfolgung

NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) fordert schärfere Strafen für den Handel mit verbotenen Waren im sogenannten Darknet. Doch was ist dieses "dunkle Internet" überhaupt? Wie kommt man dort rein und ist die Nutzung wirklich illegal? Wir klären die wichtigsten Fragen.

DÜSSELDORF

, 16.11.2016, 12:06 Uhr / Lesedauer: 3 min
Wegen illegalen Waffenhandels im Darknet muss ein Berliner für vier Jahre ins Gefängnis. Foto: Silas Stein

Wegen illegalen Waffenhandels im Darknet muss ein Berliner für vier Jahre ins Gefängnis. Foto: Silas Stein

"Das Darknet ist der Online-Shop für Kriminelle", sagte NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD). „Wir brauchen Gesetze, die jede Gelegenheit zum Handel mit verbotenen Waren im Internet unter Strafe stellen." Auch der Angreifer des Amoklaufs von München im Juli soll seine Tatwaffe im Darknet erworben haben - eine fürs Theater entschärfte, dann aber wieder scharf gemachte Waffe. Mit der Pistole erschoss er neun Menschen und sich selbst.

Das Darknet ist jedoch kein reiner Tummelplatz für Kriminelle. Der Chaos Computer Club (CCC) warnt, die anonymen Bereiche des Internets zu verteufeln. "Das Bedrohungsszenario, das von deutschen Behörden gezeichnet wird, ist nicht sehr realistisch", sagte Linus Neumann vom CCC. In der realen Welt wäre der Kauf der illegalen Waffe wahrscheinlich sehr viel schneller gegangen. Der Umfang des Drogen- und Waffenhandels im "Darknet" sei weitaus geringer als derjenige außerhalb des Internets.

Doch was ist das Darknet, wie funktioniert es und ist die Nutzung legal? Wir klären die wichtigsten Fragen:

Was ist das Darknet?

Das "Darknet" (Englisch: dunkles Netz) ist ein verborgener Teil im auf offenen Austausch angelegten World Wide Web und nach Einschätzung von Fachleuten stark gewachsen. Es ist eine Art virtueller Hinterraum für Eingeweihte, der anders gebaut ist als das offene Internet. Das Darknet, manchmal auch "Deep Web" genannt, ist ein Teil des Internets, der nicht durch Suchmaschinen erfasst wird. Die Inhalte dort sind vom "Visible Web" weitgehend isoliert. Das Darknet zeichnet sich außerdem dadurch aus, dass die Kommunikation grundsätzlich anonym abläuft. 

Warum ist das Darknet anonym?

Das liegt daran, dass es keine zentralen Server gibt, auf denen die Daten liegen. Stattdessen werden die Computer aller Nutzer selbst zum Server und sorgen dafür, dass der Datenverkehr fließt - die Nutzer bilden also untereinander ein Netzwerk. Da jeder Nutzer Teil des Netzwerks ist und Datenpakete weiterleitet, kann nicht mehr ohne weiteres nachvollzogen werden, wer denn der eigentlich Absender war, da jeder Computer nur mit einem weiteren kommuniziert - das "Stille-Post-Prinzip" also. Wie gut die Verschlüsselung wirklich ist, hängt aber auch vom Nutzer ab. Wer sich in bestehende Konten einloggt, die er auch im "normalen" Netz nutzt, kann von Geheimdiensten identifiziert werden. 

Jetzt lesen

Wie bekomme ich Zugang zum Darknet?

Man benötigt nur eine spezielle Software, den sogenannten "Tor-Browser", der anonymes Surfen ermöglicht. Tor stand dabei ursprünglich für "The Onion Router" und verdeutlicht, dass alle Kommunikation mehrmals umgeleitet wird, um alle Spuren zu verwischen. Jede Kommunikation hat also mehrere Schichten - wie eine Zwiebel. Der Tor-Browser sieht oberflächlich genauso aus wie der Firefox-Browser und kann auch das "normale" Internet ansteuern. Damit ist es aber auch möglich, Seiten des Darknets zu besuchen. Dafür muss man deren Adresse jedoch kennen, da sie ja nicht von Suchmaschinen erfasst werden. Es gibt jedoch Seiten, die Linksammlungen von Darknet-Seiten anbieten und die von Google gefunden werden.

Was für Inhalte bietet das Darknet?

Theoretisch kann jeder Betreiber einer Website dafür sorgen, dass seine Inhalte nicht von Suchmaschinen erfasst werden können und damit nur über das Darknet erreichbar sind. Beispiele dafür sind Datenbanken von Bibliotheken. Die Anonymisierung der Kommunikation ist jedoch gerade für Verfolgte wichtig, argumentiert der Chaos Computer Club' tag='. Auch Edward Snowden hatte seine Enthüllungen über einen Tor-Browser an Medien verschickt. Journalisten, Freiheitskämpfer und andere können sich so vor Geheimdiensten und Privatunternehmen schützen.

Die Anonymität zieht natürlich auch Kriminelle an, die im Darknet mit Waffen oder vor allem Drogen handeln. Das Problem für diese Händler: Die Waren müssen früher oder später noch persönlich übergeben werden. Der 31-Jährige, welcher dem Amokläufer von München eine Waffe verkauft hatte, wurde bei einem Scheingeschäft im August von Fahndern verhaftet' tag='. Schwerpunkt illegaler Geschäfte im Darknet ist nach Einschätzung von Ermittlern Rauschgift. Waffen werden im Darknet nach Erkenntnissen von Fachleuten deutlich seltener angeboten als Drogen, sind aber angesichts der Sicherheitslage Schwerpunkt der Ermittlungen. Zudem spielt der Handel von Kinderpornografie, Falschgeld und gefälschten Pässen eine Rolle.

Ist die Nutzung des Darknets legal?

Das kommt drauf an, wie man es nutzt. Ursprünglich wurde es zum Schutz von Dissidenten entwickelt, die darauf angewiesen sind, anonym zu veröffentlichen und sich informieren zu können. Das gelte heute insbesondere für Menschen in der Türkei, Iran oder Syrien, sagt Linus Neumann vom CCC: "Hier ist eine Abwägung von Schaden und Nutzen wichtig."

Den Tor-Browser herunterzuladen, ist kein Verbrechen. "Den Browser darf man auch nicht verteufeln", sagt Thorsten Kercher, Spezialist des LKA Baden-Württemberg. Mit Hilfe des Browsers seien auch Menschen im Internet unterwegs, die in politischen Systemen lebten, in denen Meinungsfreiheit nicht viel gelte. Der Kauf von illegalen Waren oder Informationen (wie Daten gestohlener Kreditkarten) oder das Betrachten von Kinderpornografie ist jedoch eine schwere Straftat. 

Warum will Thomas Kutschaty jetzt gegen Darknet-Händler vorgehen?

"Das Darknet ist der Online-Shop für Kriminelle", sagte NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) am Mittwoch. „57 Prozent des Angebots dient illegalen Zwecken.“ Die Justiz müsse Verkaufsplattformen das Handwerk legen können, „bevor auch nur eine einzige Waffe über den Tresen geht“.

Bislang ist das bloße Unterhalten eines Verkaufsangebots im Darknet für verbotene Gegenstände oder Inhalte nicht ohne weiteres strafbar. Verkäufe müssen nachgewiesen werden. Das ist aber nur schwer möglich, weil die Geschäftsverbindung anonymisiert ist. Deshalb muss die Strafbarkeit nach Ansicht Kutschatys "vorverlagert" werden.

Jetzt lesen

Was will Thomas Kutschaty?

"Wir brauchen Gesetze, die jede Gelegenheit zum Handel mit verbotenen Waren im Internet unter Strafe stellen", sagte Kutschaty. Außerdem müssten Ermittler den Tätern im Darknet leichter auf den Fersen bleiben können, obwohl die Daten dort nur schwer zu verfolgen seien. Die Landesjustizminister wollen am Donnerstag in Berlin über einen entsprechenden Antrag aus NRW beraten.

Mit Material der dpa