Macht BA.5 wieder mehr krank – und wie schnell ist man ansteckend?

Coronavirus

BA.5 dominiert inzwischen die Corona-Lage in Deutschland. Übertragbarkeit, Inkubationszeit, Immunflucht, Krankheitsschwere: was über die neue Corona-Variante bekannt ist – und was ungewiss bleibt.

Berlin

28.06.2022, 06:10 Uhr / Lesedauer: 3 min

BA.5 hat sich in Deutschland innerhalb weniger Wochen durchgesetzt. Wer sich momentan ansteckt, hat es wahrscheinlich mit der neuen Omikron-Sublinie zu tun. Und je stärker diese neue Variante kursiert, umso spürbarer nehmen auch die Corona-Infektionen wieder zu. Wie stark genau, ist nur schwer exakt zu beziffern. „Wir rechnen jetzt damit, dass von den Fällen, die wir haben, noch einmal die gleiche Zahl nicht erkannt wird, dass wir also eine Dunkelziffer von rund 50 Prozent haben“, sagte Karl Lauterbach vor wenigen Tagen im ARD-„Morgenmagazin“.

Um trotz fehlender Daten zu Corona-Fällen einschätzen zu können, wie gefährlich das Virus noch werden könnte, sind aber auch andere Faktoren wichtig: Wie übertragbar, krank machend und den Immunschutz umgehend ist nun diese Omikron-Linie? Und wie schnell zeigen sich Symptome? Das lässt sich inzwischen etwas besser einschätzen als noch Anfang Mai, als BA.5 begann, hierzulande zu zirkulieren.

1. Die Übertragbarkeit: Wie ansteckend ist BA.5?

Die Omikron-Sublinien zeichnen sich durch eine stark gesteigerte Übertragbarkeit aus. Das ist auch bei BA.5 der Fall. Dieser Virenstamm hat mit neuen Mutationen sogar noch einmal einen Verbreitungsvorteil gegenüber den bereits sehr ansteckenden Mutanten BA.1 und BA.2. Sehr viele Menschen können sich also in kurzer Zeit anstecken – und das sogar im Sommer. Der saisonale Effekt wird dadurch aufgehoben. Bislang ist aber nicht klar, wie genau BA.5 das schafft. Es gibt nur die Theorie, dass das Virus vermehrt in den oberen Atemwegen unterwegs sei und damit schneller von einem Infizierten auf den nächsten überspringen könnte.

2. Die Inkubationszeit: Wie schnell ist man ansteckend?

Beim Ursprungs­virus, das zu Beginn der Pandemie vor rund zwei Jahren durch die Welt kursierte, ging das RKI noch von einer mittleren Inkubations­zeit von rund fünf Tagen aus. Das heißt: Es dauerte im Schnitt fünf Tage, bis sich bei Infizierten corona­typische Symptome wie Husten, Fieber oder Schnupfen zeigten. Bei der Delta-Variante fiel die Inkubations­zeit dann bereits etwas kürzer aus. Es haben sich schneller Symptome bemerkbar gemacht als beim Ursprungs­virus. Das RKI ging bei dieser Variante von einem um etwa 1,5 bis zwei Tage verkürzten Zeit­raum aus.

Und bei Omikron? Hinweise liefert etwa eine Studie aus dem norwegischen Oslo. Dort konnten Forschende des Norwegian Institute of Public Health (NIPH) für einen größeren Ausbruch mit Omikron-Infizierten mit dem Subtyp BA.1 nachweisen, dass die Inkubationszeit im Mittel drei Tage dauerte – und nicht wie sonst fünf. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine Analyse der US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC).

Bislang gehen Forschende davon aus, dass diese Annahmen auch für den Omikron-Subtyp BA.5 gelten. Eindeutige Studien dazu gibt es bislang aber nicht. Es gibt auch keinen gesicherten Zeitraum, ab dem man ansteckend für andere ist. Das kann von Person zu Person variieren.

3. Die Pathogenität: Wie krank macht BA.5?

Die Omikron-Linien BA.1 und BA.2, die noch im Winter und Frühjahr zirkulierten, waren dafür bekannt, weniger krank zu machen als die vorher dominante und sehr tödliche Delta-Variante. Bei BA.5 könnte dieser Trend nun wieder gebrochen sein. Dafür gibt es zumindest erste Hinweise.

Zum einen könnte diese Subvariante wieder stärker die tieferen Atemwege und mehr Lungenzellen befallen. Ein Indiz dafür, dass BA.5 an sich wieder mehr krank machen könnte, zeigen auch Genomanalysen des veränderten Erregers. Denn dieser Omikron-Subtyp trägt unter anderem die Mutation „L452R“. Diese gab es auch im Delta-Virus, sie ist bislang mit einem schweren Krankheitsverlauf assoziiert.

Das heißt aber auch: Bewiesen ist bislang nicht, dass BA.5 wieder mehr krank macht. Es gibt nur einen Verdacht. „Ich denke nicht, dass es wieder zu überfüllten Intensivstationen kommen wird, aber das Rad dreht sich wieder mehr in Richtung Krankheit, ja“, sagte dazu der Charité-Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité. Es stimme eben nicht, dass ein Virus im Laufe der Evolution automatisch immer harmloser wird, wie manche behaupten, erläuterte er in einem „Spiegel“-Interview.

Hinweise gibt es nicht nur im Labor. Die portugiesischen und britischen Gesundheitsbehörden bemerken bereits, dass mit dem Auftauchen von BA.5 nicht nur die Ansteckungen, sondern auch die Krankenhauseinweisungen und Sterbefälle in der Bevölkerung wieder zunehmen. Derzeit sei das aber nur „ein kleiner Effekt“, heißt es in einem Ende Juni veröffentlichten Bericht der UK Health Security Agency.

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Eine engmaschige Überwachung sei trotzdem erforderlich. Es sei noch unklar, warum genau die Zahlen steigen. Das könnte auch mit anderen Faktoren zu tun haben: etwa damit, dass das Virus sich der Immunantwort teils entzieht und insgesamt übertragbarer ist – also mehr Menschen zeitgleich ansteckt und krank macht. Relevant könnte aber auch sein, dass die Immunantwort bei vielen Geimpften und Genesenen inzwischen wieder abnimmt.

In Deutschland zeigt sich bislang kein Anstieg in den Kliniken. Die bisherigen Daten ließen nicht darauf schließen, dass Infektionen mit BA.5 „schwerere Krankheitsverläufe oder anteilig mehr Todesfälle verursachen als BA.1- und BA.2-Infektionen“, heißt es im aktuellen RKI-Wochenbericht.

4. Die Immunabwehr: Wie stark umgeht BA.5 den Immunschutz?

Bei der Omikron-Sublinie hat sich das Spike-Protein verändert. Dadurch kann die Variante schlechter von relevanten neutralisierenden Antikörpern bekämpft werden. Das heißt also: Der Immunschutz bei Geimpften und Genesenen nimmt durch BA.5 noch einmal weiter ab, vor Ansteckung und auch vor Erkrankung. Eine Reinfektion findet wahrscheinlicher statt, und das schon Wochen bis Monate nach einer Ansteckung und/oder Impfung.

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Bisherige Erkenntnisse gehen aber davon aus, dass bei immungesunden Menschen nach dreifacher Impfung der Schutz vor schwerem Covid-19 längerfristig hoch bleibt. Anstecken können sich aber auch Geboosterte. Genesene ohne Impfschutz sind bei BA.5 gefährdeter: Eine vorher durchgemachte Infektion allein schützt nur wenig.

RND

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